Arina Tanemura
Kamikaze Kaito Jeanne – Perfect Edition 1
(Phantom Thief Jeanne Perfect Edition, Vol. 1, 1998)
Aus dem Japanischen von Rie Kasai
EMA, 2008, Paperback, 222 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-7704-6974-1
Von Irene Salzmann
In den vergangenen Jahren sind in Deutschland von Arina Tanemura mehrere Serien und Oneshots publiziert worden, darunter „Time Stranger Kyoko“, „Full Moon Wo Sagashite“, „I*O*N“, „Squib Feeling Blue“. Auch zwei großformatige Artbooks erfreuen die Sammler.
Den größten Erfolg hatte die Künstlerin mit ihrer siebenbändigen Reihe „Kamikaze Kaito Jeanne“, die durch den Anime, der 44 Episoden umfasst und lange im Nachmittagsprogramm lief, besonders populär wurde. Nach 2001 erscheint die Serie nun in einer Neuauflage: im Überformat und aufgepeppt durch verschiedene Extras wie ein Relief-Cover, Farbseiten und Hintergrundinformationen.
Die 16-jährige Marron Kusakabe hütet ein großes Geheimnis: Als Bilderdiebin Jeanne bannt sie im Auftrag Gottes Dämonen, die sich in Kunstwerken einnisten konnten und die Herzen der Menschen verderben. Ihr zur Seite steht der kleine Grundengel Fynn Fish. Selbst ihre beste Freundin Miyako Todaiji, die als resolute Tochter des Kommissars die Diebin unbedingt fangen will, ahnt nichts davon.
Eines Tages zieht Chiaki Nagoya in Marrons Nachbarwohnung ein und stellt sich als neuer Mitschüler vor. Beide Mädchen sind hingerissen von dem gut aussehenden Jungen, doch leugnet Marron ihr Interesse, so dass Miyako hofft, Chiaki für sich zu gewinnen. Schon bald beginnt Chiaki, Jeanne als Sindbad bei der Dämonenjagd Konkurrenz zu machen. Sein Begleiter ist der schwarze Engel Access Time.
Bereits bei ihrer zweiten Begegnung kommt Sindbad Jeanne zuvor. Seine Schachfiguren, in die die Dämonen hinein gezogen werden, sind ebenso dunkel wie Access. Sind die beiden Streiter des Teufels? Aber warum hilft Sindbad Jeanne bei ihrem nächsten Auftrag, nachdem sie sich den Fuß verstaucht hat, statt seinen Vorteil zu nutzen? Obendrein küsst er sie und bittet sie, mit dem Stehlen aufzuhören…
„Kamikaze Kaito Jeanne“ ist ein Magical Girl-Manga im Stil von „Sailor Moon“, „Wedding Peach“ oder „Tokyo Mew Mew“.
Arina Tanemura verbindet Motive aus der christlichen Religion und der europäischen Geschichte nach Belieben mit gängigen Fantasy-Elementen. Die Schülerin Marron gilt als die Reinkarnation von Jeanne d’Arc, die als Kämpferin des geschwächten Gottes Dämonen bannen muss, damit der Teufel nicht an Macht gewinnt. Chiaki alias Sindbad stellt ihren Gegenspieler dar, dessen wahre Absichten allerdings noch nicht enthüllt werden. Mal behindert er Jeanne bei ihrer Aufgabe, mal hilft er ihr, sie zu erfüllen – was will er wirklich?
Im Gegensatz zu Marron weiß Chiaki, mit wem er es zu tun hat. Er flirtet mit dem Mädchen, das sich einsam fühlt, weil es von den Eltern allein gelassen wurde. Man darf spekulieren, ob Chiaki es ernst meint oder ob seine Bemühungen nur dazu dienen, Marron zu verwirren und von ihrem göttlichen Auftrag abzulenken. Allerdings steht er ihr auch im Alltag bei, beispielsweise als Marron von Yamato Minazuki bedrängt wird, der heimlich in sie verknallt ist und aufgrund seiner Komplexe ein leichtes Opfer der Dämonen wird.
Schüleralltag und Dämonenjagd wechseln einander ab. Dabei wird großer Wert auf die Beziehungen der Hauptfiguren zueinander und die keimenden Romanzen gelegt. Natürlich gibt es genug Raum für Eifersucht, denn Miyako möchte Chiaki näher kommen, und dann taucht auch noch dessen angebliche Verlobte auf. Mit mehr als schüchternen Küssen darf allerdings nicht gerechnet werden in Hinblick auf das Alter der Zielgruppe.
Bei den Protagonisten handelt es sich um Genre-Archetypen mit zu ihrer Rolle passenden Hintergrundgeschichten. Nach der Schule kämpfen Jugendliche für Gut bzw. Böse, wobei auf unnötige Grausamkeiten verzichtet wird. Die Eltern sind fort oder tauchen nur am Rande kurz auf und stören nicht. Sonstige Personen aus dem Umfeld geben regelmäßig Impulse und helfen, die Geschehnisse voran zu treiben oder ihnen eine Wende zu verleihen.
So manche Frage bleibt zunächst offen, um die Spannung zu schüren: Wieso agieren Marron und Chiaki als Jeanne und Sindbad? Sind sie tatsächlich Feinde? Wie lernten sie ihre Engel kennen? Was passiert mit den gebannten Dämonen? Darauf werden gewiss die nächsten Bände antworten.
Die Illustrationen entsprechen dem, was man allgemein als ‚typisch Manga’ und ‚niedlich’ bezeichnet: Die Figuren sind sehr schlank und langgliedrig, weisen das Kindchenschema auf, sie haben riesige Augen, die ein Drittel des Gesichts einnehmen. Zumeist lange, wehende Haare, fliegende Röckchen, verspielte Accessoires wie Bänder, Schleifen und Schmuckstücke runden ab. Die Charaktere stehen im Mittelpunkt und werden dynamisch in Szene gesetzt.
Das alles gefällt vor allem Mädchen ab 10 Jahren, die sich leicht mit der sympathischen Titelheldin identifizieren und an ihren Abenteuern teilhaben können.
Eine ganze Weile schienen die Magical Girls im deutschen Manga-Programm kein Thema mehr zu sein, da das Publikum älter wurde und sich anderen Genres zuwandte (romantische/erotische School-Comedies, Boys Love, Gamer-Fantasy, Mystery, Action). Nun scheinen sie zurück zu sein, um eine neue Lesergeneration zu unterhalten.
Dabei ist „Kamikaze Kaito Jeanne“ nicht der einzige Titel dieser Art. EMA bringt außerdem „Card Captor Sakura“ zurück, Heyne legt „Mermaid Melody“ neu auf, Tokyopop offeriert zeitgenössische Titel wie „Zauberhafte Bibi“ und Carlsen solche wie den Klassiker „Magic Knight Rayearth“. Ob das ein neuer Trend ist, der sich durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.
Für sehr junge Mädchen und die Fans von Clamp und Arina Tanemura ist es erfreulich, dass sie nun die Gelegenheit erhalten, vergriffene Bände kaufen zu können. Selbst wenn der Inhalt von „Kamikaze Kaito Jeanne“ weniger auf die älteren Sammler zugeschnitten ist, sollte diesen die hübsche Gestaltung auf jeden Fall einen Blick wert sein – und vielleicht springt sogar der Funke über.