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Masters of Horror: Valerie on the Stairs (DVD)

Masters of Horror: Valerie on the Stairs
USA 2006, Regie: Mick Garris, mit Tyron Leitso, Clare Grant, Tony Todd u.a.

Von Thomas Harbach

Produzent Mick Garris hatte schon einen schweren Stand bei der ersten Staffel der „Masters of Horror”. Die treibende Kraft hinter dem Projekt, haben die Fans von Beginn klar gestellt, dass sein umfangreiches, aber in erster Linie handwerklich überzeugendes Horror-Werk nicht für den Status eines Meisters reicht. Dann präsentierte Garris mit „Chocolate” nicht unbedingt eine der schlechtesten Folgen, aber zumindest eine Episode, die mit Müh und Not dunkle Fantasy genannt werden konnte. Für die zweite Staffel suchte sich Mike Garris eine Kurzgeschichte von Clive Barker aus, der sowohl in der ersten als auch zweiten Staffel leider keine Folge gedreht hat: „Valerie on the Stairs” ist ein Text, der einen schreibenden Regisseur wie Garris insbesondere Art und Weise anspricht.

War „Coldheart Canyon” Barkers Abrechnung mit Hollywood, so setzt er sich im vorliegenden Script mit den Äonen von erfolg- und bedeutungslosen Autoren auseinander. Die Ausgangsprämisse ist sicherlich dabei das faszinierendste Element der Folge: man stelle sich ein heruntergekommenes Hotel vor, in dem sich nur Autoren einquartieren dürfen - umsonst natürlich -, die bislang keine Veröffentlichung aufweisen können. In einer Hommage an David Cronenbergs „Naked Lunch” produzieren diese menschlichen Verlierer Kurzgeschichten, Drehbücher und große amerikanische Romane, die niemand lesen möchte. Wer publiziert, muss ausziehen. Rob Hanisey - eine nur solide Darstellung von Tyron Leitso - ist pleite und froh, das Angebot zu bekommen, in das Hotel zu ziehen. Der Vorbesitzer seines Zimmers ist ums Leben gekommen. Im Gegensatz zu Rob versuchen die anderen Autoren, angeführt von Everett Neely (Christopher Lloyd) und Jonathan Watton (Bruce Sweetland), weniger, literarische Ehren zu erwerben, sie treiben sich lieber in den langen Fluren herum und gehen sich gegenseitig auf die Nerven. Kaum hat es sich Rob in seinem Zimmer gemütlich gemacht, trifft er auf eine junge nackte Frau - Clare Grant verkörpert die richtige Mischung aus Verführung und Unschuld -, welche von einem Biest als Sexsklave gehalten wird. Robs Versuche, nicht nur die Schöne zu befreien, sondern das Geheimnis hinter ihrer Gefangennahme zu lüften, bringen das brüchige Gerüst dieses Autorenhotels zum Einsturz, enthüllen eine eher enttäuschende Wahrheit und führen zu einem Ende, das man ungeschönt als literarische „Matrix” bezeichnen kann. Es ist auch der beste Moment dieser Folge, in welchem Barkers außerordentliche Phantasie die Grenzen dieser oft zu ernst puppigen Geschichte durchbricht. Dieser Augenblick folgt einer der schwächsten und lächerlichsten Sequenzen der Folge. Autorentechnisch hätte Barker sein Drehbuch nicht von Garris, sondern von Philip Jose Farmer überarbeiten lassen. Kein anderer phantastischer Autor hat Gewalt und Sex in seinen Romanen zu einer so provokanten außerordentlichen Mischung verbunden und insbesondere im Pulpgenre, auf dem die wenig überraschende grundlegende Prämisse basiert, versteht Farmer auch sehr viel mehr als Barker und Garris zusammen. Wie Barker selbst in seinem frühen Filmen wie „Hellraiser”, „Cabal” und am ehesten noch in dem unterschätzten „Lord of Illusion” festgestellt hat, ist es schwer, seine außerordentlichen Ideen und Visionen auf die Leinwand bzw. den Fernsehschirm zu bannen.

