Hellboy 9
Ruf der Finsternis
(Mike Mignola’s Hellboy: Darkness Calls)
Text: Mike Mignola
Zeichnungen: Duncan Fegredo
Farben. Dave Stewart
Übersetzung: Gunther Nickel & Christian Endres
Lettering: Amigo Grafik
Cross Cult, 2008, Hardcover, 160 Seiten, 19,80 EUR, ISBN 978-3-936480-83-2
Von Frank Drehmel
Nachdem ihn seine Abenteuer rund um den Globus führten, genießt Hellboy ein paar ruhige Tage in good old England auf dem Anwesen Harry Middletones, eines alten Freundes seines Ziehvaters Trevor Bruttenholm.
Doch die Ruhe währt nicht lange, denn die Hexen von England, deren unterschiedliche Stämme in stetigem Streit miteinander leben, möchten Red zu ihrem König machen, da Igor Bromhead Hekate, ihre frühere Anführerin, unter seinen Willen gezwungen hat.
Als Hellboy dem Ansinnen der Hexen mit den Worten, „Geht zum Teufel, Mädels!”, eine überdeutliche Absage erteilt, findet er sich kurz darauf in einem mythischen Zwischenreich wieder, das von seiner alten Bekannten, der Baba Jaga, beherrscht wird. Diese bösartige Kreatur trägt unserem Helden immer noch den Verlust ihres Auges nach, scheut allerdings die direkte Konfrontation. Daher schickt sie den verfluchten Krieger Koshej in den Kampf, der solange unsterblich ist, bis jemand seine Seele, die sich im Besitz der Baba Jaga befindet, vernichtet. Und dieser nahezu unbezwingbare Kriegerfürst erweist sich für Hellboy als eine Herausforderung, gegen die er ohne fremde Hilfe nicht bestehen wird.
Es gibt nur zwei Comic-Reihen des „neueren” US-amerikanischen Mainstreams, die, auch wenn ihnen völlig unterschiedliche Ansätze zu Grunde liegen, ihren hohen erzählerischen Standard (fast) durchgängig für mehrere Jahre aufrecht erhalten konnten. Die eine ist Neil Gaimans „Sandman”, die andere Mike Mignolas „Hellboy”.
Und so bietet auch dieses neunte „Hellboy“-Band eine Geschichte, die zwar thematisch, in den Charakterzeichnungen und vom Aufbau her nicht länger tief in der Pulp-Literatur verwurzelt ist, die aber nach wie vor eine durchdringende Intensität sowie inhaltliche Fülle an den Tag legt.
Viktorianischer Horror, Anklänge an Macbeth, an germanische (Yggdrasil), keltische (Gruagach), slawische (Koschej, Leshii), ägyptische (Toth), griechische (Hekate) und russische (Baba Jaga) Mythologien bzw. Märchen und ein Held, der dem Unbill, welches der Erde durch die alptraumhaften Figuren droht, mit geradezu provzierender Lässigkeit und Coolness gegenübertritt - „Kacke” bzw. das etwas geschwätzigere „Oh, Kacke!” werden durch Hellboy zu einem geradezu geflügelten Wort -, machen „Der Ruf der Finsternis” zu einem Riesenspektakel und ebenso großen Spaß selbst für jene Leser, die mit den zahlreichen Bezügen auf vergangene Abenteuer nur wenig anfangen können.
Dass das Buch ein weiteres Highlight der „Hellboy“-Serie darstellt, liegt nicht unwesentlich an der Figur des Koshej, des unsterblichen Kriegers, der - des Kampfes längst müde - von der Baba Jaga gezwungen wird, ein ums andere Mal gegen den Red anzutreten und dem trotz aller Gnadenlosigkeit von Anfang an eine gewisse Ehrenhaftigkeit sowie unübersehbare Tragik innewohnen; und es liegt daran, dass es Mignola gelingt, den Spannungsbogen des hin- und herwogenden Kampfes der beiden Giganten für viele Seiten aufrecht zu erhalten.
(Apropos Spannungsbogen: die orakelhaften bzw. mysteriösen Andeutungen in gleich zwei Epilogen lassen den Leser mit Ungeduld dem nächsten Bänden entgegenfiebern.)
Da er sich neuen Projekten widmen wollte, sah sich Mike Mignola gezwungen, die grafische Umsetzung seiner Ideen in fremde Hände zu legen. Seine Wahl fiel auf Duncan Fegredo; und spätestens nach diesem Band ist klar, dass es eine äußerst glückliche Wahl war. Fegredo gelingt es anscheinend mühelos, Mignolas unverwechselbaren, harten Stil in seinem Artwork zu zitieren, ohne dabei die eigene Handschrift zu vernachlässigen. Die Form der Verschattungen, die eckigen Konturen der Bildelemente ähneln stark Mignolas Ansatz; insgesamt jedoch bedient sich Fegredo eines diffizileren, feingliedrigeren und deutlich detaillierteren Duktus’. Dadurch wird Hellboy sicherlich auch jenen Lesern zugänglicher, die sich bisher mit Mignolas schroffem Stil nicht anfreunden konnten oder wollten.
Für die Kolorierung zeichnet mit Dave Stewart ein „Eisner Award”-gekrönter Künstler verantwortlich, dessen nahezu perfekte Farbgebung für die Atmosphäre der Story nicht weniger maßgeblich ist als der Beitrag Fegedros. Das die Panels dominierende Dunkelblau und Grau wird immer wieder sowohl durch vereinzelte andersfarbige Akzente - insbesondere durch das Rot bzw. Rotbraun von Hellboys Haut -, als auch größere Passagen ins Trübe spielenden Gelbs und Orange durchbrochen. Dadurch erfahren die Bilder und somit die Story eine zusätzliche visuelle Dynamik, ohne dass der düstere Grundtenor verloren geht.
Auf der redaktionellen Seite erwarten den Leser neben einem geschwätzigen, überflüssigen Vorwort Jane Yolens informative - da von Fegredo kommentierte - Einblicke in das Sketchbook des Künstlers sowie jeweils ein Interview mit Mignola und seinem zeichnerischen Nachfolger.
Fazit: Eine dichte, komplexe Story, welche mit zahlreichen Mythen spielt, coole Sprüche sowie das exzellente Artwork in der Tradition Mignolas machen auch diesen neunten Hellboy-Band zu einem heißen Tipp für jeden Comic-Fan.