Masters of Horror
The Screwfly Solution
USA 2007, Regie: Joe Dante, mit Jason Priestley, Elliott Gould u.a.
Von Thomas Harbach
In der ersten Staffel der „Masters of Horror“-Reihe nahm Joe Dantes zynisch-bösartiger Kommentar auf die Kriegstreiber in den USA qualitativ eine Ausnahmestellung ein. Mit „The Screwfly Solution“ legt Joe Dante mit seinem Drehbuchautor Sam – „Batman“ – Hamm einen würdigen Nachfolger vor, der nur unter seinem etwas pathetischen, mit einer Holzhammer-Moral versehenen Ende, leidet. Wie auch „Homecoming“ geht es Hamm und Dante bei ihrer sehr originellen Doomsday-Geschichte um die im Kern enthaltene Botschaft. In diesem Fall die Gleichberechtigung der Geschlechter. Vor allem ragt die vorliegende Episode trotz der üblichen Dosis aus Sex und Gewalt mit ihrer herausfordernden Botschaft aus den wieder dreizehn Folgen der zweiten Staffel heraus. Mit Jason Priestley, Kerry Norton und Elliott Gould verfügt Dante über eine Gruppe von Schauspielern, welche in ihren sehr gut geschriebenen Rollen aufgehen. Im Gegensatz zu vielen anderen „Masters of Horror“-Folgen haben die Produzenten zusammen mit dem DrehbuchautoreSam Hamm auf eine Geschichte der amerikanischen Science-Fiction-Autorin James Tiptree jr zurückgegriffen, welche sich immer wieder mit dem Geschlechterkampf bis zum bitteren, aber konsequenten Ende auseinandergesetzt hat. Obwohl die Vorlage in ihrer Konsequenz noch drastischer, nachhaltiger ist, haben Joe Dante und Sam Hamm den Text bemerkenswert gut in Hinblick auf die Moral adaptiert. Obwohl einige der Ideen inzwischen von der Realität überholt erscheinen – das Slasher-Genre alleine hat die Penetration von jungen, hübschen Frauen als Sex-Ersatz inzwischen zu einem Klischee reduziert und Gewalt im Fernsehen als Katalysator von realen Taten ist inzwischen auch aus vielen Perspektiven betrachtet worden -, ist „The Screwfly Solution“ vor allem dank Joe Dantes souveräner Inszenierung die bislang beste Folge der zweiten Staffel. Dabei greift Dante auf Techniken zurück, welche er vor allem in seiner bissigen politischen Mediensatire „The Second Civil War“ (1997) effektiv eingesetzt hat. Obwohl der größte Teil des Streifens nicht aus der Medienperspektive erzählt wird, unterbricht der Regisseur die einzelnen Handlungsbögen mit einem Schnitt auf ein rauschendes Fernsehbild. Als wolle er seinen Zuschauern immer wieder zeigen, dass sie bislang nur eine utopische Vision sehen, die jederzeit Realität werden kann.
Zu Beginn der Folge entwickelt sich der Plot erstaunlich behäbig. Der Zuschauer hat fast Angst, als könnte Joe Dante den gesamten Plot nicht in den zur Verfügung stehenden 54 Minuten erfassen.
Die Biologen Alan und Barney – Jason Prietsley und Elliott Gould – kehren aus Südamerika zurück. Hier haben sie eine Käferinvasion abwehren können, indem sie den Reproduktionsprozess der männlichen Käfer manipuliert haben. Ihre beste Freundin Bella – eine kurze, aber solide Rolle für Linda Darlow – wird nach Florida gerufen, wo plötzlich hunderte von Männern ihre Ehefrauen, ihre weiblichen Kinder oder ihnen unbekannte Frauen töten. Es bildet sich schnell ein Kult, da die meisten Männer religiöse Motive für ihre unerklärlichen Taten angeben. Für Alan und Barney steht aufgrund ihrer Experimente schnell fest, dass es sich nicht um eine Droge oder gar einen religiösen Wahn alleine handeln kann. Anscheinend will jemand die Menschheit ausrotten, indem er die männliche Sexualität ganz bewusst manipuliert. Und die religiösen Anwandlungen sind nicht die Ursache dieser Gewalteruptionen, sondern nur ein kleiner Teil des Krankheitsbildes. Anscheinend können die Frauen vor den Männern nur gerettet werden, wenn sich diese chemisch oder operativ kastrieren ließen. Wie es sich für eine Epidemie gehört, breitet sie sich unwahrscheinlich schnell aus.
