The Restless
Südkorea 2006, Regie: Jo Dong-Ho, mit Jung Woo-Sung, Kim Tae-Hee u.a.
Von Thomas Harbach
„The Restless“ stellte in mehrfacher Hinsicht für das koreanische Kino einen Meilenstein und ein Risiko zugleich dar. Einen Meilenstein, weil man versuchte, den epischen Streifen wie „Shadow on the Moon“ eine phantastisch-romantische Geschichte in der Tradition der „Chinese Ghost Story“ ohne deren Klamaukeinlagen folgen zu lassen. Ein Risiko, weil der Film ein bislang nicht gekanntes Budget von 12 Millionen Dollar verschlungen hat – jeden Cent sieht man auf der Leinwand, die gute DVD-Präsentation von Splendid ist in diesem Fall nur ein Ersatz für die Kinoleinwand – und Regisseur Jo Dong-Ho sein Debüt mit diesem Streifen feiern konnte.
Die Geschichte beginnt im Jahr 924, in dem sich das vereinigte Shilla Reich wieder aufzulösen beginnt. Das Land wird von Aufständen erschüttert, die Politiker sind korrupt und machtbesessen. Ein nicht unbekanntes Szenario für einen koreanischen Film. Dämonen bedrohen vor allem die arme Landbevölkerung. Über deren Herkunft gibt der Streifen allerdings keine weiteren Auskünfte. In einer verzweifelten Aktion hat die Regierung eine Truppe von Dämonenjägern ins Leben gerufen. Diese bekämpfen nicht nur die unterirdischen Widersacher, sie wollen auch die Regierung stürzen. Ihr Plan wird verraten und alle bis auf den Dämonenjäger Yi Gwak – Jung Woo-Sung, welcher in den Kampfszenen weniger Präsenz zeigt als in den romantischen Augenblick des Streifens - werden in einem Hinterhalt niedergestreckt. Yi Gwak zieht fortan als Vagabund durchs Land und versucht auf eigene Faust den Menschen zu helfen. Auf seinen Kopf ist eine hohe Belohnung ausgesetzt. Die Bewohner eines Dorfes vergiften ihn nach ihrer Rettung vor den Dämonen und wollen ihn den Regierungstruppen ausliefern. Mit letzter Kraft kann er sich in eine Hütte retten. Dort driftet er in die Zwischenwelt Midheaven hinüber. Er befindet sich zwischen Himmel und Erde. In dieser unserer Welt ähnelnden Wartehalle müssen die Seelen insgesamt 49 Tage verbringen, um sich auf die Reinkarnation vorzubereiten. Hier trifft er auch eine frühere Geliebte wieder, welche sich allerdings nicht mehr an ihn erinnern kann.
Jo Dong-Ho möchte mit seinem Film zeigen, dass er auf vielen Hochzeiten tanzen kann: Fantasy, Drama, Action und schließlich Romanze. Mit knapp über einhundert Minuten Laufzeit fast zuviel des Guten. Insbesondere zu Beginn des Streifens laufen die beeindruckenden Bilder mit einer rasanten Geschwindigkeit vor dem Zuschauer ab, dass es ihm schwer fällt, sich auch die im Grunde simple, aber hier sehr verschachtelt und nicht stringent präsentierte Handlung zu konzentrieren. Kritisch gesehen kommen ihm einige elementare Grundbestandteile des Plots bekannt vor. Der einsame Kämpfer, der letzte Überlebende seiner Einheit, im Grunde ein Sinnbild des alten Koreas in einem verlorenen Kampf. Jung Woo-Sung hat schon in „Musa“ als Elitekrieger Erfahrungen sammeln können. Insbesondere in den ruhigen Szenen strahlt er einige unbändige Energie aus. In den Kampfszenen ist er sehr dynamisch und athletisch, allerdings setzen die Filmemacher oft zu sehr auf Trickeffekte und überziehen die mit einer fließenden Kamera inszenierten Sequenzen in Punkto Glaubwürdigkeit. Ein oder zwei solcher Szenen sind für einen Streifen dieser Länge förderlich, danach wird es eher langweilig. In den wenigen albernen Szenen – in Midheaven kann der Krieger nichts schmecken oder fühlen, weil seine Seele im Grunde zu früh abgerufen worden ist – des Films wirkt Jung Woo-Sung zu steif und stoisch. Anstatt diese Sequenzen dramatisch und packend zu inszenieren, greift der Regisseur auf die insbesondere im Westen schwerverdauliche Klamaukkomik zurück und nimmt dem Film einiges an kindlichen Charme.
