Masters of Horror - Dream Cruise
USA 2007, Regie: Norio Tsuruta, mit Daniel Gillies, Yoshino Kimura u.a.
Von Thomas Harbach
Mit „Dream Cruise“ liegt nicht nur die dreizehnte und letzte Folge der zweiten „Masters of Horror“-Staffel vor. Wie bei der ersten Season ist es ein Ausflug in den Bereich des J-Horrors. Aber im Gegensatz zu Takeshi Miikes fulminanten „Imprint“, die nicht im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt worden ist, wirkt „Dream Cruise“ eher wie ein Leitfaden für Anfänger.
Splendid hat auf der DVD nur die Fernsehfolge veröffentlicht. In den USA ist anscheinend nur eine auf Spielfilmlänge aufgeblasene 90 Minuten Episode auf DVD veröffentlicht worden.
Dabei trägt der vorhersehbare Plot mit Mühe und Not die Laufzeit von 57 Minuten.
Die zusätzliche Laufzeit besteht aus unnötiger Charakterentwicklung. Da die Figuren eher eindimensional und stellenweise wie Karikaturen wirken, bringen die zusätzlichen Szenen den Plot nicht voran. Das ist insoweit tragisch, da es sich um eine klassische Dreieckskonstellation handelt.
Daniel Gillies („Spider-Man 2“) ist der junge dynamische amerikanische Anwalt Jack Miller, der in Japan seine Karriere voranzutreiben sucht.
In seiner Vergangenheit, als kleiner Junge – der Auftakt der Folge – hat er seinen besten Freund bei einem Bootsunfall verloren. Er gibt sich die Schuld daran.
In Japan lernt er nicht nur Eiji Saito (Ryo Ishibashi, deutlicher effektiver in „Audition“) kennen, sondern auch dessen hübsche junge Frau Yuri Saito (Yoshino Kimura, „M“). Die ursprünglich nicht in der Fernsehversion verwendeten Szenen bestehen aus weiteren Alpträumen Millers, in denen er immer wieder von dem Bootsunglück träumt. Weiterhin sind die Gespräche mit Yuri Saito gekürzt worden. Sehr viel effektiver lernt der Zuschauer erst am Rande einer zufälligen Begegnung in der Bootswerft von dem Verhältnis zwischen Miller und der hübschen Japanerin, der Ehefrau seines wichtigsten Klienten. Miller wird von ihm zu einer Bootstour eingeladen, um ein wichtiges Geschäft auf dem Schiff abzuschließen. Er weiß natürlich nicht, dass Eiji Saito inzwischen von der Affäre weiß. Dieser will sich an dem Amerikaner und seiner Frau rächen. In Rückblenden erfährt der Zuschauer, dass Eiji Saito auch nicht vor Mord zurückschreckt, um seine Ziele zu erreichen. Auf dem Meer gerät anscheinend Seegras in die Schrauben der Motoryacht. Hilflos treibt sie auf den Wellen, während Eiji Saito unter das Schiff tauchen muss, um den Schaden zu reparieren.
