Masters of Horror
Sound Like
USA 2007, Regie: Brand Anderson, mit Laura Margolis, Chris Bauer u.a.
Von Thomas Harbach
Mit Brad Andersons „Sounds Like” legt Splendid eine der besten Folgen der zweiten Staffel der „Masters of Horror“ auf DVD auf. Obwohl Brad Anderson vielleicht auf den ersten Blick nicht in die Galerie der Masters-of-Horror-Riege gehört, strahlen seine inzwischen mehr als eine Handvoll von Kinofilmen eine morbide Faszination aus. In Deutschland ist er in erster Linie durch „The Machinist” bekanntgeworden. Eine weitere Veröffentlichung ist die moderne Geistergeschichte „Session 9”. Im Gegensatz zu vielen anderen „Masters of Horror“-Folgen hat Brad Anderson selbst das Drehbuch zu seiner Episode geschrieben. Es basiert auf einer Kurzgeschichte Mike O´Driscolls. Und im m Gegensatz zu vielen anderen „Masters of Horror”-Episoden - insbesondere in der eher uneinheitlichen zweiten Staffel - ist es bei „Sounds Like” extrem wichtig, dass die Geschichte über die Schauspieler funktioniert. Wie Brad Anderson in seinem lebhaften und informativen Audiokommentar berichtet, hat er das Drehbuch mit Chris Bauer und Laura Margolis vor seinem inneren Auge geschrieben. Insbesondere in Hinblick auf Chris Bauer funktioniert diese vorausschauende Arbeit ganz hervorragend.
Chris Bauer spielt Larry Pearce, einen nicht mehr ganz jungen, nicht mehr ganz schlanken und vor allem nicht unbedingt immer motivierten Callcenter-Leiter, dessen Aufgabe es ist, die Gespräche der ihm unterstellten Mitarbeiter zu belauschen. Diese sollen Soforthilfe bei Hardware- und Softwareproblemen geben und die Kunden möglichst zielstrebig, zeitsparend, aber höflich und effektiv am Telefon beraten. Zu Hause wartet seine Frau Brenda (Laura Margolis) auf ihn. In Rückblenden erfährt der Zuschauer, dass Brenda und Larry vor kurzer Zeit ihren einzigen Sohn verloren haben, der einen seltenen Herzfehler hatte. Spätestens seit diesem Moment ist Brenda davon besessen, noch einmal schwanger zu werden. Zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Stimmung soll diese Zeugung gelingen. Für Larry eine extrem schwierige Situation, da er den Tod seines Sohnes noch nicht verkraftet hat. Dessen Zimmer ist weiterhin unberührt und wird im Verlaufe der immer stärker werdenden Ehekrise zu einer Art heiliger Schrein.
Brenda wird immer besessener vom Gedanken einer Schwangerschaft, während sich Larrys berufliche Probleme verstärken. Sein Vorgesetzter will ihn zum Psychologen schicken. Dieser spricht zuerst mehr von seinen eigenen Problemen. So hat er sich das Rauchen vor sechs Jahren abgewöhnt. Aber Larry kann förmlich die Sucht noch in ihm spüren. Sein Gehör beginnt sich überdimensional zu entwickeln. Er kann Hintergrundgeräusche vernehmen, die er vor kurzem noch nicht aufnehmen konnte. Mehr und mehr steigert sich seine Gehörleistung, bis ihn kleinste Geräusch an den Rand des Wahnsinns treiben.