Auf dem Papier funktioniert „Valerie on the Stairs” nicht zuletzt dank Clive Barkers provokativen Schreibstil und seiner einmaligen Fähigkeit, mittels Beschreibungen surrealistische, gewalttätige und groteske Bilder aufs Papier zu zaubern deutlich besser. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die grundlegende Prämisse seiner „Bücher des Blutes” und seinem ersten Roman „Damnation Game” deutlich mehr ähnelt, als seinen neueren Büchern. Der Schrecken muss im Kopf der Zuschauer entstehen. Es ist vielleicht eine beabsichtige Ironie, dass dieser schwierigen Aufgabe die gescheiterten Autoren im Hotel nicht einmal in ihren kühnsten Träumen nahe kommen. Mike Garris aber auch nur in wenigen Szenen. Die nicht leichte Aufgabe droht schon an den Protagonisten zu scheitern. Rob ist ein typischer Barker-Held, ein sympathischer Verlierer, der mit seinem Leben nichts anfangen kann, der allerdings erkennt, dass er etwas ändern muss. Frauen sind bei Barker im Grunde nur Opfer und/oder Verführer. Sie haben keine echten Beziehungen, ihre Versuche, einen Mann zu lieben können nur in einer Katastrophe enden. Im vorliegenden Fall in doppelter Hinsicht, da Valerie mit deutlich devoten Zügen sich sowohl dem Monster hingibt, welches sie verabscheut und ihre „Schöpfer” - ein Kollektiv dreier Autoren - in den Pulproman sadistische Kapitel hineingeschrieben haben, die auf einem Niveau der „Saw-” oder „Hostel”-Verfilmungen sind. Eine echte Beziehung gibt es insbesondere in den frühen Barker-Geschichten nicht, darum ahnt der erfahrene Fan das Ende der Geschichte schon weit im Voraus.

Im Vergleich zu vielen anderen Monster-Jungfrau-Geschichten haben Garris und Barker zumindest die Vision, dass im Angesicht der Gefahr sexuelle Beziehungen - egal ob hetero oder lesbisch - unwahrscheinlich sind. Also haben die beiden Autoren die Prämisse nur ein wenig gedreht und Sex mit dem Monster integriert. Im Vergleich zu den Monsterstreifen der fünfziger Jahre, welche nur verschämt und umständlich entsprechende Andeutungen integrierten, geht es hier direkt zur Sache. Nachdem das Monster in nicht immer überzeugendem Make Up einen der Autoren ausgeweidet und ausreichend Gore geliefert hat, um dem Niveau der Serie zu entsprechen, liebt er körperlich die ihm verfallene Valerie. Es wird aber nicht deutlich, ob diese devote Haltung alleine wegen des Pulpkorsetts besteht, oder sie Valeries Wesen entspricht.

Gegen Ende der Geschichte machen Barker und Garris allerdings den Fehler, ihre dunkle Fantasy mit den Elementen eines Serienkillers aufzupeppen, welcher erst sich selbst und dann das Monster mit willigen Opfer versorgt. Hier wäre es sinnvoller gewesen, die Horrorelemente in einem Nirwana zu belassen, um den überraschenden, aber schwer zu erklärenden Epilog solide vorzubereiten. In den letzten zehn Minuten übertreiben es Garris und Barker und füllen mit verärgernden Elementen den kurzweiligen Plot auf Fernsehfolgenlänge auf. So muss Rob durch das Dunkel schreiten, um sich schließlich dem Monster zu stellen. Dieses besiegt er dann auf eine ehr lächerliche und wenig intelligente Weise - kein Wunder, dass es sich um unpublizierte Autoren in diesem Hotel handelt -, bevor er dann alles verliert. Wie Garris auch in dem informativen Audiokommentar zugibt, ist Barkers Story schwer und vor allem überzeugend zusammenzufassen. Leider fehlt zumindest Garris die Phantasie, wichtige Teile grotesk zu überzeichnen, um ihren Ursprung in einem billigen Pulpmagazin zu unterstreichen.

Weiterhin ist die Episode stellenweise viel zu ernst und knochentrocken erzählt, um den Zuschauer bei den unglaubwürdigen Passagen wirklich an den Bildschirm zu fesseln. Während John Carpenter in seinem herausragenden „Cigarette Burns” die Story humorvoll, direkt und dunkel erzählt, braucht „Valerie on the Stairs” in den offenkundig selbstironischen Passagen - der Dämon sitzt unter der Erde auf einem Thron, umgeben von Menschenknochen! - einige zynische Kommentare Robs oder vielleicht sogar die Erkenntnis, dass er sich als Autor niemals so einen Quatsch ausdenken könnte.

