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Pratchett, Terry: DER ZEITDIEB - SCHEIBENWELT (Buch)
Terry Pratchett Der Zeitdieb ( The Thief of Time)
aus dem Englischen übersetzt von Andreas Brandhorst, Manhattan Hardcover, ISBN 3-442-54528-5, 379 Seiten, EUR 19,90
von Carsten Kuhr
Alle Jahre wieder, meist passend zur Buchmesse kommt der neue Scheibenwelt Roman im zu Random House / Goldmann gehörenden Manhattan Verlag im Hardcover. Vor Jahren warb Goldmann Pratchett's Megaseller-Reihe von Heyne mit dem Ausblick ab, irgendwann in der Zukunft die Romane als gebundene Bücher herauszubringen. Zunächst als grossformatige Paperbacks gaben die sehr guten Verkaufszahlen den Versprechungen der Herausgeber recht, und seit nunmehr rund 3 Jahren erleben die neuen Titel die Weihe des Hardcovers.
Wir haben sie liebgewonnen, unsere Helden der Stadtwache Ankh-Morpork's und die drei Hexen. Diesmal jedoch steht wieder einmal ein neuer Protagonist im Brennpunkt des Geschehens. Zwar spielen TOT und dessen Enkelin Susanne sowie die Reiter der Apokalypse eine Rolle, aber mit Mittelpunkt des Romans finden wir einen Mönch und einen genialen Uhrmachermeister. In einem abgelegenen, friedlichen Tal hat das Kloster der Geschichtsmönche seine Heimstatt. Die Mönche, vom Novizen an bis zum ehrwürdigen Abt in seiner X. Inkarnation wachen über die Zeit. Bereits einmal hat ein Uhrmacher eine Uhr gebaut, die durch ihre genaue Messung die Zeit gestoppt hat. Noch heute verwirren die Zeitlöcher und damals notdürftig geflickte Stellen aufmerksame Geschichtswissenschaftler. Die Revisoren entwickelten nun einen gar teuflisch schlauen Plan. Der Sohn der Zeit selbst, als genialer Uhrmacher in Ankh-Morpork lebend, soll die ultimativ genaue Uhr bauen. Durch diesen multi-dimensionalen Zeitmesser soll alle Veränderung, alle Entwicklung gestoppt, und die Herrschaft der ultimativen Ordnung gesichert werden - auf Kosten alles Lebens. Doch vor dem Triumph hat das Schicksal erst einmal einen Kehrer, einen jungen Exdieb, der nun als Mönch sein Leben fristet, sowie den 5., zwischenzeitlich als Milchmann arbeitenden apokalyptischen Reiter gesetzt.
Terry Pratchett macht sich auf, seinen Lesern einen neuen, unverbrauchten Helden vorzusetzen. Nein, ich meine nicht etwa den jungen Novizen, sondern den Kehrer. Voller fernöstlicher (wo ist eigentlich Osten auf dem Rücken der Schildkröte ?) .Weisheiten und Zitaten aus seinem selbstverfassten kleinen Buch gilt er als grösster Kämpfer und Überlebenskünstler der Mönche. Und das soll wirklich etwas heissen, bei Männern (Frauen ist der Zutritt zum Orden zwar nicht verwehrt, aber ..) deren Lebensdauer sich in Jahrhunderten bemisst. Dass unser Kehrer seinen Vorgesetzten und den, der Kirchenhirarchie sklavisch verpflichteten Formalisten nicht eben grün ist, versteht sich von selbst. Wenn er dann noch, ausgestattet mit den neuesten Errungenschaften aus der Werkstatt des lokalen Mr. Q, (James Bond wäre erstaunt, was sich alles basteln lässt) auf die unschuldige Menschheit und die Revisoren losgelassen wird, dann Gnade uns allen.
Pratchett hat in seinen Scheibenwelt: Romanen viel Lustiges und Vergnügliches geschildert. Mit seinen Unikaten wusste er uns ein ums andere mal zu faszinieren, mit den Geschehnissen zu fesseln. Oft musste ich lauthals loslachen, dann wieder vergnüglich schmunzeln. Dieser Roman lag mir persönlich, im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht ganz so. Die Mischung der verschiedenen Hauptpersonen ist zwar insgesamt, in der Nachschau recht interessant. Zulange aber ging es ein wenig arg hin- und her. Die Verknüpfung der verschiedenen Handlungsstränge miteinander erfolgt relativ spät, so dass wir auch erst im letzten Drittel des Buches erfahren, was unser ach so geliebten Scheibenwelt, ja dem Universum selbst droht.
Es gibt Stellen in diesem Roman, die sind köstlich. In einem Nebensatz, dessen Bedeutung einem erst ein wenig später so richtig bewusst wird, offenbart sich die ganze Pratchett'sche Erzählkunst. Pointiert, versteckt und doch um so treffender zeichnet er z.B. die Lehrerin Susanne oder den Kehrer so plastisch und überzeugend, dass diese Personen förmlich vor einem Gestalt annehmen. Wofür andere Autoren Seiten, ja halbe Bücher benötigen, das schüttelt Pratchett aus dem Handgelenk. Irgendwie aber hatte ich dann aber doch den Eindruck, ein wenig zuviel auf meinem Teller bekommen zu haben. Soll heissen, dass es mir vermutlich besser gemundet hätte, wenn der Autor sich z.B. auf den Kehrer und Susanne beschränkt, und TOT aussen vor gelassen hätte. Hier wurden auf zuvielen Kochstellen gebrutzelt, ein wenig arg viele Beilagen gereicht, um im Bild zu bleiben. Nicht dass der Roman seine Leser nicht zu unterhalten wüsste, aber mir persönlich gefielen die vergangenen Titel besser - vielleicht auch, weil mir die dortigen Hauptpersonen eher lagen.
hinzugefügt: July 28th 2004 Tester: Carsten Kuhr Punkte: Hits: 4186 Sprache:
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