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Barnes, Jonathan: Das Albtraumreich des Edward Moon (Buch)
Jonathan Barnes
Das Albtraumreich des Edward Moon
(The Somnambulist, 2007)
Aus dem Englischen von Biggy Winter
Piper, 2008, Hardcover, 400 Seiten 19,90 EUR, ISBN 978-3-492-70157-0
Von Gunther Barnewald
„Das Albtraumreich des Edward Moon“ ist das bemerkenswerte Debüt des noch jungen (Anfang 30, laut Klappentext) britischen Autors Jonathan Barnes. Mit stilistischer Brillanz und erstaunlicher Eloquenz erzählt er hier die unglaubliche Geschichte einer geheimnisvollen Verschwörung im Untergrund Londons etwa Anfang des vorigen Jahrhunderts.
Edward Moon ist Bühnenmagier und zusammen mit einem Stummen, den man nur den Schlafwandler nennt und der unverletzbar zu sein scheint, tritt Moon in seinem eigenen Theater auf.
Neben den Auftritten arbeitet er jedoch auch als privater Ermittler, da er sich für mysteriöse Kriminalfälle interessiert.
Als er auf zwei rätselhafte Mordfälle stößt und von der Polizei um seine Mithilfe gebeten wird, taucht Moon in einen Fall ein, der bald seine kühnsten Erwartungen sprengt.
Doch auch eine einheimische Geheimdienstorganisation namens „Das Direktorium“ ist an Moons Mitarbeit interessiert und zwingt ihn brutal zur Kooperation, indem sie sein Theater abfackeln und ihn bedrohen. Fast zu spät erkennt der verbitterte Bühnenmagier, dass der wirkliche Feind an anderer Stelle sitzt und es auf seine Person abgesehen hat...
Das vorliegende Buch wimmelt, vor allem in der ersten Hälfte, vor absurden Einfällen und phantasievollen Ideen. So gibt es einen merkwürdigen Mann, der sein Leben rückwärts lebt (der Spielfilm „Memento“ lässt grüßen) und sich bei der ersten Begegnung von Moon verabschieden will, da sein Bewusstsein aus der Zukunft kommt und er weiß, wie die gefährliche Verschwörung in London enden wird. Für ihn, der dereinst die Stadt London gegründet hat (oder aus seiner Sicht dereinst gründen wird) folgt auf jeden Montag der Sonntag, dann der Samstag uns so weiter.
Weiterhin gibt es zwei bizarre, nahezu unaufhaltbar mächtige und unbesiegbare Mörder, die nicht nur über übernatürliche Fähigkeiten verfügen, sondern sich auch wie zwei ungezogene Pennäler kleiden und benehmen.
Dies sind nur einige der bunten und abenteuerlichen Einfälle, die der Autor aufbietet, um seine wunderbare Geschichte zu erzählen, wobei die Identität des Ich-Erzählers bis achtzig Seiten vor Schluss gewahrt bleibt und dann eine deftige Überraschung für den Leser darstellen dürfte.
Einziges Manko an diesem vortrefflichen Roman ist sicherlich, dass es dem Autor nicht gelingt, den Spannungsbogen wirklich durchgängig bis zum Ende aufrecht zu erhalten.
Schon nach 200 Seiten lässt die Originalität etwas nach, die Handlung verliert an Fahrt und auch die schlussendliche Auflösung ist kein wirklich genialer Plot.
Bedenkt man jedoch, dass es sich beim vorliegenden Werk um ein Erstlingsroman handelt, dann muss man zweifellos den Hut vor dem noch jungen Jonathan Barnes ziehen, denn vor allem die stilistische Eloquenz, mit der die Geschichte zu Anfang erzählt wird, erinnert fast an einen Ray Bradbury in seinen besten Jahren und lässt den Fan Phantastischer Literatur auf interessante und ideenreiche Bücher für die Zukunft hoffen.
Bis dato aber dürfen alle, die den Autor noch nicht kennen, sich erst einmal mit dem vorliegenden Roman ein Bild machen von einem großen Schreibtalent, noch unfertig, aber sicherlich eine große Hoffnung für die Phantastik des 21. Jahrhunderts.
hinzugefügt: March 20th 2008 Tester: Gunther Barnewald Punkte: zugehöriger Link: Piper Hits: 2767 Sprache:
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