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Meyer, Kai: DAS HAUS DES DAEDALUS (Buch)
Kai Meyer
Das Haus des Daedalus
Originalausgabe
Heyne Verlag Hardcover
ISBN 3-453-17880-2
384 Seiten, 39,90 DM
von Carsten Kuhr
Es ist keine Neuigkeit, und ich bekenne mich offen dazu, dass ich ein begeisterter Fan der Werke von Kai Meyer bin.
Wie kaum ein anderer deutschsprachiger Autor des Genres versteht Meyer es, die in seinen Romanen verwendete Sprache als minutiös eingesetztes Instrument zu nutzen. Nur ganz wenigen seiner Kollegen Ist es gelungen, aus den vermeintlichen Niederungen des Heftromans aufzusteigen in die elitäre Welt der Hardcoverausgaben. Hanns Kneifel, Th. Mielke und Wolfgang Hohlbein, der Kreis der mir in den Sinn kommt ist mehr als überschaubar, und von allen genannten ist Meyer meines Erachtens der Autor mit dem grössten schriftstellerischem Talent. Dazu kommt, dass er seine Romane sorgfältig und umfangreich recherchiert und damit ein unheimliches dichtes Gewebe seiner Erzählung spinnt, das seine Leser in ihren Bann zieht, und bis zum meist grandiosen Finale nicht mehr loslässt. Früher bei zum Aufbau Verlag gehörenden Rütten & Loening publiziert, erscheinen seine neusten Titel, mit Ausnahme der Jugendbücher, die bei Loewe aufgelegt werden, im Münchner W. Heyne Verlag. Dort werden uns sukzessive die früheren Romane Meyer als Taschenbuchneuausgaben wieder zugänglich gemacht, aber auch die neuesten Werke haben sich die Münchner gesichert.
Sein neuestes Epos spielt in Rom. Das ist wichtig, zieht der Autor doch aus dem uralten Regierungssitzes der ewige Stadt mit ihrer Zweiteilung zwischen weltlicher Metropole und klerikalen Vatikan einen beträchtlichen Teil seiner Faszination.
Als Handlungsträger begegnen wir einer jungen Roma, Coralina genannt, die bei der Restauration einer römischen Kirche einen dort versteckten, kunsthistorisch unermesslich wertvollen Schatz entdeckt. Nicht nur die Druckplatten der 16 Carceri Motive von Piranesis sind dort versteckt, sondern ein bislang unbekanntes 17. Motiv taucht auf, und auch eine altminoische Scherbe eines Gefässes findet die engagierte Restauratorin. Da ihre Grossmutter in grossen finanziellen Nöten steckt, beschliesst sie die unbekannte Druckplatte zu entwenden, und ruft den Kunstexperten Jupiter zur Hilfe, um das Kleinod an den Mann zu bringen. Bald schon stellt sich heraus, dass an den Relikten eine klerikale Geheimloge, die genannt grosses Interesse bekundet. Und die Mittel, die diese Männer im Dienste des heiligen Stuhls zur Erlangung der beiden Gegenstände anwenden lassen sich mit den christlichen Geboten von Nächstenliebe und Frieden auf Erden in keinster Weise in Einklang bringen. Ein beispielloses Geflecht von Intrigen, Vertuschung, Verrat und Mord tut sich auf - unsere Beiden werden in den Vatikan entführt, gejagt und vergiftet bis sie erfahren, dass die Druckplatte und die Scherbe das Geheimnis eines unbekannten Seiteneingangs zur unter dem Vatikan gelegenen birgt. Daedalus, der bereits auf Kreta das Labyrinth des Minotaurus erbaute, soll auf den 7 Hügeln Roms in Vor-Etruskischer Zeit nach dem Flammentod seines Sohnes Ikarus sein Meisterwerk erschaffen haben, ein Labyrinth in dessen tiefsten Kerkern die magische Macht des Baumeisters nach wie vor präsent sein soll. Eine Macht, die, wenn freigesetzt, die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern vermag...
Was ist dies für ein Buch, das vor mir liegt?
Eine Hommage an den besonderen Flair die italienische Hauptstadt, ein Krimi-Thriller auf den John le Carre stolz wäre, ein Werk, das den Grossmeister des Horrors, Stephen King das Gruseln lernen könnte, auf jeden Fall aber eine die den förmlich an die Seiten des Buches gefesselten Leser nicht aus ihrem Bann lässt!
Dabei beginnt alles zunächst so konventionell und doch, in der Nachschau bemerkt man erst, wie sorgfältig konstruiert bereits in den ersten scheinbar so unschuldigen Seiten des Romans das Fundament für die nachfolgenden Mysterien gelegt wurde. Schleichend, beinahe unbemerkt nähern wir uns mit den Protagonisten dem grossen Geheimnis des Romans an, folgen verwirrenden Fährten, die allerdings nur scheinbar zunächst ins Leere führen. Mit zunehmender Dauer offenbart sich dem Leser ein in seinen Einzelheiten faszinierendes Bild der im Vatikan beheimateten Geheimlogen, der Skrupellosigkeit mit der die christliche Institution vorzugehen bereit ist, um ihre Ziele zu erreichen und ihre Geheimnisse zu wahren. Dabei lebt der Roman nur zum Teil von der Faszination, die vom weitgehend unbekannten Vatikanstaat ausgeht. Gleichzeitig berührt uns der so ganz eigene Flair der Stadt auf den sieben Hügeln mit all ihren kleinen verwinkelten Gassen, ihren Vespa-Hinterhofwerkstäften, den Espressobars und Cappuccinocaffees und den unvermeidlichen Verkehrsstaus. Aus jeder Zeile spricht die Zuneigung des Autors zu dieser so menschlichen Metropole.
Auf seine ganz eigene Art versteht es Kai Meyer mit einigen wenigen Worten seine Figuren treffend zu charakterisieren und plastisch vor dem Auge des Lesers Gestalt annehmen zu lassen. Gleich einem befähigten Portraitisten, der mit einigen wenigen Strichen eine Gestalt mit all ihren Charakteristika aufs Papier zu bringen vermag zeichnet er mit wenigen, sparsam aber bewusst gesetzten Worten seine Menschen so lebensecht und überzeugend, dass man unwillkürlich meint diesen bereits einmal begegnet zu sein. Diese Gabe, in Verbindung mit seiner Fähigkeit seine Sprache minutiös dem gerade Erzähltem und dem Erzähler anzupassen sorgen dafür, dass die Geheimnisse und das Geschehen uns intensiv packt und bis zum spannenden Finale nicht mehr aus seinen Klauen lässt.
Kai Meyer beweist mit diesem grandiosem Werk erneut, dass er zu der ersten Garde deutschsprachiger Erzähler gehört. Nach DER GEISTERSEHER hat DAS HAUS DES DAEDALUS als zweiter Roman aus Meyer'scher Feder alle Attribute zu einem Klassiker der deutschen Unterhaltungslitertur zu werden!
Hoffen wir, dass bald, sehr bald weitere solch tolle Bücher aus dem Hause Meyer auf die Theken der Buchhandlungen kommen!
hinzugefügt: July 28th 2004 Tester: Carsten Kuhr Punkte: Hits: 2973 Sprache:
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