Das Ende ist vorhersehbar und eher geradlinig, auch wenn sich Brad Anderson bemüht, zumindest einige der Motive vor dem aufmerksamen Zuschauer zu verstecken. Im Gegensatz allerdings zu dieser Plot-Schwäche lebt die Folge von den beiden dominierenden Schauspielern. Der Zuschauer erkennt schnell, dass Larry und Brenda Eheprobleme haben. Aus den tragischen Rückblenden kann er zumindest die Wurzel der aktuellen Probleme erkennen. Für die beiden Darsteller spricht, dass man es an ihrer Mimik und ihrer Gestik förmlich ablesen kann. Oft verzichtet Brad Anderson auf erklärende Dialoge und verlässt sich zu Recht auf die darstellerische Klasse seiner beiden Mimen. Aber nicht nur der Verlust des Sohns zerrt an ihrer Ehe. Während Brenda mit einer erneuten Schwangerschaft die Vergangenheit am liebsten totschweigen möchte, kann sich Larry dieser nicht richtig stellen. Er trauert zwar am Grab seines Sohns, das er aufgrund des mitgebrachten und auf den Grabstein gestellten Spielzeuges nicht zum ersten Mal besucht, aber die Trauer wird mehr und mehr zu einer Mauer, die ihn auf der einen Seite isoliert, auf der anderen Seite allerdings - wie der Zuschauer in der letzten Sequenz der Folge sehen wird - auf die andere Seite zieht.
Von Beginn an identifiziert man sich mit diesen beiden Durchschnittsbürgern, denen im Leben etwas Schreckliches widerfahren ist. Sehr genau zeichnet Brad Anderson allerdings dann auch die Alltage dieser Chiffren nach. Larry ist in seinem Beruf unterfordert und versucht schließlich erfolglos mit Warmherzigkeit die Distanz zwischen seinen Angestellten und sich selbst zu überbrücken. Er thront über ihnen, lauscht, ohne dass sie es wissen, immer wieder in ihre Gespräche hinein und kann mit einem Knopfdruck das Gespräch beenden, den Kontakt zur Außenwelt für seine Mitarbeiter beenden, wenn etwas aus den geordneten und normierten Fugen zu geraten droht. Nur in seinem eigenen Leben gibt es diesen Knopf nicht. Diese Diskrepanz stellt Brad Anderson mittels sehr geschickter, aber nicht auffälliger Perspektivwechsel, Zwischenschnitte und vor allem einer für eine Fernsehserie erstaunlich beweglichen Kamera dar. Im Verlaufe der Episode dringt der Zuschauer schließlich in Larrys Kopf ein und es ist nicht schön, was sich dort verbirgt.
Brenda dagegen ist die desillusionierte Hausfrau, die mit dem Tod ihres Sohnes den Mittelpunkt ihres Lebens verloren hat. Sie klammert sich mehr und mehr an Rituale und verzweifelt jedes Mal, wenn der Schwangerschaftstest nicht positiv ist. Zu Larry verbindet sie weniger Liebe als Routine.
Alle anderen Figuren sind ganz bewusst eher klischeehaft angelegt. Da reicht das Spektrum vom überforderten Callcenter-Mitarbeiter, der seine Kundin zu beschimpfen beginnt, bis über den eindimensionalen mit den eigenen Problemen behafteten Psychologen bis zum im Grunde falschen Chef. Bei keinem dieser Charaktere kann Larry Verständnis für seine Situation erwarten.
Die Steigerung dessen Gehörsinns stellt Brad Anderson nicht nur über den sehr interessant und intelligent gemixten Soundtrack her. Immer wieder dringt die Kamera wie im Rausch zu den Objekten vor, die Larry plötzlich laut und auf ihn fast einhämmernd hört. Es beginnt mit bekannten Phänomenen wie Stubenfliegen und reicht bis zum unendlichen lauten Zwinkern der Augen seiner Frau. Spätestens in dieser Sekunde hat er die Grenze überschritten. Wie Michael Douglas in „Falling Down” ist Larry verloren. Im Gegensatz allerdings zu Douglas gibt ihm Brad Anderson ein Motiv für seinen Nervenzusammenbruch und seine anschließende Verzweifelungstat. Das macht Larry auf der einen Seite sympathischer, auf der anderen Seite allerdings auch angreifbarer.
Über weite Strecken der Handlung erzeugt Brad Anderson in erster Linie eine psychologische Spannung, ohne auf Blut, Gore oder Gewalt zurückzugreifen. Erst in den letzten Minuten bricht Larrys Wahnsinn offen aus, wobei Brad Anderson in erster Linie nur die Folgen zeigt. Diese gipfeln schließlich in einem traumatisch verstörenden, aber auch traumhaft schönen Bild, das zumindest suggeriert, das Larry seinen Frieden gefunden hat.
