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Becker, Tom: Darkside - Die Schattenwelt (Buch)

Tom Becker
Darkside - Die Schattenwelt
(Darkside)
Aus dem Englischen übersetzt von Sieglind Ingrid Thannheiser
Boje, 2008, Hardcover, 284 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-414-82141-6

Von Carsten Kuhr

London in unseren Tagen. Piccadilly Circus, der Tower oder Big Ben, das kennen die Menschen überall auf der Welt. Doch neben dieser allseits bekannten Bilderbuchseite der britischen Hauptstadt existiert seit drei Generationen mitten in der Stadt ein Ort, von dem niemand etwas wissen will oder darf.

Die andere Seite der Münze, eine Schattenwelt, Darkside so der Name des Viertels in das die Obrigkeit zur Zeit der Königin Victoria alles zwielichtige Gesindel, Diebe und Mörder, Vampire und Wermenschen verbannt hatte. Unter der Herrschaft Jack the Rippers und seiner Nachfahren hat sich hier eine Parallelgesellschaft etabliert, von der kaum einer in unserer Welt etwas ahnt.

Der 14-jährige Jonathan lebt in unserer Welt, Lightside. Sein Ruf hat gelitten. In der Schule fehlt er mehr unentschuldigt, als dass er im Klassenzimmer anzutreffen ist, mit seinem psychisch kranken Vater verbindet ihn nicht mehr viel.
Eines Tages ruft ihn ihre Nachbarin wieder einmal an. Sein Vater wurde, nach einer längeren Phase geistiger Gesundheit, wieder in die geschlossene Anstalt eingeliefert. Seine Obsession, die er auch vor seinem Sohn geheim hält, hat erneut ihren Preis gefordert. Endlich kann Jonathan in dem sonst hermetisch abgeschlossenen Arbeitszimmer nach der Ursache für die Anfälle forschen. Eine Bücherliste führt ihn, verfolgt von einer Kopfgeldjägerin, in die Britische Bibliothek. Hier findet er erste Hinweise, die ihn schlussendlich, nach einer wilden Verfolgungsjagd, nach Darkside führen. In dem heruntergekommenen Privatdetektiv Carnegie, einem Wermenschen, findet er einen zunächst höchst unwilligen Verbündeten. Verfolgt von Vendetta, einem Bankier und Vampir, sowie Grimshaw, der Jonathan für sein Kabinett der exotischen Bestien zwangsverpflichten will, führt ihn sein Weg durch einige der gefährlichsten Gegenden der viktorianisch anmutenden Stadt. Gemeinsam versuchen sie zu ergründen, warum Jonathan verfolgt wird, was sein Vater herausgefunden hat, und wer für all das Unglück, das Jonathan in seinem kurzen Leben zugestoßen ist, verantwortlich zeichnet ...


Als ich den Roman in einer Buchhandlung entdeckte und den Klappentext las, dachte ich unwillkürlich: wieder einer, der sich an die gegenwärtig so angesagten Urban Fantasy Welle anhängen will.
Nun, das Buch ist vom Umfang her ungewohnt dünn, ein kurzes Hineinschnuppern faszinierte mich mit einer frischen Handlung, so dass ich mir den Titel auf meinen „zu lesen“- Stapel packte.

Das Erstlingswerk des jungen englischen Autors wurde 2007 mit dem Waterstone´s Children Book Prize ausgezeichnet. Was aber fanden die Juroren, wie die meist jugendlichen Leser, so toll an diesem Buch?
Nun, zunächst einmal gelingt es dem Autor, uns zwei überzeugende Identifikationsfiguren zu präsentieren. Zwei Jugendliche, beide von ihren Klassenkameraden ausgegrenzt, stehen mit Zentrum der rätselhaften Geschehnisse. Der eine, ein etwas übergewichtiger, nein wohl eher korpulenter Einzelgänger, der auch wegen seiner frustbedingten Fresslust von seinen Mitschülern gehänselt wird, der andere, ein Aussteiger, ein Schulschwänzer, der mangels Halt gebender Familie mit sich selbst im Unreinen ist, der nicht so recht weiß, wie er sein Leben führen soll, dem schlicht ein Ziel fehlt.
Das sind beides Archetypen, die jeden Jugendlichen bekannt sind. Auch wenn man selbst vielleicht aufgrund Anpassung Hänseleien und Ausgrenzungen vermeiden kann, so bekommt doch jeder Heranwachsende entweder als Opfer order als Täter derartigen psychischen Terror an unseren Schulen mit. Lehrer wie Eltern stehen dem Mobbing hilflos gegenüber, der Herdentrieb sortiert die Außenseiter gnadenlos aus. Insoweit kann sich jeder Teen, und das ist die erklärte Zielgruppe, mit den Helden identifizieren, kann sich in deren Rolle hineinfühlen.

Dazu gesellt sich eine in dieser Zusammensetzung wohl einmalige Mischung. Eine Synthese zwischen moderner Metropole und der auf den ersten Blick so beschaulichen guten alten Zeit. Dass Gaslaternen und Pferdekutschen nicht unbedingt für anheimelnde, gesellschaftliche Wärme stehen, dass es in der vermeintlich beschaulichen Zeit auch brutal zuging, das zeigt der zweite Blick auf eine Gesellschaft und eine Stadt, die einen ganz eigenen Reiz auf den Leser ausübt. Gerade im Unterschied der beiden so nahe beieinander liegenden Orte liegt ein besonderer Reiz, wobei der Autor hier in den Folgebänden sicherlich noch nachlegen muss. Vieles wird lediglich angedeutet, so manches nur gestreift, hier wartet eine wirklich faszinierende Welt darauf entdeckt und beschrieben zu werden. Vor Jahrhunderten ließen die Briten Down Under von Sträflingen kolonisieren. Heute hat Australien eine weit niedrigere Verbrechensrate als London. Kann man diese Erkenntnisse auf Darkside übertragen, wie haben sich die „normalen“ Verbrecher und die übernatürlichen Wesen miteinander, wenn überhaupt arrangiert, warum verzichtet man in Darkside auf die ach so hehren technischen Errungenschaften unserer Zeit - Fragen, die einer Beantwortung in den nächsten Bänden harren.

Insgesamt gesehen bot das Buch spannende, kurzweilige Lektüre. Das Werk lebt von seinen Personen und dem Handlungsort Darkside, bietet für ein Jugendbuch erstaunlich deutliche Gewaltschilderungen, ohne hier aber die Grenzen zu überschreiten. Die Übersetzung liest sich flüssig, der Handlungsbogen ist zunächst straff aufgebaut, einzig das Finale wirkt ein wenig überhastet.

hinzugefügt: April 29th 2008
Tester: Carsten Kuhr
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zugehöriger Link: Boje
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