Zu Beginn der Folge fehlt Garris der Roman, die drei Autoren und ihre Gemeinsamkeiten/Unterschiede vorzustellen. Einer der drei Autoren ist schon beim Handlungsauftakt tot und macht Platz für Rob. Die Frau im Trio ist lesbisch, was Barkers Phobie vor normalen Beziehungen in seinen Geschichten und Romanen entspricht. Die Liebesszene mit ihrer Schöpfung Valerie ist weder erotisch, noch überzeugend. Anscheinend sind Garris und Barker der Meinung, dass eine Frau im Sex mit einem Mann/Dämonen devot und unterwürdig sein kann, während sie bei ihren Zärtlichkeiten Frauen gegenüber den dominanten Part annimmt. Solche Wechselwirkung ist durchaus realistisch, wenn sie vernünftig eingeführt wird. Die dritte Figur wird von Christopher Lloyd sehr überzeugend gespielt. Verschämt gibt er zu, dass er vor vielen Jahren einen Roman veröffentlicht hat, der umgehend zu einem noch schlimmeren Film verarbeitet worden ist. Danach will er Rob sofort das Poster schenken - diese Geste wirkt nicht überzeugend -, der sofort das Pseudonym auf dem Poster durchschaut hat. Warum niemand anders von den Autoren - oder gar die Gastgeberin - ebenfalls auf den Gedanken gekommen ist, erscheint ebenfalls zweifelhaft. Christopher Lloyd werden allerdings die besten Dialoge auf den Leib geschrieben und in mehr als einer Szene drückt er den eigentlichen Helden Rob schauspielerisch an die Wand. Rob trägt die klassischen Verliererzüge: er versucht einen neuen Anfang nach zu viel Alkohol und einer gescheiterten Beziehung. Dafür wandelt sich seine Figur gegen Ende der Folge zu unüberzeugend und seine Besessenheit mit Valerie wird zu wenig erläutert. Hier wäre es sinnvoll gewesen, Robs Exfreundin und Valerie von der gleichen Schauspielerin darstellen zu lassen, um Rob eine zweite, allerdings vergebliche Chance zu suggerieren und sein teilweise aus dem Nichts heraus übermotiviertes Handeln zu erklären. Warum sich Valerie und das Monster jetzt an ihren Schöpfern rächen, obwohl das Buch offensichtlich noch nicht fertig geschrieben worden ist, wird ebenfalls nicht weiter erläutert. Mit der letzten Szenen deuten Garris und Barker eine starke, zu starke Wechselwirkung zwischen Schöpfer und Geschöpf in der Tradition eines literarischen Frankensteins an, auf dem Weg zu den letzten, tricktechnisch souverän gestalteten Bildern kümmern sie sich wenig bis gar nicht um diese Frage. Inwieweit diese logischen Brüche im Originaltreatment schon vorhanden gewesen sind oder nicht, lässt sich nicht so einfach feststellen. In seinem Audiokommentar erläutert der sympathische Garris nicht nur die Produktion und Entstehungsgeschichte des Drehbuchs, sondern geht immer wieder darauf ein, dass man weniger mit den Horrorklischees spielen wollte, sondern die reinigende Kartharsis der Autoren in seinem Schöpfungsprozess untersuchen wollte. Ein Versuch, der nicht immer gänzlich gelungen ist.

Viele auch optisch außergewöhnliche Szenen mussten aufgrund der beschränkten Budgets aus dem immerhin 45 Seiten langen Treatment Barkers herausgestrichen werden. Im Vergleich allerdings zu vielen anderen Adaptionen, die Garris in seiner inzwischen langen Karriere vorgenommen hat, wirkt „Valerie on the Stairs” trotz der aufgezählten Schwächen, freier, fast schon befreiter und künstlerisch ambitioniert, nicht mehr so steif und handwerklich solide. Im Vergleich zu anderen Folgen der „Masters of Horror” versucht Garris eine nihilistische Atmosphäre zu erzeugen, eine im Grunde absurde Prämisse - ein Stundenhotel für Autoren - auf die Spitze zu treiben und dann erst in zwei sehr effektiven, sehr brutalen, aber plottechnisch notwendigen Szenen die Gorefreunde zufriedenzustellen. Zusammenfassend fehlt „Valerie on the Stairs” in der Behandlung eines für das Genre alten Themas, dass der böse Gedanke böses Fleisch gebiert - siehe auch David Cronenbergs „Videodrome” - nicht viel, um eine wirklich herausragende Episode der enttäuschenden zweiten Staffel der „Masters of Horror” zu sein. An einigen Stellen erkennt der Zuschauer, dass Garris trotz aller Bemühungen kein kreativer Künstler ist. Unter den Händen David Cronenbergs wäre die Folge trotz der wackeligen und nicht immer wirklich überzeugend extrapolierten Prämisse ein Meisterwerk geworden.

Neben dem informativen Audiokommentar lohnen sich einige weitere Extras ganz besonders. So kommentiert Clive Barker wie übliche zu enthusiastisch einige Aspekte der Produktion, Garris und sein Team erläutern ihre Vorgehensweise bei den beiden großen Schocksequenzen und die Schauspieler geben ihre Eindrücke vom Dreh wieder. Auch hier punktet Christopher Lloyd mit seiner souveränen Art am meisten.

Die Farben der DVD sind wieder herausragend, insbesondere die dunkle, diffuse und zeitlose Atmosphäre im Hotel wird kongenial wiedergegeben. Beide Tonspuren sind klar, die Dialoge ausgezeichnet von den Hintergrundgeräuschen abgegrenzt. Es lohnt sich allerdings, auf die originale Tonspur auszuweichen, die Dialoge wirken trotz ihrer Steifheit ein wenig pointierter und natürlicher.

DVD-Facts: Bild: 1,78:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 2.0 Stereo (Audiokommentar)
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Audiokommentar, Features, Interviews

hinzugefügt: February 24th 2008
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Splendid
Hits: 2750
Sprache: german

  

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