Der Clan der Vampire
USA 1995
Von Thomas Harbach
Koch Media legt mit „Der Clan der Vampire” eine achtteilige amerikanische Fernsehserie vor, welche in Deutschland auf RTL 2 gelaufen ist. Produzent Aaaron Spelling bemühte sich, die auf einem Spiel basierende Serie zu einer Mischung aus „Crime Story”, „Der Pate” und schließlich „Melrose Place” zu machen. Von seiner bisher populärsten Schöpfung „Beverly Hills 90210” sollte sich ein interessierter Zuschauer nicht täuschen lassen. Ursprünglich ist „Kindred - The Embrace”, wie die Serie im Original heißt, deutlich ambitionierter und vielschichtiger angelegt, als es die letztendlich nur acht produzierten Folgen zum Ausdruck bringen. An diesen acht Episoden kann der interessierte Zuschauer allerdings auch sehr gut die Stärken und Schwächen einer weiteren Vampirserie erkennen.
Die Serie beginnt mit einem atemberaubenden Kameraschwenk über die San Franzisco Bay an der Golden Gate Bridge entlang. Erst im Verlaufe des Pilotfilms wird der Zuschauer den Ausgangspunkt der Kamerabewegung erkennen, nämlich die Villa des Vampirprinzen. Über das Ufer und die angrenzenden Häuser hinweg endet dieser lange, aber sehr schön ausgeführte Schwenk schließlich auf dem Dach einer Lagerhalle. Ein Mann wird von zwei augenscheinlichen Gangstern über das Dach gejagt und schließlich gestellt. Im helllichten Tageslicht rammt der eine der beiden Männer seinem Opfer eine abgebrochene Fernsehantenne in die Brust. Es folgt ein Schnitt auf Frank Kohanek - eine teilweise zu bubiartige Darstellung von Howell vor allem im Vergleich mit seiner späteren Geliebten - und seinen farbigen Partner, welche zu dem Schuppen gerufen worden sind. Sie stellen die Täter auf dem Dach, plötzlich entzündet sich das Opfer aus dem Nichts heraus und die beiden Gangster springen über den Dachrand. Das Dach liegt immerhin im achten Stock. Frank ahnt, dass auch dieser seltsame Mord mit dem attraktiven Gangsterboss Julian Luna (eine finstere, manchmal ein wenig zu stoische Darstellung von Frankel) zu tun hat. Immerhin hat er ein Verhältnis mit dessen ehemaliger Geliebten. Was er nicht ahnt - im Gegensatz zu den Zuschauern - ist die Tatsache, dass Frankel nicht nur ein Vampir, sondern der Anführer von fünf Clans ist. Diese verstecken sich inzwischen unter den Menschen. Allerdings droht zwischen den Familien ein neuer Krieg, der die Tarnexistenz der Vampire schnell beenden könnte. Für den gegenwärtigen Anführer der Clans eine furchterregende Vorstellung. Was Frank in den ersten Runden mehrmals das Leben rettet, ist Alexandra - nicht nur Lunas Ex- Geliebte, sondern eine kraftvolle Vampirin. Sie hat allerdings ihrem Liebhaber das Geheimnis der Vampire verraten und wird deswegen von einer Gruppe Vampire gejagt. Luna ist in diesem Fall hilflos.
Am Ende der Pilotepisode muss selbst Frank eingestehen, dass wahrscheinlich Luna und seine weitreichende Gangsterorganisation nicht sein schlimmster Feind ist. Im Verlaufe der nächsten Folgen muss Frank ihn sogar als ambivalenten Verbündeten anerkennen, während er auch aus Rache um Alexandra mehr und mehr in die Welt der Vampire eindringt.
In der zweiten Folge wird die klassische Konfrontation guter, aber naiver Polizist und böser Gangster aufgebrochen. Julian nimmt seine exzentrische, aber menschliche Groß-Groß- Nichte Sascha unter seine Fittiche, in die sich prompt ein Reporter verliebt. Obwohl diese Folge den Clan-Konflikt nur wenig nach vorne bringt, versucht das ebenfalls von Peter Medak erdachte Script die Beziehungen der einzelnen Charaktere untereinander dreidimensional und nicht kitschig auszuloten.
Trotz des großen Einflusses des erfolgreichen Produzenten hat der amerikanische Fernsehsender zum Beispiel die dritte Folge der Serie nicht ausgestrahlt. Der Plot selbst ist mit einem verrückt gewordenen Vampir, der sich nachts unter den Menschen Opfer sucht und einer mit falschen Hinweisen gespickten Liebesgeschichte auch eher klischeehaft.