Unabhängig von dieser originellen Prämisse ist es die Gewalt gegenüber Frauen, welche beim Zuschauer einen fast verstörenden Eindruck hinterlässt. Ganz bewusst bewegt sich Joe Dante sehr nahe an das klassische Exploitation-Genre heran. Frauen werden verfolgt, beleidigt, sexuell bedroht, geschlagen und schließlich ermordet. Dabei dreht sich diese Spirale der Gewalt nicht kontinuierlich weiter. Es gelingt Joe Dante sehr gut, das Tempo an einigen entscheidenden Stellen aus der Handlung zu nehmen, den Zuschauer für einen kurzen Augenblick in Sicherheit zu wiegen, um dann mit fast sadistischem Vergnügen die Schraube noch einmal weiter aufzudrehen. Er scheut sich auch nicht, vertraute Figuren zu töten und den Zuschauern mehr und mehr zusammen mit der einzigen Hauptfigur, welche ihm am Ende der kurzweiligen Episode als Identifikationsfigur bleibt, zu entwurzeln. Einen Mord zeigt Joe Dante in grässlichen Details. Alleine diese Szene rechtfertigt das Rating. Aber dieser Mord wird nicht aus sadistischem Selbstzweck so detailliert gezeigt, er passt sich nahtlos in sehr viele realistische Szenen ein, denen Frauen auch in unserer heutigen, sehr aggressiven Gesellschaft immer wieder begegnen.
Sowohl die Vorlage; als auch Sam Hamms Drehbuch betonen immer wieder, dass nicht selten Sex der Katalysator von Gewalt ist. Das die Aggression in der vorliegenden Fernsehfolge durch chemische Substanzen ausgelöst wird, steht der eigentlichen Botschaft der Folge nicht im Wege: unabhängig von ihrer Erziehung hat es impliziert die Biologie bestimmt, dass der Mann die Frau dominieren will und das Gleichgewicht der Geschlechter eher einen brüchigen Scheinfrieden darstellt. Keine These, welche emanzipierte Frauen mit ihrem alltäglichen Kampf der Geschlechter von vorne herein ablehnen. Dabei geht es insbesondere James Tiptree Jr. um die Tatsache, dass sie mit ihrer Theorie in erster Linie ihre Leser provozieren und zum Nachdenken auffordern wollte. Nach mehr als dreißig Jahren – die Geschichte erschien 1977 unter ihrem selten genutzten anderen Pseudonym Racoona Sheldon und ist für den Nebula Award nominiert worden – hat die Novelle in ihrer Aktualität noch zugenommen. Joe Dantes Version, wie auch die eigentliche Geschichte, zeigen das kritische Gleichgewicht auf. Eine kleine Beeinträchtigung der menschlichen Verhaltensweisen kann dieses Gleichgewicht zu kippen bringen und die Menschheit vernichten. Dazu benötigt sie nicht einmal ihre reichhaltigen Atomwaffenarsenale. Um provozieren zu können, müssen die Positionen extrem sein. Sonst funktioniert die Formel nicht. Und diese Einseitigkeit, und vor allem die Reduzierung der männlichen Charaktere ausschließlich auf ihre aggressive Sexualität sowie die schwarzweiß Zeichnung des einzigen männlichen homosexuellen Charakters der Folge, polarisiert. Aber diese Extreme machen auch den Reiz der vorliegenden Folge aus, denn soziologisch können sich die Frauen gegen die extremen Angriffe in der gegenwärtigen Gesellschaft nur mit „unweiblichem“ Handwerkszeug wehren. Und gegen die Prämisse der „The Screwfly Solution“ gibt es keine Abwehr. Die Regierung hat keine Möglichkeiten, ihre vor allem von Männern durchdrungenen Organe in Position zu bringen, die Wissenschaftler schaffen es nicht, die Basisprämissen überhaupt in Ansätzen zu verstehen und die weibliche Bevölkerung ist auf diesen Anstieg der Aggressivität vor allem auch innerhalb des Horts der Familie unvorbereitet.
Am Ende der Folge, in der tricktechnisch überzeugenden, aber moralistisch eher holzhammerartig dargebrachten Warnung, die eigene Existenz nicht zu hoch zu bewerten, erkennt die Menschheit, dass sie manipuliert worden ist. Wie auch die Menschen ihnen „untergeordnete“ Spezies manipulieren oder je nach Bedarf ausrotten. Mit dieser wenig effektiven Science-Fiction-Auflösung werden vor allem die religiösen Wahnvorstellungen – aus dem Islam und seinen sehr starren Rollenvorstellungen hervorragend extrapoliert – negiert und viele effektive, sehr kritische Ansätze geglättet.
