Willis, Connie: DIE FARBEN DER ZEIT (Buch)

Connie Willis
Die Farben der Zeit
To Say Nothing of the Dog
aus dem Amerikanischen uebersetzt von Christian Lautenschlag
Heyne 06/6379, 719 Seiten, 19,46 DM

von Carsten Kuhr

Es ist bekannt, dass Wolfgang Jeschke ein grosser Anhaenger von intelligent geschriebenen Zeitreisegeschichten ist.
Vor einigen Jahren veroeffentlichte er folgerichtig mit Connie Willis DIE JAHRE DES CHWARZEN TODES einen Roman der mich tief beeindruckt hat. In diesem Zeitreiseplot schilderte die Autorin uns einfuehlsam und in der Deutlichkeit erschreckend die bestuerzenden Jahre der Pest in Europa.
Nun wendet sich die Autorin erneut der Subject der Zeitreise zu.

Die Universitaet Oxford arbeitet im Auftrag eine amerikanischen Multimillionaerin an der detailgetreuen Wiederherstellung der Kathedrale von Coventry. Immer wieder sendet die resolute Dame die Geschichtswissenschaftler mittels Zeitmaschine in die Vergangenheit um auch jedes Detail genauestens zu rekonstruieren. Insbesondere das genaue Aussehen des Bischofs Vogeltraenke ist noch unbekannt.
Bisher erschien es unmoeglich Gegenstaende aus der Vergangenheit mit in die Gegenwart zu befoerdern. dann aber gelangt eine Katze aus dem Jahr 1888 in die Jetztzeit. Es kommt zu ersten Verwicklungen im Raum-Zeitgefuege. Unser Protagonist, Ned Henry genannt, soll die aus der Vergangenheit importierte Katze wieder an ihren zeitlichen Herkunftsort im 19. Jahrhundert zurueckbringen - doch da beginnen die Probleme erst. Er verpasst aufgrund der Veraenderungen der Zeitlinie seine Kontaktperson. In der faelschlichen Annahme, dass sein neuer Bekannter sein Kontakt sei, schliesst er sich einem jungen Studenten an, nur um feststellen zu muessen, dass genau dieser sich in sich in die falsche Frau verliebt hat. Und dies buchstaeblich, hat doch seine Angebetete, die Vorfahrin der amerikanischen Milliardaerin, just zu jener Zeit ihren Ehemann kennengelernt. Los geht die Suche nach dem spaeteren tatsaechlichen Ehemann, und die gluecklosen Versuche das veraenderte Schicksal aufzuhalten.

Dieser umfangreiche Roman ist ein Werk der leisen Toene. Wer grosse Actionszenen mit wilden Verfolgungsjagten und Kaempfen sucht, der ist hier definitiv an der falschen Stelle.
Das soll aber keineswegs heissen, dass der Roman langweilig waere!
Nein, der Spannungsbogen um die Aufloesung der Raetsel weiss den Leser bis zum Finale zu faszinieren. Voller Mitgefuehl mit unserem Protagonisten verfolgen wir mit, wie er in seinem Bemuehen den angerichteten Schaden zu beheben ein ums andere Mal scheitert.
Gespickt ist dieses Werk mit einer Unzahl von ,,Histoerchen" um das Leben im 19. Jahrhundert, mit Zitaten aus der Literatur der damaligen Zeit die der UEbersetzer dankenswerterweise mit den entsprechenden Fussnoten erlaeutert hat. Neben der ungeheuren Masse von Detailwissen um das Leben im England der Jahrhundertwende, dass die Lektuere uns so en passant vermittelt ueberzeugt die Autorin insbesondere durch ihre feingliedrige Charakterisierung der Personen. Alle auftretenden liebevoll und detailreich gezeichneten Personen sind unvergessliche Unikate - angefangen von dem aus Indien heimgekehrten Colonel bis hin zu der tischerueckenden und Seanceleitenden Mystikerin. Ausgezeichnet sowohl mit dem Hugo als auch mit dem Locus Award legt uns der Heyne Verlag ein sehr britisches Buch vor, das seine Zeit mehr als Wert ist.

hinzugefügt: August 2nd 2004
Tester: Carsten Kuhr
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