In anderen Folgen - siehe die fünfte Episode - wird das Thema der Maskerade wieder aufgenommen und welche Folgen ein Verrat haben könnte.
Im Vergleich zum Pilotfilm ist es allerdings erstaunlich, dass unter den Vampiren im Allgemeinen so wenig Angst vor einer Bespitzelung herrscht, da ihr Lebensstil teilweise alles andere als bescheiden ist. Um sie nicht gleich zu Außenseitern zu machen, haben die Produzenten und Drehbuchautoren ihren Vampiren einen interessanten neuen Aspekt hinzugefügt. Wenn sie frisches Menschenblut getrunken haben, können sie sich auch im Tageslicht für eine begrenzte Zeit aufhalten. Dadurch werden sie insgesamt beweglicher, auch wenn sich die meisten spannenden und Action beinhaltenden Szenen bis auf den Auftakt überwiegend nachts abspielen.
Im Verlaufe der ersten Handvoll von Folgen verschiebt sich der Fokus mehr und mehr von der klassischen Cop-Show der Pilotfolge zu einer Lebens- und Liebesgeschichte zwischen Menschen und Vampiren. Da die Inszenierung in einigen Folgen sehr behäbig ist, reichen die Hintergrundinformationen und vor allem die teilweise dann doch sehr eindimensional gezeichneten Charaktere nicht immer aus, um das Interesse des Publikums aufrechtzuerhalten.
Dazu kommen Ausreißerepisoden wie die siebente, in welcher ein Baby von einem Clan geraubt wird, um mittels eines Blutrituals Julian Luna endgültig zu vernichten.
Es sind diese Füllepisoden, welche den übergeordneten, im Grunde interessanten und mit der sechsten Folge wieder im Vordergrund stehenden Handlungsbogen negieren. Bei einer Staffel mit 22 Folgen fallen diese durchschnittlich geschriebenen Episoden weniger auf, im vorliegenden Fall sind zwei der acht Drehbücher durchschnittlich, eine zu hohe Quote. Wenn in der letzten Folge endgültig die Anarchie unter den Vampiren herrscht und der Plot sehr interessant zu werden beginnt, wartet der Zuschauer vergeblich auf ein befriedigendes Ende.
Warum Fox nach nur sieben Episoden - eine ist ja nicht ausgestrahlt worden - das Experiment schon beendet hat, gehört zu den Mysterien des amerikanischen Fernsehen. Im Vergleich zu anderen Serien benötigt „Der Clan der Vampire” mehr Zeit, um dank seiner Mischung aus Crime und Liebesgeschichte sein Publikum zu finden. Um ihm Vampirgenre zu bleiben, wird „Der Clan der Vampire” eher Leser von Anne Rice Büchern ansprechen als die Fans von Hardcore-Horror. Spelling hat seinen Vampiren eine eigene Identität gegeben, welche nur am Rand die bisherigen Gesetzmäßigkeiten des Genres übernommen hat. Wie zu Beginn gesehen, reicht ein Stab durch das Herz immer noch, um einen Vampir zu töten. Sonnenlicht alleine dagegen nicht mehr. Im Vergleich zu klassischen Vampiren ernähren sich die Vampire in der vorliegenden Fernsehserie nicht nur von Blut, sondern Wein und anderen Köstlichkeiten. Nur das Steak sollte weiterhin blutig sein. Weiterhin ist nicht nur das Trinken von Blut direkt aus dem Arm oder der Halsschlagader ihr sexuelles Vergnügen. Sie schlafen genauso gerne mit Menschen wie mit Vampiren. Weiterhin töten nur gute Vampire nur ungern ihre Opfer, die Bösen natürlich umso lieber. Ganz bewusst hat das Produktionsteam auf übermäßige Gore-Szenen verzichtet.
Das größte Problem liegt aber in der zu ambitionierten Konzeption der Serie. Mit fünf Clans, deren Namen insbesondere im Pilotfilm mit nur spärlichen Informationen zusammengeworfen werden, wirkt das Drehbuch unübersichtlich und teilweise unnötig kompliziert. Da insbesondere in der ersten Folge nur vom Konflikt zwischen zwei Familien gesprochen wird, wäre es sinnvoller gewesen, sich auch nur auf diese beiden Clans zu konzentrieren und von ihnen zufriedenstellende Portraits zu zeichnen. Da der Plot fast ausschließlich auf der Seite Lunas bzw. den überforderten Polizisten bleibt, wird die Gegenseite klischeehaft und eindimensional gezeichnet. Alleine Machthunger nach Jahrhunderten des Friedens und auch augenscheinlichem Wohlstand für alle Familien überzeugt zu wenig. Im Verlaufe der nächsten Folgen werden diese Schwächen sehr geschickt ausgebügelt und der Zuschauer bekommt ein breiteres Spektrum präsentiert.
