Trapped Ashes
USA 2006, Regie: Joe Dante, Ken Russell, Sean S. Cunningham, u.a., mit Rachel Verltri, Jayce Bartok, John Saxon u.a.
Von Thomas Harbach
Episodenfilme sind ein hartes Brot. Immer wieder haben es die großen und kleinen Studios versucht. Auch heute noch gilt der 1945 entstandene „Dead of Night” als einer der effektivsten Horrorepisodenfilme… aber in erster Linie wegen der letzten Sequenz und nicht unbedingt als Gesamtkunstwerk. Die Amicus Studios haben in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren - zu dieser zeit spielt eine der folgenden Erzählungen „Trapped Ashes” - mit bescheidenen Budgets Horrorstorys von anerkannten Autoren wie Robert Bloch oder Richard Matheson adaptiert. In den achtziger Jahren versuchten sich George Romero als Produzent der „Creepshow” und die „Tales from the Crypt” an diesem Format. Allerdings überzeugte die Fernsehserie deutlich mehr als die Kinofilme. Lewis Teague hat dann mit der Adaption dreier Stephen King Geschichten in „Cat´s Eye” diesen nicht immer kurzweiligen Zyklus zu einem vorläufigen Grabe getragen. Mit den „Masters of Horror”, welche kommerziell erfolgreicher sind als künstlerisch, folgte dann ein neuer Vrsuch in klassischer Fernsehserienform. „Trapped Ashes” ist im Grunde eine Zusammenfassung dieser Ree - Sex und Monster - mit vier Episoden, einer von Joe Dante liebevoll erzählen Rahmenhandlung und vor allem einem Bekenntnis zu den eigenen Wurzeln. Dass mit Ken Russel und Monte Hellmann zwei insbesondere in den siebziger Jahre berühmt-berüchtigte, wenn auch kommerziell nicht sonderlich erfolgreiche Regisseure nach vielen Jahren wieder hinter der Kamera stehen, ist das Eintrittsgeld dieser Anthologie wert, auch wenn insbesondere die beiden Altmeister sehr viel von ihrer Genialität auch mit den kleinsten Budgets eingebüßt haben.
Eine Studiotour durch ein abgewracktes Filmstudio. Sechs Menschen, die sich durch einen Zufall auf dem offenen elektrischen Wagen des Studioguides treffen. Natürlich ist die erste Station das legendäre Horrorhaus eines umstrittenen B-Regisseurs. Ein Besuch in dem Gemäuer ist eigentlich nicht vorgesehen. Es gelingt den Besuchern, den Tourguide zu einer Besichtigung des Gemäuers zu überreden. Schließlich finden sich alle auf dem Set von „Hysteria” im Keller des Hauses wieder. Der Plot des in den sechziger Jahren sehr populären Horrorschinkens besteht in dem zufälligen Zusammentreffen von sich fremden Menschen, die sich auf Anweisung des im Hintergrund agierenden Besitzers und Mörders Gruselgeschichten erzählen müssen. Welch ein Zufall, dass der Tourguide diese Möglichkeit auch vorschlägt, um zumindest die Zeit totzuschlagen, bis vielleicht Hilfe kommt. Natürlich haben die Fremden die letzte Tour auf dem Gelände gebucht und vor dem nächsten Morgen werden sie natürlich nicht vermisst. Die Prämisse ist von Joe Dante sehr liebevoll vor einem eindrucksvollen Set inszeniert worden. Henry Gibson mit seinem markanten Gesicht als Tourguide hat sehr viel Spaß mit seiner Rolle. Wenn dann auch noch John Saxon in letzter Minute auf den Tourwagen aufspringt, weiß der Zuschauer, dass er in guten Händen ist. Gibson mimt die richtige Mischung aus Unschuld und Verschlagenheit, auch wenn am Ende des Rahmens seine letzten Handlungen sehr vorhersehbar und nicht immer stimmig sind.
Ken Russel bestimmt mit der ersten Episode „The Girl with Golden Breasts” sowohl das Tempo, als auch die Stimmung des ganzen Films. Es ist die zumindest anfänglich rührselige Geschichte einer naiven jungen blonden Frau, die sich durch den Hollywooddschungel kämpfen muss. Erst nach einer Brusterweiterung bei einem eher obskuren Arzt - hier stellt sich die Frage, woher sie das Geld genommen hat - tritt der Erfolg ein. Allerdings ist bei der Implantation etwas schiefgegangen und die Brüste beginnen ein unheilvolles Eigenleben. Weder der Zuschauer, noch Ken Russel können diese Geschichte wirklich ernst nehmen. Insbesondere die Alptraumsequenzen - der Besuch in der neuen Forschungsklinik mit den drei Gestalten direkt aus dem „Rocky Horror Picture Show” - zeigen, dass Ken Russel sein Auge für visuelle Überraschungen bei einem geringen Budget nicht verloren hat.
