|
Mostert, Natasha: Der Fluch der Schwestern (Buch)
Natasha Mostert
Der Fluch der Schwestern
(Season of the Witch, 2007)
Deutsch von Reiner Pfleiderer
Goldmann, 2008, Taschenbuch, 446 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-442-46452-4
Von Gunther Barnewald
Gabriel verdient sich seinen Lebensunterhalt als „Datendieb”. Er spioniert Firmen aus im Auftrag von Kunden, die sich bei ihm melden und den Diebstahl bestellen. Mit Hilfe seines besten Freundes Francis, der sich nach einem Helden eines Romans von Philip K. Dick nur Isidore nennt und ein veritabler Computerjunkie ist, gelingt es Gabriel immer wieder erfolgreich in Computersysteme einzudringen.
Doch Gabriel besitzt noch eine andere Seite, denn dereinst war er talentiertestes Mitglied eines britischen Regierungsprojekts, bei dem mental begabte Menschen rekrutiert wurden, welche die Fähigkeit der Fernwahrnehmung aufwiesen. Dies bedeutet, dass sie sich manchmal in das Bewusstsein anderer Menschen einklinken können. So gelang es Gabriel und seinen Kollegen manchmal, entführte Menschen aufzuspüren und dadurch deren Befreiung einzuleiten. Gabriel war sogar dermaßen talentiert, dass er auch den Nachhall frisch Verstorbener auffangen und so Mörder aufspüren konnte. Aber Gabriel war nicht nur der talentierteste im Projekt, er war auch mit Abstand der arroganteste Teilnehmer. Zumindest bis zu jenem legendären Desaster, bei dem er den Tod einer jungen Frau verschuldete und sich ganz von dem Projekt trennte, welches später aufgegeben wurde.
Nun ist er „Datendieb”, doch als seine alte Freundin und ehemalige Partnerin Frankie sich bei ihm meldet, die damals ebenfalls Mitglied des geheimen Regierungsprojekts war, wird Gabriel in einen mysteriösen Fall verwickelt, der ihn mit Haut und Haaren in einen lebensgefährlichen Strudel von Intrigen verwickelt. Denn Frankies Stiefsohn ist verschwunden und Gabriel findet schnell heraus, dass er unter merkwürdigen Umständen von einer wunderschönen, maskierten Frau getötet wurde. Schnell entdeckt er, dass die Frau nur eine der beiden Schwestern Monk sein kann, beide Nachfahren eines berühmten Alchimisten, die geheimes Wissen angehäuft zu haben scheinen.
Gabriel lernt die beiden kennen und verliebt sich fatalerweise in die Schwestern. Zu spät erkennt er, dass eine von ihnen, nämlich die Mörderin, ebenso wie er mental begabt ist. Doch die Mörderin kann noch viel mehr, und bald sterben nicht nur die Menschen um Gabriel, sondern auch er selbst schwebt in akuter Lebensgefahr...
Was manchmal etwas esoterisch und überkandidelt klingt, ist zum Glück nicht dermaßen schlecht. Ganz im Gegenteil, denn Natasha Mostert, deren vierter Roman als erster ins Deutsche übersetzt worden ist, erweist sich als begnadete Erzählerin und brillante Stilistin. Die von ihr ausgeführten Beschreibungen erschaffen beim Leser Bilder von selten gelesener Kraft und Eindringlichkeit, die Atmosphäre des Buchs wirkt authentisch, der Spannungsbogen ist clever konstruiert und die Handlung packend und mitreißend.
Das gewählte Thema ist zwar weder neu (eingefleischte SF-Fans erinnern sich hier vor allem an die legendäre Kurzgeschichte „Command Performance”, dt. als „In fremder Gewalt”, bzw. „Anybody else like me?”, dt. als „Gibt es noch jemanden wie mich?”, des genialen SF-Autors Walter M. Miller jr., welche bereits 1952 mit einem ähnlichen Thema aufwartete) noch besonders originell oder niveauvoll, Mosterts Art zu Schreiben überdeckt diese Schwächen jedoch mühelos.
Ähnlich wie ihre begnadete Schriftstellerkollegin Bari Wood scheint auch Natasha Mostert ein schriftstellerisches Naturtalent zu sein, die einem auch die trivialste Handlung noch voller Verve und dermaßen geschickt servieren kann, dass man als Leser auch die kühnsten Wendungen (wie hier leider der typische schlussendliche Kampf Gut gegen Böse und eine ziemlich unglaubwürdige Wendung der Kräfteverhältnisse) zu schlucken bereit ist und, das Gehirn völlig ausgeschaltet, dem Ende entgegen fiebert.
Außerdem gelingt der Autorin mit dem früher extrem überheblichen und auch heute noch phasenweise arroganten Helden eine äußerst glaubhafte Charakterzeichnung. Leser, die sich für F. Paul Wilsons Helden Handyman Jack (im Original Repairman Jack) begeistern können, werden sicherlich auch schnell mit Gabriel warm und können sich auf das hier geschilderte Abenteuer mühelos und mit viel Freude einlassen. Mit Gabriels Kumpel Isidore, einem durchgeknallten Computerfreak, steht dem Protagonisten eine ebenso schillernde Figur zur Seite, wie auch Handyman Jack sie in seinem Waffenlieferantenfreund Abe hat.
Leider verschenkt die Autorin etwas das Potenzial ihres wunderbaren Protagonisten, denn das Ende des Buchs deutet darauf hin, dass Gabriel möglicherweise kein weiteres Mal der Held einer Geschichte der Autorin sein könnte. Dies wäre äußerst bedauerlich!
Aber auf weitere Bücher der begnadeten Autorin in deutscher Sprache kann man sich hoffentlich freuen. Vielleicht macht Goldmann ja weiter, denn „Der Fluch der Schwestern“ bietet nicht nur großes Lesevergnügen, Natasha Mosterts grandiose Art zu schreiben lässt hoffen, dass ihr noch weitere Werke gelingen von jener bestrickenden stilistischen Qualität, wie dies beim vorliegenden Roman der Fall ist.
hinzugefügt: September 23rd 2008 Tester: Gunther Barnewald Punkte: zugehöriger Link: Goldmann Hits: 2752 Sprache:
[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ] |
|