Es ist - dank der kompletten Serie auf DVD wahrscheinlich richtig - notwendig, über den teilweise doch sehr konfusen Pilotfilm durchzuhalten. Was die Protagonisten per se angeht, hat der Polizist Frank und mit ihm Howell die undankbarste Aufgabe. Er wirkt wie eine Mischung aus allen bekannten Cop-Shows und erscheint sowohl intellektuell als auch emotionell überfordert. Es reicht nicht, ein wütendes Gesicht zu ziehen oder/und dumme Sprüche mit dem Kollegen auszutauschen - der später sein wahres Gesicht zeigen wird - sowie mit einer zeitlosen Schönen das Bett zu teilen. Die Figur ist einfach zu oberflächlich angelegt. Deutlich besser kommt Luna weg. Frankel gelingt es, seine deutlich besser und vor allem differenzierte geschriebene Figur mit Leben auszufüllen. Er ist - daher auch die Ähnlichkeit zu „Der Pate” - gut und böse in einem Charakter. Auf der einen Seite hat er als Prinz die Aufgabe, seinen Clan und damit das Vampirvolk zu beschützen, auf der anderen Seite definiert er für sich selbst eigene Regeln. Zu seinen stärksten Szenen gehört das Verschmelzen mit seiner toten und begrabenen Frau. Hier nimmt ihm der Zuschauer den Schmerz und die Last seiner Unsterblichkeit am ehesten ab. Mit einem gefährlicheren Antagonisten als Howell hätten die teilweise sehr guten Ansätze deutlich besser gewirkt und die emotionale Spannung zwischen den Figuren überzeugender dargstellt werden können. So gibt es im Grunde mehr erotische Spannung zwischen Luna und Alexandra in den wenigen Szenen, in denen sie sich streiten, als zwischen Howell und seiner Geliebten, die für ihn durch das Verraten der Maskerade ihr Leben opfert. Sie wirkt wie eine reife, zeitlose Frau, er wie ein Milchgesicht. Dieses Manko kann er auch in der eher von Misstrauen gekennzeichneten Zusammenarbeit mit Luna nicht mehr ablegen. So überzeugen in erster Linie die Abschnitte der Episoden, in denen Frankel alleine die Szenerie als charmanter, aber auch gefährlicher Prinz der Vampire beherrscht.
Mitte der neunziger Jahre entstanden wirken einige der Tricks aus heutiger Sicht veraltet und leiden vor allem unter dem eher durchschnittlichen Budget. Im Vergleich zu anderen phantastischen Serien ist „Der Clan der Vampire” allerdings als klassische Crime-Serie inszeniert worden und stimmungstechnisch überzeugt sie vor allem in den Folgen, welche den Zuschauer auf die nicht mehr abwendbare Auseinandersetzung zwischen den Clans vorbereiten.
Einige Folgen sind sehr lethargisch inszeniert und nicht immer sind die einzelnen Plots wirklich originell und überzeugend. Für die Serie spricht allerdings, dass Spelling wirklich eine neue Richtung für das Vampir-Genre suchte und der Zuschauer diese zumindest im vorliegenden Fragment von acht Folgen erahnen kann. Das macht die Serie auch heute noch insbesondere für Anhänger von Verschwörungsserien und Vampirfans sehenswert.
Koch Media hat die acht Episoden zufriedenstellend restauriert. Die Bildqualität ist vor allem in den Nachtszenen sehr gut, die Kontraste sind überzeugend und die Schärfe stimmt. Es empfiehlt sich, auf die homogenere Originalspur auszuweichen, teilweise ist die Synchronisation besondere in den ersten Folgen für den komplizierten Plot nicht schlüssig genug.
Leider gibt es keine Extras zu dieser zu früh eingestellten Serie, die auf DVD wahrscheinlich eher die Fans der nächtlichen RTL 2-Ausstrahlung zufrieden stellen wird, als aufgrund des offenen und unbefriedigenden Endes durch die vorzeitige Einstellung neue Zuschauer für sich gewinnen kann.
DVD-Facts:
Bild: 1,33:1 (Vollbild)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0 Stereo, englisch Dolby Digital 2.0 Stereo