Mary Godwin 1
Jin Su Yoo & Soul A. Park
Aus dem Koreanischen von Darae Yoon
Tokyopop, 2008, Taschenbuch, 192 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-386719-342-9
Von Christel Scheja
‚Wer ist Mary Godwin?’, werden sich viele Leser beim Titel des Manwhas fragen, wenn sie ihn das erste Mal lesen. Die Frage ist schnell beantwortet, denn bekannter geworden ist die Autorin von „Frankenstein - Der moderne Prometheus” unter ihrem nach der Heirat angenommenen Namen Mary Shelley.
Geschildert wird die Geschichte der Entstehung von „Frankenstein”. Der Roman wird aus der Idee geboren, sich zur Unterhaltung am Kaminfeuer unheimliche Storys zu erzählen. Die junge Frau gehört ebenso wie der Dichter Percy B. Shelley zum Freundeskreis des illustren Lord Byron. Man weilt zur Entspannung gemeinsam in einem großen Anwesen am Genfer See und genießt das Leben fernab von England.
Mary hat zunächst keine richtige Idee, was sie erzählen soll, aber ein neuer Diener namens Jean, der in das Haus aufgenommen wird, inspiriert sie. Da er durch einen Unfall entstellt wurde, trägt er eine Maske, die große Teile seines Gesichts verbirgt. Doch es ist nicht nur sein Aussehen, das Mary vorantreibt, die Geschichte zu erfinden und niederzuschreiben, die sie unsterblich machen wird. Obwohl es keinen Anlass dazu gibt, ist Jean ihr unheimlich. Sie ist gleichermaßen fasziniert und abgestoßen von ihm, obwohl sie eigentlich Percy liebt.
Doch Jean ist es, der ihr durch seine Äußerungen die Ideen in den Kopf pflanzt, weil er mit einem geradezu morbiden Verlangen wissen will, wie es weiter geht und sogar heimlich ihr Manuskript liest, bis sie ihn dabei erwischt. Was ist es nur, das sie in dem jungen Diener gleichermaßen Dämon und Engel, Opfer und Bestie sehen lässt?
Mary findet auch keine Antwort, als sie am Ende des Sommers schließlich nach England zurückkehrt und dort weiter schreibt. Sie ahnt nicht, dass Jean längst hinter ihrem Rücken angefangen hat, Intrigen zu spinnen, die ihre Familie in den Abgrund stürzen könnten.
Zwar verändert die Geschichte einige historische Tatsachen - so war Marys Mutter Mary Woolstonecraft, eine der ersten Frauenrechtlerin und eine sehr selbstbewusste Dame, die sich über die Konventionen des ausgehenden 18. Jahrhunderts hinweg setzte, und keine ‚Sportlerin’, der unheimlichen Geschichte tut das aber keinen Abbruch.
Die Ereignisse sind spannend in einander verwoben, Wirklichkeit und Fantasie fließen ineinander über und erzeugen eine mystische, ja, fast schon unheimliche Atmosphäre, wie man sie auch aus dem Roman kennt.
Nach und nach beginnt man, sich zu fragen, wer nun wen beeinflusst - die Geschichte den Menschen oder der Mensch die Geschichte. Denn je mehr das bizarre Geschöpf Frankensteins zum Leben erwacht und lernt, was moralische Grenzen sind, desto mehr übertritt Jean sie und scheut auch nicht vor Mord und Intrigen zurück, als andere, wie das Hausmädchen Becky, ihm Einhalt gebieten wollen. Mit geradezu morbider Besessenheit verfolgt er Mary, die nicht ahnt, welches Unheil sich über ihr zusammen braut.
Obwohl der Manwha auf Gewalt weitestgehend verzichtet, so geht er doch unter die Haut und hinterlässt am Ende einen verstörenden Eindruck. So wie die literarische Figur Victor Frankenstein einen Körper zum Leben erweckt und sich damit über Gottes Schöpfung gestellt hat, überschreitet nun auch Jean immer mehr die Gebote und Grenzen der christlichen Gesellschaft. Und man ist mehr als gespannt zu sehen, wo das noch enden wird.