Die zweite Geschichte, „Jibaku” von Sean Cunningham, vermischt den japanischen Geisterglauben mit einer in Auflösung begriffenen Ehe. Es ist im Grunde die klassische „Orpheus in der Unterwelt“-Geschichte, welche uns Cunningham technisch überraschend stark präsentiert. Insbesondere die Sequenzen, in denen die japanische Wandzeichnungen zu leben beginnen bilden einen starken Kontrast zu den eher mechanischen Liebesszenen zwischen der unterkühlten Amerikanerin und dem japanischen Zombie. Bei „Jibaku” funktioniert die Pointe - erzählt bzw. ergänzt von Henry Gibson schließlich am ende der Rahmenhandlung - am wenigsten. Cunningham beweist, dass er mehr als „Freitag der 13.“-Filme inszenieren kann. Es sind insbesondere bei seiner Folge die kleinen Details, auf welche der Zuschauer achten sollte und die liebevoll als Parodie auf die oberflächliche Jet Set-Gesellschaft in den ansonsten eher geradlinigen und nicht unbedingt überraschenden Plot integriert worden sind.
Monte Hellmann hat mit „Stanley´s Girlfriend” vielleicht die emotionalste Geschichte der Sammlung inszeniert. Zwei Freunde versuchen sich in den fünfziger Jahre in Hollywood durchzusetzen. Der eine als Drehbuchautor, der andere als Regisseur. Sie verbringen gemeinsame Schachabende, in denen sie über Gott und die Welt diskutieren. Erst als eine wunderschöne, geheimnisvolle und vor allem sexuell sehr aktive junge Frau in das leben des einen Mannes tritt, wird dieses Freundschaft auf die Probe gestellt. Die Details sind stimmig und Monte Hellmann gelingt es, mit wenigen effektiven Bildern seine Figuren ungemeinsam sympathisch und überzeugend darzustellen. Diese emotionale Nähe fehlt einigen der anderen Folgen. Das Ende ist schließlich nicht unbedingt eine Überraschung, da Hellmann im Verlaufe der Handlung sehr viele Hinweise platziert hat. Auch wirkt die Idee des alten Nitratfilms zu offensichtlich. Hier wäre es sinnvoller gewesen, die Karriere der alterslosen jungen Frau im Kino von den ersten Stummfilmen bis in die fünfziger Jahre nachzuzeichnen und dann einen Bogen zu den alten Gemälden zu schlagen. Trotz dieser Schwächen eine interessante Story.
Der unbekannte John Gaeta legt mit „My twin - The Worm” die unangenehmste, aber auch unglaubwürdigste Geschichte der Sammlung vor. Eine junge Mutter erwartet nicht nur ihr erstes Kind, in ihrem Körper hat sich auch ein Bandwurm eingenistet. Natürlich bilden der Fötus und der Wurm bald eine unheilige Allianz, die sich auch nach der Geburt vorhersehbar fortsetzt. Die Story leidet vor allem unter den unsympathischen und eindimensional gezeichneten Charakteren. Hier erwartet der Zuschauer eindeutig mehr Tiefe und trotz einiger weniger abstoßener Bilder fehlt der Episode genau die Perversität, welche Ken Russel in einem seiner letzten Kinofilme „The Lair of tte White Worm” so effektiv aufgezeigt hat.