Im Vergleich zu den Sword-Epen Koreas haben sich die Produzenten darauf konzentriert, in „The Restless“ nicht nur eine märchenhafte Atmosphäre zu erschaffen, sondern mit Midheaven den Film von jeglicher Realität abzulösen. Die Pang Brüder haben diese nicht einfache Aufgabe in ihrem bislang besten Film „Recycle“ durch einen gänzlich surrealistischen Hintergrund deutlich effektiver gemeistert als Jo Dong-Ho. Insbesondere Midheaven unterscheidet sich bis auf die Scharen betender „Mönche“ – in Wirklichkeit überwiegend männliche Seelen jeglicher Berufsrichtung – zu wenig von der irdischen Realität. Hier hätten sich die Produzenten insbesondere bei dem zur Verfügung stehenden Budget sehr viel mehr Freiheiten nehmen können und sollen. Auf der anderen Seite haben sie zumindest für wenige Minuten versucht, Midheaven vor ihrem überforderten Protagonisten zu verheimlichen. Es sollte wahrscheinlich eine plottechnische Überraschung sein, dass sich seine Seele am falschen Ort zur falschen Zeit befindet. Für den Zuschauer ist diese Überraschung aber nicht gänzlich nachvollziehbar. Wenn aber Midheaven durch das Eindringen der Antagonisten zerstört wird und sich mit optisch überzeugenden Effekten in einzelne Bestandteile auflöst, gehören diese Sequenzen zu den besten Szenen des gegenwärtigen koreanischen Kinos.
Insbesondere die Sets sind stimmig und abwechselungsreich. Wie in „Herr der Ringe“ finden sich malerische Täter, tiefe Wälder und mystisch-märchenhafte Städte. Wenn am Ende Held und Heldin auf einem Tempeldach nach den zahlreichen Schlachten ausruhen, unter ihren Füßen sich ein endloses Tal mit einem Fluss entlang schlängelt und die Sonne malerisch untergeht ist, ist diese Szenerie natürlich ein wenig kitschig-pathetisch, aber auch stimmungsvoll und vor allem trotz der eingesetzten Tricks sehr harmonisch.
Bis auf einige wenige überzogene Kämpfe, die bei dem vorhandenen schauspielerischen Material nicht unbedingt so CG-lastig hätten ausfallen müssen, gehört „The Restless“ zu den optisch beeindruckenden und nicht zu verspielten Filmen des modernen Fantasy-Kinos. Für die Kämpfe selbst hat das Team nicht auf die erfahrenen Kräfte aus Hongkong oder Korea zurückgegriffen, sondern mit dem Choreographen Doo-hong Jung den erfahrenen Coach aus dem eigenen Land verpflichtet. Wie so oft für das koreanische Kino sind diese Auseinandersetzungen insbesondere für die Fantasy- Streifen sehr hart, schnell geschnitten und schmutzig. Es fehlen die elegischen Schwertkampforgien insbesondere des japanischen Kinos und die fliegende Leichtigkeit des Hongkong-Cinemas. Die Schnitte selbst sind an der Grenze des Erträglichen, etwas mehr Anmut hätte dem Streifen gut getan. Wenn sich Jung Woo-Sung hunderten von Dämonenkriegern stellt, um seine Geliebte aus den Klauen des teuflisch gezeichneten Schurken zu befreien, überspannt das Drehbuch allerdings den Bogen des Glaubwürdigen. Hier hätte eine Wunderwaffe oder ein Trick die märchenhafte Atmosphäre verstärkt. Wenn die Dämonen sich dann allerdings anscheinend unter der leichtesten Berührung der Waffe in kleine Flammen auflösen, zeigt sich das tricktechnische Potential des Films. Trotzdem haben sich die Produzenten inklusiv des Regisseurs bemüht, die Kämpfe möglichst abwechselungsreich und perspektivisch interessant zu inszenieren. Nicht immer ganz gelungen, aber zum größten Teil sehr eindrucksvoll und überzeugend. Was ihnen fehlt, ist der düstere Nihilismus von Streifen wie „Sword of the Moon“, der einen guten Kontrast zu der oft märchenhaften, aber nicht immer befriedigenden Handlung hätte darstellen können.
