Masters of Horror
The V-Word – Blutrausch der Vampire
USA 2007, Regie: Ernest Dickerson, mit Arjay Smith, Michael Ironside u.a.
Von Thomas Harbach
Mit „The V Word“ erscheint im Rahmen der „Masters of Horror“ eine interessante, aber nicht unbedingt gute Folge. Zum einen ist der Titel sicherlich eine Anspielung auf die auch in Deutschland populäre Serie „The L-Word“, von welcher Regisseur Ernst R. Dickerson einige Episoden inszeniert hat. Im Bereich des Horrors stehen der Anthologiefilm „Demon Knight“ und der dunkle Thriller „Bones“ auf seiner Habenseite. Diese Reputation qualifiziert nicht für einen „Masters of Horror“, zumal Dickerson im Vergleich zu einigen deutlich populäreren und bekannteren Autoren auch noch den Nachteil hat, nicht auf eine markante Kurzgeschichte zurückgreifen zu dürfen, sondern ein Originalmanuskript von Mike Garris inszeniert. Garris selbst hat in seinen ersten beiden Arbeiten für die „Masters of Horror“ in erster Linie sich an den moralischen Geschichten einer „Twilight Zone“ orientiert und die meisten seiner phantastischen Erfolge basieren auf der Adaption von Stephen-King-Material. Auch „The V Word“ genügt nur in Ansätzen der Erwartungshaltung der Zuschauer, denN im Gegensatz zu einer populären Hommage auf das umfangreiche Vampirgenre unterliegt Garris zusammen mit Dickerson zu schnell der Versuchung, den bekannten Plot nur oberflächlich zu variieren und zu wenig wirklich originelle Ideen in die Handlung zu integrieren. Insbesondere Michael Ironside in einer seiner fleischigsten Rollen seit vielen Jahren wird von dem teilweise sehr lustlos geschriebenen Drehbuch zu einem lebenden Klischee stilisiert.
Ein junger Teenager, der sich mit seinem Vater und dessen neuer Freundin natürlich nicht versteht, verbringt seine Freizeit ansonsten mit seinem farbigen Freund vor dem Computer bei blutigen Videospielen. In der bezeichneten Nacht wollen sie etwas Verrücktes unternehmen, nämlich zum ersten Mal in ihrem kurzen Leben eine echte Leiche sehen. Einer ihrer Mitstudenten ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sein Körper ist im Leichenschauhaus, in welchem ausgerechnet einer ihrer Verwandten die Nachtschichten fährt. Natürlich brechen die beiden Jugendlichen nachts in ein Leichenschauhaus ein, das schon aus der Frontperspektive betrachtet eher wie das Ferienhaus der Addams-Family aussieht. Natürlich stoßen die beiden Jugendlichen auf etwas Übernatürliches, dessen Stammbaum mit einem „V“ beginnt. Natürlich beginnt nach einer kurzen Jagd durch das Haus das tricktechnisch allerdings sehr ordentlich inszenierte Blutbad inklusiv unfreiwilliger Blutspenden. Der Plot ist leider nicht nur eine Wiederholung unzähliger Vampirfilme, er greift auf John Landis’ Klassiker „An American Werewolf“ zurück und vergisst, dessen Ideen in die Gegenwart zu extrapolieren bzw. zumindest zu parodieren.
Michael Ironside genießt seine Rolle als Sprüche klopfender, aber brutaler Vampir, der seine Opfer nicht anzapft, sondern wie ein hungriger Wolf reißt und zumindest die Halspartie zerfleischt. Durch die leeren Gänge jagt er die beiden Jungen, bis er seinen Hunger gestillt hat.
„The V Word“ stellt den Vampir als Bestie dar, als unmenschlich. Höhepunkt Ironsides Schauspielkunst ist das mit sichtlichem Vergnügen vorgetragene Zitat aus Stokers Roman, in welchem er klarstellt, das er niemals Wein trinkt.
