Thunderbirds: Die Initiative 1
Warren Ellis, Mike Deodato jr., Rain Beredo, Marko Djurdjevic u. a.
(Thunderbolts 110 – 115: Faith in Monsters, Part 1 – 6, 2007)
Aus dem Amerikanischen von Michael Strittmatter
Titelillustration von Marko Djurdjevic
Panini, 2007, Paperback, 148 Seiten, 16,95 EUR
Von Irene Salzmann
Es ist schon eine Weile her, seit die Thunderbolts in die Bresche sprangen, als andere Heldenteams nicht zur Verfügung standen. Als ihre Identitäten enthüllt wurden, entpuppten sie sich als die Masters of Evil, die eigentlich die Herrschaft über die Welt hatten an sich reißen wollen, doch letztlich den Menschen mehr Gutes taten, als geplant – und sogar Gefallen an ihren neuen Rollen fanden. Allerdings wurden und werden sie immer wieder von ihrer kriminellen Vergangenheit eingeholt und müssen sich ständig erneut für eine Seite entscheiden.
Der „Civil War“ hat nun die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischt, vielfach sogar umgekehrt. Wer sich registrieren lässt, darf sich eine weiße Weste überziehen und für die Regierung Schurken jagen. Zahlreiche Verbrecher nutzen diese Chance, um legitim Gewalt ausüben zu können und mit ihren einstigen Gegnern, die nun den Verbrecher-Status innehaben, abzurechnen.
Auch die Thunderbolts bewegen sich in dieser Grauzone als Ex-Schurken, insbesondere seit sie mit Bullseye und Venom zwei extrem gefährliche Killer in ihr Team aufnehmen mussten. Ferner wird Penance rekrutiert, der einzige Überlebende der New Warriors, und die ambitionierte Moonstone ist zurück. Sie alle werden von niemand geringerem kontrolliert als Norman Osborn, dem Green Goblin.
Schon immer ging ein großer Reiz von Geschichten aus, in denen die Protagonisten die Seiten wechselten. Ob das nun Sandman war, der Erzfeind von Spider-Man, der zu den Guten überlief und sich Silver Sables Söldner-Truppe anschloss, oder Magneto, der vorübergehend Leiter der X-Men war – um nur zwei Beispiele zu nennen. Die zeitgenössischen Comic-Charaktere sind vielschichtig und haben nachvollziehbare Motive, was einen solchen Wandel ermöglicht.
Auch die Thunderbolts basieren auf diesem Prinzip: Eine Gruppe Verbrecher schlüpft in neue Kostüme, gibt sich als Helden aus und erringt tatsächlich die Sympathien der Bevölkerung, bis das Geheimnis um ihre Identitäten enthüllt wird. Seither kämpfen sie um Anerkennung und gegen ihre eigene Vergangenheit, mal setzen sie sich für das Recht ein, dann wieder erliegen sie der Verlockung von Macht und Geld.
Dass sie nun von Norman Osborn kontrolliert werden, verheißt nichts Gutes. Die neuen Mitglieder sorgen sogleich für eine gesteigerte Gewaltbereitschaft. Opfer sind die Unbeteiligten, die eigentlich durch das Registrierungsgesetz geschützt werden sollten, und jene Helden, die in den Untergrund gingen, da sie das pervertierte System durchschaut haben und sich nicht davon missbrauchen lassen wollen.
Der vorliegende Sammelband erlaubt einen Blick hinter die Kulissen des Teams, verrät aber nicht zu viel und nicht alle Geheimnisse der Einzelnen. Überdies wird eine kleine Gruppe potentieller Gegenspieler aufgebaut, was die Weichen für weitere Konflikte stellt. Action steht im Vordergrund und wird in düsteren, aber sehr ansprechenden Illustrationen in Szene gesetzt – die Zeichnungen von Mike Deodato jr. gehören mit zu dem Besten, was man im Superhelden-Genre derzeit findet.
Ein neuer Story-Arc beginnt in diesem Sammelband, der auch Gelegenheitslesern den Einstieg in die Serie „Thunderbolts“ einfach macht. Man braucht keine Vorkenntnisse aus früheren Bänden oder dem großen Crossover „Civil War“, um sich in der Handlung zurechtzufinden. Das Wesentliche erfährt man unmittelbar aus der dramatischen Story.
Die realistisch-idealistischen Illustrationen runden gelungen eine spannende Geschichte ab, doch wird man auch die nächsten Bände kaufen müssen, will man wissen, wie es weiter geht, denn jede Antwort wirft neue Fragen auf, und der Sechsteiler bietet kein befriedigendes Ende. Trotzdem möchte man den Band allen Superhelden-Fans ans Herz legen, denn die Serie hat Potential, so dass man sie gern weiter verfolgt.