Immer wieder stellt das gute Drehbuch von Sam Hamm eine Reihe von religiösen und moralischen Fragen, um diese mit der hier vorkommenden Auflösung vom Tisch zu fegen. Es wäre effektiver gewesen, die Folge zwar mit dem Schlussbild und dem Blick auf den Kometen enden zu lassen, aber die letzte Begegnung zwischen Mann und Fremden weg zu streichen. Warum überhaupt eine Antwort nach dem „warum“ geben? Um von den kritischen Punkten abzulenken? In „ReGensis“ werden ähnliche Bedrohungen zwar im Gegensatz zur vorliegenden Folge erfolgreich bekämpft, aber die Fragen nach ihrer Entstehung sind oft beängstigender und realistischer, als das Ende von „The Screwfly Solution“. Da nützt auch wenig der kritische Medienüberblick auf die arabischen Nationen, in denen massenhaft Frauen hingerichtet werden, weil die Männer in ihren den Kern der neuen Seuche sehen, in denen ein katholischer Priester die Frauen in einem Krankenhaus ermordet und ihnen mit dieser Tat die „letzte Beichte“ abnimmt.
Unabhängig von dieser finalen Schwäche erzählt Joe Dante seine nihilistische Geschichte sehr souverän. Die Kamera ist in ständiger Bewegung, und im Gegensatz zu seinen Kinofilmen verzichtet der Regisseur auf jegliche Inside-Jokes. Dank des soliden Drehbuchs liefern vor allem Jason Priestley als Wissenschaftler und Vater sowie Elliot Gould als homosexueller Forscher hervorragende Leistungen ab. Es gelingt ihnen sehr gut, ihre Figuren nicht nur zum Leben zu erwecken, sondern von Beginn an eine Sympathieebene zum Zuschauer aufzubauen. Besonders Priestley verwandelt sich im Laufe der Episode vom fürsorglichen Familienvater zu einem unfreiwilligen Monster. Kerry Norton als überforderte Ehefrau und Mutter trägt einen Großteil der tragischen Handlung auf ihren schmalen Schultern. In einer vorentscheidenden direkten Konfrontation funktioniert die oft auf ein Klischee reduzierte „ich liebe Dich, aber ich werde schießen“-Szene hervorragend.
Es sind diese solide gezeichneten Charaktere, welche den Exploitation-Szenen den Status verleihen, den diese in einem derartig ernsthaften Projekt auch verdienen. Feministen werden sicherlich auf die immer wieder praktizierte Ausbeutung der Frau hindeuten, aber im Gesamtkontext werden auch einige Männer sich für die Handlungen ihres Geschlechts schämen. Dante und Hamm entblößen die Stärken und Schwächen beider Geschlechter und zeigen am Ende dieser sehenswerten Folge auf, dass das sensible Gleichgewicht der Geschlechter nicht erschüttert werden darf.
Ein Blick auf die Extras verrät die Pointe der Geschichte. Darum empfiehlt es sich, diese unbedingt erst nach der Folge anzuschauen. Marshall Harvey und Lee Wilson geben einen soliden Einblick in die Entstehungsgeschichte der Folge und gehen auf die überzeugenden optischen Effekte ein. Ein Making Of mit dem bezeichnenden Titel „The Cinematic Solution“ nimmt die wichtigsten Passagen noch einmal auf und fügt trotz einiger Überschneidungen noch wichtige weitere Informationen hinzu. Der Audiokommentar von Joe Dante und Sam Hamm ist allerdings wieder das empfehlenswerteste Extra. Joe Dante berichtet nicht nur über die Dreharbeiten und die gute Zusammenarbeit im Team - er ist ein eloquenter Erzähler, welcher seine Arbeit nicht in den Mittelpunkt der Geschichte stellt. Seine Detailkenntnis ist erfreulich und Sam Hamm unterstützt ihn bei diesem absolut hörenswerten Audiokommentar. Wie alle anderen Teile der „Masters of Horror“-Staffel ist die Folge im 1,78:1 Format produziert worden. Die Farben sind kräftig und die Kontraste. vor allem auch in den elementaren Nachtszenen, gestochen scharf. Die beiden Dolby Digital 5.1-Tonspuren trennen sehr gut die vordergründigen Dialoge von den Hintergrundgeräuschen.
Insgesamt eine technisch wieder überzeugende Präsentation einer der besten Episoden der zweiten „Masters of Horror“-Staffel.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital Stereo 2.0 (Kommentar)
Untertitel: deutsch (Audiokommentar)
DVD-Extras:
Audiokommentar, Making of, Featurette