Das große Problem dieser Folge liegt in der Charakterisierung der beiden jugendlichen Protagonisten, die im Grunde unsympathisch bis dumm gezeichnet worden sind. Das beginnt mit den ersten Szenen, in denen der Zuschauer nur die im Grunde verzerrte Position der beiden Jugendlichen kennenlernt, für welche die Eltern nur die Taschengeldspender darstellen und die das Wort Verantwortung – auch ein „V“-Wort – nur aus dem Fremdwörterbuch kennen. Jedes Klischee das greifbar ist wird benutzt, um der Folge qualvoll lange, insbesondere im Gesamtzusammenhang, eine unnötige Exposition zu geben. Es wäre viel wichtiger gewesen, die beiden Protagonisten der Folge effektiv und sympathisch zu charakterisieren, damit der Zuschauer nicht der Versuchung unterliegt, laut ein „selbst schuld“ auszusprechen. Zwar bemüht sich Mike Garris in seinem Drehbuch, immer wieder Querverweise insbesondere zu „Night of the Living Dead“ bzw. „Nosferatu“ herzustellen, aber seine Protagonisten agieren nicht nach ihnen. Schnell stellt sich der Eindruck ein, als wende sich Garris nur an sein Publikum und vernachlässigt dabei seine Protagonisten. Dabei wird erhebliches positives Potential verschenkt und die Zuschauer verärgert. Anstatt gegen die Erwartungen oder Befürchtungen des Publikums zu spielen, werden alte Ideen kaum originell recycelt in einer Art Fernsehfilm der Woche präsentiert.
In der ersten Hälfte der Episode versucht das Drehbuch noch den Eindruck zu erwecken, als seien sich die Charaktere ihrer Horrorkonsumpflicht bewusst, sie weisen sich gegenseitig darauf hin, dass ihnen die Situation bekannt vorkommt. Immerhin lief im Fernsehen der alte „Dracula“-Film mit Bela Lugosi. Warum sie allerdings nach dem ersten Zusammenstoß mit der unheimlichen Erscheinung nicht die Fensterscheibe - neben der natürlich verschlossenen Tür - eintreten und dadurch ins Freie springen, bleibt ein Geheimnis des Setdesigners, welcher vielleicht das Drehbuch nicht aufmerksam genug gelesen hat. Wenn es opportun ist, werden die Klischees des Vampirgenres - wie ins Haus geladen werden bzw. ein Unwohlsein bei Licht und längerem Blutentzug - in die Handlung integriert, wenn es nicht passt, greift man auf lange und dunkle Korridore zurück, durch welche die Protagonisten stolpern. Nur in einer einzigen Sequenz wird aus diesem Klischee wieder die schon eingangs angesprochene Parodie und der Zuschauer kann mit den beiden jugendlichen Protagonisten herzlich über den eigenen Schrecken lachen.
Diese Szenen kommen aber viel zu wenig, gegen Ende der Folge fallen sie ganz unter den Tisch oder sind nicht immer wirklich lustig.
Arja Smith und Brandon Nadon geben sich mit ihren eindimensionalen Rollen sehr viel Mühe, aber die Schwächen des Scripts und vor allem der fehlende dunkle Humor machen es ihnen unmöglich, wirklich zu überzeugen. Dabei ist die Chemie zwischen den beiden Jugendlichen ein elementarer Bestandteil in der zweiten Hälfte der Folge. Hier verschiebt sich langsam, aber spürbar der Fokus von einem geradlinigen Horrorstoff in den Bereich der wahren Freundschaft und Opferbereitschaft für den jeweils anderen Menschen. Da erstens die Figuren nicht sonderlich gut charakterisiert worden sind und zweitens Mike Garris den Fehler macht, sich einen unnötigen und zynischen Cliffhanger zu schenken, finden diese zarten Ansätze keinen Widerhall im Zuschauer. Auch wenn der Showdown zwischen dem überragenden Michael Ironside und den beiden Jugendlichen zu dem Höhepunkt der ganzen Folge gehört, verzichtet Garris drehbuchtechnisch hier auf jegliche Überraschungen und befriedigt eher die Befürchtungen der Zuschauer.
Warum ein Genre erfahrener Mann derartig daneben liegen kann, wird sich wahrscheinlich niemals wirklich ergründen lassen. Nicht nur die Wahl des Regisseurs – insbesondere in der zweiten Staffel der „Masters of Horror“ wird auf Kandidaten zurückgegriffen, die bislang kaum Berührung mit dem Genre gehabt haben -, sondern vor allem des Drehbuchs hinterlässt beim Zuschauer den Eindruck, als handele es sich bei „The V Word“ um eine Folge, die aus der Not geboren in die zweite Season integriert worden ist, weil anderes Material und andere Regisseur kurzfristig nicht – mehr – zur Verfügung standen.