Bevor näher auf den geradlinigen und leider vorhersehbaren Plot basierend auf einer Kurzgeschichte des japanischen Kultautoren Koji Suzuki – er hat die „Ring“-Romane geschrieben - eingegangen werden soll sowie einige wirklich effektive Szenen, ist es wichtig, in einem derartigen Kammerspiel sich um die einzelnen Charaktere zu kümmern. Sowohl die englische, als auch notgedrungen die deutsche Fassung wirken insbesondere in Hinblick auf die japanischen Autoren unnatürlich und erzwungen. Es wäre sinnvoller gewesen, die Japaner in ihrer Muttersprache agieren, die Passagen zu übersetzen und Miller als einzige Figur englisch bzw. deutsch sprechen zu lassen. Das Element der Entfremdung und die Einsamkeit Millers hätten deutlich herausgestellt werden können und die Beziehung zwischen den einzelnen Protagonisten durch die Sprachbarriere noch mehr stilisiert werden müssen. So gelingt es einer souveränen Schauspielerin wie Yoshino Kimura nur selten, ihre Emotionen, ihre innerliche Zerrissenheit zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Männern über ihre Gestik und Mimik heraus in adäquate Worte zu fassen. Wenn sie englisch spricht, hört es sich nicht echt an. Dazu ist die Synchronisation ins deutsche bzw. das Auswendiglernen des Englischen eine zu hohe Barriere für die zierliche Schauspielerin. Ryo Ishibashis Rolle erinnert an die Vaudeville-Künstler. Überzogen, übertrieben versucht er seine Eifersucht, seine Wut auf den Nebenbuhler und später sein schlechtes Gewissen in einer Sprache auszudrücken, die ihm gänzlich fremd ist. Miller als einziger Amerikaner reagiert im Grunde verschlossen auf diese Menschen. Die Chemie zwischen Miller und Kimura stimmt an vielen Stellen überhaupt nicht. Erst als er die ungewohnte Rolle als Anwalt – symbolisch wirkt er in dem teuren Anzug verloren – ablegen muss, um Yuri Saitos und sein eigenes Leben zu verteidigen, gewinnt er an Persönlichkeit.
Dem Streifen fehlt der subversive Spannungsaufbau eines „Dead Calm“ und erinnert leider an die Szenen aus „Desperate Housewives“, in welchen der Senator-Kandidat seine untreue Ehefrau und ihren Ex-Mann zu einer kleinen Seefahrt aufs offene Meer einlädt. Insbesondere bei derartig charaktergetriebenen Folgen ist es wichtig, die Figuren dreidimensional zu entwickeln und eine Sympathieebene zum Zuschauer zu bauen. Diese Schwäche ist für eine Reihe von J- Horrorfilmen charakteristisch. Im Gegensatz allerdings zur vorliegenden Folge gleichen die Streifen dieses Manko durch eine bedrohliche Atmosphäre und eine Reihe solider Actionszenen aus.
Eine kleine, wenn auch moderne Yacht auf dem scheinbar unendlichen Meer. Die hereinbrechende Nacht. Eine Motorpanne. Ein Mann muss in die Tiefe des Meeres unter das Boot tauchen. Zwischenschnitt auf den Zündschlüssel des Bootes, der von Geisterhand aus dem Leerlauf wieder in die Gänge gedreht wird. Sobald das Gestrüpp entfernt ist, müssten sich die Schrauben wieder drehen und den Arm des Mannes zerfetzen. Hier zeigt Norio Tsuruta sein ganzes Können. Subtil lenkt er die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf einen MacGuffin, um aus der Tiefe des Meeres die scheinbar eigentliche Bedrohung an die Oberfläche steigen zu lassen. Der Mann taucht wieder auf. Alles scheint eine Finte gewesen zu sein. Bis Tsuruta zum zweiten Mal seine Zuschauer in die Irre führt. Sehr effektiv dank der guten Zwischenschnitte und der sich stark bewegenden Kamera inszeniert. Diese Subtilität erreicht die Fernsehfolge im Verlaufe der dann folgenden Auseinandersetzung mit dem lebenden Tod und dem Geist, der dahinter steht, kein zweites Mal. In den Momenten, in denen sich Tsurata auf einen greifbaren Horror in Form bekannter Geistererscheinungen und Kopien von Jack Nicholsons Auftritt in „Shining“ konzentriert, verliert die Folge ihre Atmosphäre.
