|
Wells, Martha: Necromancer (Buch)
Martha Wells
Necromancer
(The Death of the Necromancer)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Friedrich Mader
Heyne, 2008, Paperback, 702 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-453-52412-5
Von Carsten Kuhr
Stellen Sie sich eine Welt vor, die der unsrigen zum Ende des 19. Jahrhunderts gleicht. Die Namen der Königreiche differieren etwas, das Leben eines Großteils der Bevölkerung unterscheidet sich aber nur marginal von den uns bekannten Umständen. Doch eines gibt es, das anders ist, als in der viktorianischen Ära - in Ile-Rien gibt es Hofzauberer, eine Akademie der Zauberkunst und verbotene Nekromantie, die wirklich funktioniert.
Held unserer Geschichte ist ein Gentleman-Verbrecher. Nicholas Valiarde ist nicht nur ein gutaussehender, charismatischer Gentleman, sondern auch der erfolgreichste Dieb der Metropole. Vor gut einem Jahrzehnt baumelte sein Adoptiv-Vater, durch die intriganten Machenschaften Count Montesqs, unschuldig am königlichen Strang. Nekromantie warf man ihm vor, den dunklen Künsten sollte sich der Forscher und geniale Wissenschaftler zugewandt haben, so die Denunzianten. Seitdem hat Nicholas nur ein Lebensziel. Den Schuldigen zur Strecke zu bringen, auf dass Gerechtigkeit herrschen möge.
Nicholas und seine Freunde haben sich einen raffinierten Plan einfallen lassen. Doch wie dies gerade bei scheinbar perfekten Plänen oft so ist, kommt ihnen Meister Zufall in die Quere. Statt dem verhassten Montesq gestohlene Goldbarren aus Feindesland unterzujubeln und diesen so des Verrats zu bezichtigen, stoßen sie bei ihrem Raubzug auf Ghule, Untote und Fay-Gespenster. In der Folgezeit wird immer deutlicher, dass ein mächtiger Zauberer die Bühne betreten hat, ein Nekromant, der nichts weniger will, als die Herrschaft über das Reich an sich zu reißen. So kommt es zu einem ungewöhnlichen Bündnis - Nicholas und seine Spießgesellen schließen sich mit ihren hartnäckigsten Verfolgern zusammen, um die Stadt und ihre Königin vor einem uralten, längst besiegt geglaubtem Bösen zu retten ...
Martha Wells Romane um Ile-Rien erfreuen sich in den Staaten großer Beliebtheit. Umso erstaunlicher, dass es zehn Jahre gedauert hat, bis sich ein deutscher Verlag die Rechte an den Werken gesichert hat. Nun aber, wenn auch wie erwähnt mit einiger Verzögerung, kommen die Romane auch auf den heimischen Buchmarkt.
Geschickt verbindet die Autorin in ihren Werken historische Details mit einer phantastischen Handlung. Wäre das Ganze in der Jetztzeit angesiedelt würde man von Urban Fantasy sprechen, so kann man das Ergebnis unter der Überschrift Historic Fantasy meets Steam-Punk subsumieren.
Der Roman beginnt ein wenig verwirrend. Die Autorin setzt mitten im Geschehen an. Nicht, dass sie ohne große Einführung mitten in einem Raubzug beginnt ist das Problem, sondern die Vielzahl der handlungsrelevanten Personen mit denen sie uns gleich zu Beginn bekannt macht. Das verwirrt in seiner Massierung ein wenig, man weiß noch nicht so recht, wer wohin gehört, welche Bedeutung die Akteure für die Handlung haben. Hat man sich aber durch die ersten Kapitel gekämpft, nimmt der Plot deutlich Fahrt auf. Die Suche nach dem Nekromanten dient der Autorin dazu, uns ihre Welt vorzustellen. In Vielem hat sie sich an die historische Kulisse Londons zur Zeit der jungen Queen Viktoria gehalten, reichert dieses Bild aber durch die magiebegabten Zauberer an. Auch hier erklärt sie wenig, lässt ihre Leser ihre eigenen Schlüsse aus den Geschehnissen und Handlungen ziehen. Gerade dieses beiläufige Offenbaren der Besonderheiten, der erst im Verlauf der Handlung sich hebende Schleier um die Geschehnisse, die dazu geführt haben, dass der junge Nicholas sich zu einem Renegaten entwickelt hat, trägt zur Faszination bei, die der Text zunehmend ausstrahlt bei. Dass Nicholas selbst magie-unbedarft ausgestaltet wurde, erhöht nur den geheimnisvollen Zauber der Buches.
In einer deutlich kriminalistisch angehauchten Handlung, wobei zu dem berühmtesten übersinnlichen Detektiv Lord Darcy von Randall Garrett doch deutliche Distanz gewahrt wird, fasziniert letztlich die Suche nach dem verbrecherischen Zauberer in Verbindung mit den Vendetta den Leser.
Faszinierend vielschichtige Figuren, die ihrer Herkunft gemäß agieren, eine verzwickte, überraschende Handlung und ein befriedigendes Finale später wartet der Leser ungeduldig auf mehr Erzählungen aus Ile-Rien.
hinzugefügt: April 10th 2008 Tester: Carsten Kuhr Punkte: zugehöriger Link: Heyne Hits: 2799 Sprache: german
[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ] |
|