Besonders schade ist das schwache Drehbuch, weil sich Ernest Dickerson Mühe gibt, in „The V Word“ insbesondere in Hinblick auf seine Inszenierung die großen Klassiker des Genres zu zitieren. Nicht umsonst erinnert das Leichenschauhaus an eine Mischung aus „Psycho“ und „The Addams Family“ und seit vielen Jahren hat man nicht mehr so liebevoll und vor allem detailliert gestaltete Sets gesehen, in denen sich Moderne und Genregeschichte mischen. Zu Beginn der Folge, unabhängig von den rasanten Zwischenschnitten zum immer blutig werdenden Computerspiel, verzichtet der Regisseur auf Weitwinkelperspektiven und bleibt dicht an seinen Protagonisten dran. Im Mittelteil entfernt sich die Kamera mehr und mehr von den Opfern in spe und erkundet zusammen mit ihnen die dunklen Korridore des sehr ungewöhnlichen Leichenschauhauses.
Dieses sieht mehr wie ein altes Herrenhaus aus und nur selten findet man die Leichen nicht im Erdgeschoss, sondern in der ersten Etage aufgebart. Der Versuch, ein Labyrinth im Stile Eschers zu zeigen, wird leider viel zu schnell und unnötig aufgegeben. Dagegen wirkt die Integration des mehrmals erwähnten Computerspieles „Doom“ – auch die Protagonisten fühlen sich eher auf dem Set eines Ballerspieles als in einem Horrorfilm – irritierend. Anscheinend sind Scheidungskinder im Endstation der Pubertät mit neu verliebten Vätern und nervigen kleinen Schwestern, einer attraktiven Mutter sowie Computerspielfreaks deutlich mehr gefährdet als „normale“ Jugendliche. Wenn diese Kinder dann auch noch eine dunkle Hautfarbe haben, werden sie direkt vor den weißen Freunden von brutalen Vampiren ausgesaugt und ebenfalls zu Vampiren gemacht. Sollte sich hinter den verschiedenen Hinweisen eine Ironie oder gar Kritik an der Computerspielwelt verbergen, so hat sie niemals im Verlaufe der knapp sechzig Minuten ihr Versteck in Garris Drehbuch verlassen. Sehr nahe ans Computerspiel heran kommt Dickerson, wenn er unnötig aus der Perspektive des Vampirs auf POV Perspektiven zurückgreift und diese visuell verzerrt.
Nicht auszudenken, welches Potential die Folge gehabt hätte, wenn Michael Ironside mit seinem eher eingeschränkten Sehmöglichkeiten „Doom“ oder ein anderes Horrorspiel zumindest für einen Augenblick am ebenfalls im Leichenschauhaus stehenden Computer gespielt hätte. Aber auf diese bizarren Ideen kommt ein Mike Garris in seinem mechanischen Drehbuch erst gar nicht.
„The V Word“ ist leider eine weitere Folge der „Masters of Horror“, in denen zu viele interessante Ideen im wahrsten Sinne des Wortes verschenkt werden. Alleine Michael Ironside und die solide Regiearbeit Dickerson ist zu wenig, um „The V Word“ trotz des wirklich originellen, aber niemals effektiv verwandten Titels zu empfehlen.
Zu den Extras gehört wieder der obligatorische Audiokommentar des Regisseurs Ernest Dickerson und des Drehbuchautoren Mick Garris. Dieser ist erstaunlich unkritisch gegenüber dem verfilmten Material. Garris geht auf seine Vorstellungen bei der Konzeption des Drehbuchs ein, Dickerson mehr auf die Arbeit am Set. Der Einblick in die guten Spezialeffekte gehört zu jeder „Masters of Horror“ Folge, ist auch in diesem Fall obligatorisch und vor allem interessant. Dabei muss zwischen dem eigentlichen, eher langweiligen Making Of und dem „Beiß mich“ betitelten Special unterschieden werden.
Die Bildqualität der vorliegenden „Masters of Horror“-Folge ist sehr gut. Insbesondere die in der dunklen Leichenhalle spielenden Szenen sind hervorragend wiedergegeben und erzeugen zumindest für einige Minuten eine Gänsehautatmosphäre.
Die beiden Tonspuren in Dolby Digital 5.1 sind hörenswert. Insbesondere die Originalspur mit den entsprechenden Akzenten wirkt deutlich überzeugender.
Von der technischen Seite alleine her wieder eine empfehlenswerte Veröffentlichung.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital Stereo 2.0 (Kommentar)
Untertitel: deutsch (Kommentar)
DVD-Extras:
Audiokommentar, Making of, Featurette