Zu den späten Höhepunkten gehört noch dank der rasanten Schnitttechnik eine Überblendung von Vergangenheit – dem Mord an Saitos erster Frau – und Gegenwart – Naomi ist in der Toilette des Schiffes eingeschlossen, die sich rasant schnell mit eindringendem Wasser füllt. Im Vergleich zu der teilweise extrem überzogenen Exposition mit ihren diversen plottechnisch nichtigen Hintergrundinformationen beginnt Tsurata seine nicht überzeugende Geschichte im letzten Drittel der Folge visuell ansprechend, aber sich in den engen Bahnen des inzwischen kommerzialisierten J- Horror bewegend zu erzählen. Mann gegen Mann, Geist gegen alle und schließlich die Rettung in höchster Not. Selbst auf das Klischee, das aus einem unreifen Jungen – Miller -, der sich Zeit Lebens wegen einer nicht bewiesenen Schuld geschämt hat, schließlich ein Mann wird. Mit einigen effektiven Splatter-Szenen befriedigt der Regisseur die bisherigen „Masters of Horror“-Zuschauer. Was der Folge allerdings fehlt, ist eine logische Erklärung. Warum tauchen plötzlich aus dem Nichts zwei Wassergeister auf? Handelt es sich zufällig um die gleiche Stelle auf der See, an welcher Saito seine erste Frau versenkt hat? Woher kommt plötzlich die Baseballmütze? Alles visuell ansprechende Szenen, die rückblickend wie Versatzstücke einer altbackenen und vor allem moralisch zweifelhaften Geschichte wirken. Anstatt atmosphärisch überzeugend die Idee eines kleinen Bootes auf hoher See effektiver und nachhaltiger auszunutzen, vernachlässigt der Regisseur diese Aspekte zu Gunsten einer profanen Rache über das Grab hinaus Geschichte. Da der Zuschauer mit den einzelnen Charakteren aufgrund der schon angesprochenen übertriebenen Darstellung in einer fremden Sprache wenig anfangen kann und der Sympathiefaktor so gut wie überhaupt nicht betont wird, lässt ihn der Showdown im Grunde kalt.
„Dream Cruise“ zeigt die Stärken des modernen J-Horrors genauso wie die Schwächen. Zu den Stärken gehören ein visuell ansprechender, durchaus manipulierender Stil und eine Rückbesinnung auf die alten Geistergeschichten Japans. Zu den Schwächen gehört eine übertriebene Moralvorstellung und teilweise zu eindimensional und unsympathisch gezeichnete Charaktere einer Kultur, die sich insbesondere den außerjapanischen Zuschauern nur mit Widerwillen zeigen will. Wie die ganze zweite Staffel der „Masters of Horror“ eine durchschnittliche Folge mit sehr vielen Schwächen, aber nur wenigen Stärken.
Wie immer präsentiert Splendid die „Masters of Horror“-Folge im Metalpack, als auch als normale Edition. Zu den Extras gehört ein Audiokommentar von Produzent Mike Garris und Hauptdarsteller Daniel Gilles. Manchmal sehr viel interessanter, als die eigentliche Folge gehen sie auf die sozialen und intellektuellen Unterschiede zwischen Produktionen in Hollywood und Japan ein. Perry Martin entlockt den beiden Männern sehr viele hörenswerte Informationen. Zu den weiteren Extras gehört ein Making Of (34 Minuten) der Folge, Trailer und Interviews mit den wichtigsten Schauspielern, dem Produktionsdesigner und schließlich auch dem Regisseur. Diese geben einen guten Eindruck von der anscheinend anstrengenden, aber für alle Seiten befruchtenden Zusammenarbeit. Die Bildqualität der Folge ist insbesondere in den Nachtszenen exzellent. Die Kontraste sind gestochen scharf und die Farben naturalistisch. Das Bildformat 1.78: 1 solide. Die beiden Tonspuren deutsch und englisch sind gut abgemischt, insbesondere die in einigen Szenen notwendigen Hintergrundgeräusche verstärken das Geschehen auf der Leinwand fast perfekt.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital Stereo 2.0 (Kommentar)
Untertitel: deutsch (Audiokommentar)
DVD-Extras:
Audiokommentar, Making of, Interviews