Während der Antagonist alleine aufgrund seiner Erscheinung etwas Ähnlichkeit mit Sauron aus „Der Herr der Ringe“ hat, leidet der Film unter der fehlenden Chemie zwischen dem romantischen Paar. Die Rolle der natürlich zierlichen und hübschen Kim Tae-Hee ist zu unentschlossen gezeichnet. Mal Kriegerin mit einer dunklen Seite, dann wieder unschuldige junge Frau und schließlich das Objekt der Begierde des Schurken, der sie in Anlehnung an Bandage-Riten in seinem tempelartigen Palast ans „Kreuz“ fesselt. Rollentechnisch soll sie allerdings mit weinerlichem Gesicht für notwendige Emotionen sorgen. Dadurch wirken die wenigen Szenen, in denen sie die Initiative ergreifen soll und muss, unglaubwürdig. Allerdings gehört „The Restless“ auch zu ihren ersten Kinoauftritten. Der Liebesgeschichte per se hätte das Drehbuch trotz der fehlenden Chemie zwischen den Schauspielern mehr Tragik und emotionale Tiefe geben müssen. Immerhin geht es um zwei Menschen, die bereit sind, erst ihr Leben und später ihre Seelen füreinander zu geben. Um wirklich großes Kino aus solch bekannten Situationen zu machen, benötigt ein überzeugender Film mehr als Pathos und einen Schuss Kitsch. Wie sehr der Film seine einzelnen Protagonisten durchaus mit Liebe zum Detail gezeichnet hat, merkt ein aufmerksamer Zuschauer insbesondere zu Beginn der Geschichte. Im Verlaufe des Plots bleibt an einigen wichtigen Stellen zu wenig Zeit, um die Dramaturgie zu vertiefen. Stellenweise könnte der Film etwas mehr Ruhe benötigen, er wirkt zu bemüht, zu hektisch und ihm fehlt die epische Breite. Das Timing ist in einigen elementaren Sequenzen nicht perfekt und insbesondere gegen Ende des Streifens überschlagen sich die Ereignisse, während der Zuschauer mit seinen Gedanken noch an einigen vorangegangenen Szenen verharrt. Die liebevoll und einfallsreich gestalteten Hintergründe gehen bei dieser Hektik verloren und es empfiehlt sich, den Streifen ein zweites Mal alleine wegen der Optik und weniger wegen der Handlung anzuschauen. Plottechnisch gibt es nur wenige Überraschungen, den emotional-kitschigen Grad eines „The Bride with white Hair“ erreicht der Streifen nur in wenigen, dann aber sehr schönen Szenen.
Für einen Regiedebütanten stellt „The Restless“ trotzdem eine ausgesprochen souveräne, phasenweise sogar brillant inszenierte Arbeit dar. Ganz bewusst hat der Drehbuchautor und Regisseur versucht, einen gänzlich neuen Weg im Vergleich zu einer Reihe anderer historischer koreanischer Filme zu gehen. Für diesen Mut sollte er belohnt werden. Die Idee, zu zeigen, was einer Seele während der 49 Tage, die sie auf die Reinkarnation wartet, passieren kann, wird allerdings zu Gunsten einer actionorientierten Handlung zur Seite gewischt. Hier wäre ein deutlich strafferer Zusammenhang zwischen den ersten Minuten des Films und dem später ablaufenden Plot wünschenswert gewesen. Das genreübergreifende Produkt – sowohl für Fantasy-Freunde als auch Romantiker interessant mit unterdurchschnittlichen und wenig überzeugenden Ausflügen in den Horrorbereich – konnte in Korea kein Zielpublikum finden und spielte seine Herstellungskosten nicht ein. Obwohl fürs große Kino gemacht wird er wahrscheinlich als DVD deutlich erfolgreicher sein.
Splendid hat sich mit der DVD-Veröffentlichung sehr viel Mühe gegeben. Die Doppel-DVD verfügt über einen hörenswerten Audiokommentar des Regisseurs, in welchem er nicht nur auf die Entstehungsgeschichte des Films eingeht, sondern bemüht, seine Visionen und Vorstellungen dem Publikum zu erläutern. Auf der Extra-DVD finden sich neben dem Teaser-Trailer, den TV-Spots und dem Theater-Trailer drei längere Beiträge. In „Visualization“ gehen die Crew und die Schauspieler auf die Entstehung der Trickeffekte noch einmal gesondert ein. Das Making Of ergänzt diesen sehr informativen Beitrag. Die „Reincarnation for 49 Days“ versucht den religiösen Hintergrund des Films aufzuhellen.
Technisch ist „The Restless“ eine hervorragende Produktion. Das Bild ist scharf, der Kontrast überzeugend und insbesondere die Nachtszenen zeigen die Qualität der Wiedergabe. Die Farben sind bunt – wenn nötig – und naturalistisch in den ruhigen Szenen. Die Übergänge zwischen den CGI-Sequenzen und den im Studio gefilmten Szenen sind fließend. Der Film wird in einer soliden, aber nicht herausragenden deutschen Synchronisation sowie der koreanischen Originalspur angeboten. Mit guten deutschen Untertiteln versehen lohnt es sich auf die originäre Spur auszuweichen, die Stimmen passen deutlich besser zu den einzelnen Protagonisten. Beide Tonspuren werden in einem überzeugenden Dolby Digital 5.1 wiedergegeben, insbesondere die Abstimmung zwischen den Hintergrundgeräuschen und den Dialogen ist sehr gut.
DVD-Facts:
Bild: 2,35:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, koreanisch Dolby Digital 5.1, koreanisch Dolby Digital 2.0 Stereo (Audiokommentar)
Untertitel: deutsch
DVD-Extras:
Audiokommentar, Making of, Featurettes, Trailer