Jack McDevitt
Odyssee
(Odyssey, 2006)
Aus dem Amerikanischen von Frauke Meier
Bastei Lübbe, 2008, Taschenbuch, 606 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-404-24369-3
Von Gunther Barnewald
„Odyssee“ ist, wie z. B. „Gottes Maschinen“ oder „Die Sanduhr Gottes“, ein weiterer Roman um Priscilla „Hutch” Hutchins, ehemalige Weltraumpilotin und nun hohe Angestellte in der Raumfahrtakademie.
Nach der mysteriösen Sichtung einiger außerirdischer Raumfahrzeuge (die inzwischen nicht mehr UFOs, sondern Moonrider genannt werden), herrscht in der Akademie erhöhte Alarmbereitschaft. Trotz des Ausfalls einiger Schiffe nach einer Havarie eines bestimmten Raumschifftyps, was Hutch dazu bringt, alle Raumfahrzeuge dieser Serie erst einmal aus dem Verkehr zu ziehen, beschließt sie, eine Suchexpedition los zu schicken, welche nach den intelligenten und technologisch fortschrittlichen Aliens suchen soll. Mit an Bord ist auch, neben der Pilotin Valya, der berühmt-berüchtigte Journalist Gregory MacAllister, den Lesern schon aus „Die Sanduhr Gottes“ bekannt, zudem die jugendliche Tochter eines hohen Politikers und der PR-Chef der Akademie.
Denn noch ist die Menschheit nicht auf Außerirdische getroffen, die sich im puncto Entwicklung mit ihr hätten messen können oder ihr gar überlegen gewesen wären, was einerseits befürchtet, andererseits aber auch herbeigesehnt wird von vielen Menschen. Die beobachteten fremden Raumschiffe zeugen jedoch, sollten sie wirklich existieren, von fremden Raumfahrern einer anderen Rasse und damit fortschrittlicher Technologie.
Tatsächlich werden die Expeditionsteilnehmer scheinbar fündig und sammeln Daten der Moonrider. Doch sind die Daten echt oder nur ein groß angelegter Betrug? Und was ist mit der seltsamen Botschaft an die sich an Bord befindende Jugendliche, wonach die Fremden planen, ein wissenschaftliches Projekt der Menschen, welches diese fern von der Erde durchführen, zu zerstören? Könnte dieser so genannte Hypercollider wirklich einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum erzeugen und damit das Universum auslöschen und somit die Aliens gegen die Menschheit mobilisieren?...
Zwar ist der Autor um verblüffende Antworten nicht verlegen und die ein oder andere Wendung in der Handlung ist alle Ehren wert, doch dies täuscht nicht darüber hinweg, dass der vorliegende Roman definitiv nicht zu den besten Werken Jack McDevitts gehört. Zu lange lässt er sich damit Zeit, bis die wirklich frappierenden Dinge passieren, zu groß ist der Umfang des Buchs berücksichtigt man den Inhalt der Geschichte. „Odyssee“ ist mindestens 200 Seiten zu umfangreich geraten.
Nur des Autors wunderbarer Stil und seine grandiose Fertigkeit, prägnante Charaktere zu entwerfen, halten den Leser hier bei der Stange. Vor allem die Persönlichkeit des narzisstischen MacAllister, der sich über die Egozentrik anderer Menschen erregen kann, ohne seine eigene Eitelkeit in Betracht zu ziehen, ist dem Autor wieder einmal meisterhaft gelungen. Schnell sieht man ihn vor sich, sein kleinliches Bestreben nach Berühmtheit, seinen Zynismus allen ihm Unterlegenen gegenüber und seine Weltverdrossenheit, bedingt durch den Verlust des einzigen Menschen, den er wohl jemals aufrichtig geliebt hatte.
Auch der schlussendliche Plot weiß zu überzeugen, jedoch der lange Weg dorthin nur bedingt. Vieles ist McDevitt diesmal zu behäbig geraten, die Suche nach den Außerirdischen kommt nur schleppend in Gang. Manchmal wirkt das ganze Geschehen für eine ferne Zukunft auch zu sehr in der Gegenwart verwurzelt, die Probleme sind allzu gegenwärtig, um vollends überzeugen zu können.
Misst man den Autor an seinen eigenen Leistungen (individuelle Norm), dann ist „Odyssee“ ein eher mäßiges bis schwaches Buch, misst man ihn an den Romanen anderer Autoren (Gruppennorm), dann gehört die vorliegende Geschichte immer noch zum besseren Teil der SF. Da man bei Literatur nur schwer von einer objektiven Norm ausgehen kann (um alle drei Formen der Normierung zu nennen), muss festgestellt werden, dass „Odyssee“ mit Sicherheit kein Meilenstein des Genres ist, aber durchaus akzeptable Unterhaltung bietet, in Plot, Atmosphäre und vor allem Charakterisierung sicherlich besser ist als das meiste, was im Genre üblicherweise veröffentlicht wird.