„Trapped Ashes” ist wie viele Anthologiefilme eine uneinheitliche Mischung. Der Film beginnt sehr gut mit der richtigen Mischung aus Camp und Gore. Die ersten beiden Geschichten sind unterhaltsam, die dritte im Vergleich zu den anderen Teilen stimmig und ruhig. Was aber vor allem erstaunlich distanziert inszeniert worden ist, sollte eigentlich eine seiner Stärken sein: Sex. In allen drei Folgen geht es um die Erfüllung sinnlichster Wünsche. Die Schauspielerin will nicht nur gute Rollen, sondern vor allem einen hübschen Mann, der sie befriedigt. Die Ehefrau erwartet in Japan eine Überraschung. Ihre lieblose Ehe und vor allem der wenige Sex mit ihrem Ehemann aufgrund der Kinder werden durch die höllischen Gelüste eines japanischen Geistes oder Zombies erfüllt. Und für die beiden eher schüchternen Freunde erfüllt sich mit der sinnvoll provozierenden jungen Frau ein feuchter cineastischer Traum. Die Sexszenen sind aber nicht in allen drei Folgen wirklich erotisch oder prickelnd inszeniert. Während Hellmann dank seiner strahlenden Schauspielerin im Vorteil ist, provoziert Russell mit abstoßenden Bildern und Cunningham konzentriert sich auf verschiedene eher unerotisch inszenierte Stellungen. Die letzte Folge dagegen handelt von echter Liebe. Die Synthese zwischen Mädchen und Wurm ist perfekt und nur gemeinsam können sie alle Widerstände des Lebens überwinden. Allerdings leidet die letzte Folge unter den durchschnittlichen Charakteren und wirkt vor allem in Hinblick auf die Prämisse zu bieder inszeniert. Hier lohnt es sich, den Unterschied zwischen Russell und Gaeta herauszuarbeiten, um die Stärken und Schwächen der einzelnen Folgen zu erkennen.
Die Trickeffekte sind alle überzeugend und teilweise für eine Anthologie abstoßend. Die Regisseure scheinen auch bei ihrer arbeit Spaß gehabt zu haben. Trotzdem wirkt „Trapped Ashes” ambivalent und der Zuschauer beginnt sich nach der dritten Folge ein wenig zu langweilen. Zwischen der zweiten und dritten Episode gibt es keine Steigerung, es wäre sinnvoller gewesen, Saxons Geschichte - sie spielt handlungstechnisch auch am weitesten in der Vergangenheit - an den Anfang zu stellen und den Film mit Russells Episode zu beenden. So hätte das Interesse der Zuschauer länger gehalten werden können und vor allem die Konzentration auf Brüste - siehe die ersten drei Episoden - wäre ein wenig besser verteilt.
Im Gegensatz zu den oft biederen „Masters of Horror”-Geschichten nehmen sich die Regisseure nicht sonderlich ernst und bemühen sich, überzeichnete, provokante Geschichten zu erzählen. Der Zuschauer selbst fühlt sich nicht zuletzt aufgrund der Sets, die aus diversen William Castle-Filmen stammen könnten, gut unterhalten und in eine Zeit versetzt, als solche Horrorstreifen noch im Kino um die ecke gelaufen sind. Weder Joe Dante noch Monte Hellmann oder gar Ken Russell haben viele Möglichkeiten, ihre Art von Filmen zu inszenieren, also stellt die Kombination dieser drei sehr unterschiedlichen Talente in „Trapped Ashes” eine gute Möglichkeit dar, noch einmal den Altmeistern zuzusehen. Es sind in allen drei Fällen nicht ihre besten arbeiten, aber unterhaltsam sind sie alle.
Es empfiehlt sich, „Trapped Ashes” nicht in einem Rutsch zu sehen, dann fällt die uneinheitliche Struktur mit dem nicht befriedigenden Ende zu stark auf. Die Episoden einzeln zu goutieren, vielleicht als Vorfilm zu einem weiteren Horrorfilm, ist die beste Möglichkeit.
Zu den Extras gehört eine 45 Minuten lange Dokumentation, in welcher die Entstehung des Films inklusiv seiner Idee sehr ausführlich und mit soliden Hintergrundinformationen erläutert wird. Im Gegensatz zu einer Reihe anderer Making Ofs wird auf den klassischen Propaganda-Inhalt verzichtet. Eine Reihe von Trailern runden die Extras gelungen ab.
Das Bild selbst ist sehr scharf, auch die ansonsten eher schwierigen Rottöne und vor allem die Helligkeitsunterschiede sind sehr gut herausgearbeitet. Der Kontrast ist insbesondere in der Cunningham-Episode zwischen der Irrealität der Zeichnungen und der Realität eines fremdartigen Japans exzellent. Wie in Dario Argentos letzten Streifen wird der Zuschauer wider Willen auf diese neue Handlungsebene und Existenzebene gezogen. Die beiden Tonspuren sind sauber, die Dialoge auf beiden Sprachspuren sind ebenfalls sauber und gut von den vielfältigen Hintergrundgeräuschen abgetrennt. Insgesamt eine empfehlenswerte Präsentation des Films.
DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch
DVD-Extras:
Dokumentation, Trailer