Der Kameramann Attila Szalay ist erfahren genug, um Brad Andersons verstörende Visionen in exzellente Bilder umzusetzen. Viele der Kompositionen fallen dem Zuschauer erst auf, wenn er die Folge mit dem hörenswerten Audiokommentar von Brad Anderson ein zweites Mal sieht. Erst dann erkennt man wirklich, wie gut Brad Anderson mit einer vorhersehbaren und bis auf die wenigen sehr unauffällig integrierten Rückblenden stringent erzählten Handlung Spannung erzeugt.
Wie Hitchcock in „Psycho” spielt der Drehbuchautor und Regisseur manchmal ein wenig zu sehr mit den Erwartungen der Zuschauer. Geschickt bewegt sich Brad Anderson immer am Rand der klassischen Genre-Erwartung und schockiert schließlich sein Publikum weniger mit den Augen - auch wenn einige Sequenzen ein härteres, aber nicht unbedingt keine Freigabe unter 18 rechtfertigen - aber mit den Ohren und vor allem mit dem Verstand. Erst im Kopf des Betrachters setzen sich die einzelnen Komponenten zu einem verstörenden und vor allem erschreckenden Gesamtbild zusammen. Ein tragischer persönlicher Verlust, einen im Grunde Menschen verachtenden Arbeitsplatz und schließlich eine lieblose Ehe lassen im vorliegenden Film das Fass zum Überlaufen bringen. Larrys Handlungen werden folgerichtig und mit nihilistischer Konsequenz bis zum bitteren Ende für die Umwelt und zu einem Pyrrhussieg für ihn persönlich zu Ende gedacht. Alleine in dieser Hinsicht fordert „Sounds Like” die Intelligenz seines Publikums heraus und gehört nicht zuletzt aufgrund des psychologisch sehr nuancierten Drehbuchs von Anderson zu den besten Folgen der zweiten Staffel der „Masters of Horror”.
Zu den Extras gehört der schon angesprochene Audiokommentar von Brad Anderson. Neben einigen weiterführenden Erläuterungen spricht er über das notwendige Handwerk wie in diesem Fall ein passendes Casting und die Trickeffekte. Dabei nimmt er einige der anderen Extras eher unbewusst vorweg. An einigen Stellen verliebt er sich allerdings wieder in seine Arbeit und kommentiert eher das Geschehen auf dem Fernsehschirm als seine eigene Vorgehensweise. In „Akustischer Wahnsinn - The Making of Sounds Like” kann der Zuschauer sehr viel besser Brad Andersons Arbeitweise und seine Entschlossenheit auf dem Set verfolgen, aus dem beschränkten Budget das Beste herauszuholen. Das Team zeigt einen gehörigen Respekt vor ihm, folgt aber augenscheinlich sehr gerne seinen Anweisungen.
Im zweiten, deutlich längeren Feature wird unter dem Titel „Special Effects” auf die verschiedenen, oft sehr unauffällig wirkenden Tricks eingegangen. Obwohl die Effekte im Gegensatz zu einigen anderen Folgen beider Staffeln nicht im Vordergrund stehen, ist es interessant, Howard Berger bei der Arbeit zuzusehen. Der Produzent Mike Garris hat ebenfalls seinen Auftritt, hält sich allerdings sehr viel vornehmer im Hintergrund als in der ersten Staffel der „Masters of Horror”.
Von der technischen Seite erreicht die vorliegende Episode wieder den gewohnten Standard. Das Bild ist farbenprächtig - wenn nötig - und gestochen scharf. Das Bildformat ist wieder 1.78:1. Die Schwarztöne sind stark, nur in den wenigen dunklen Szenen wirkt das Bild ein wenig weich. Als Tonspuren wird sowohl in Englisch als auch Deutsch Dolby Digital 5.1 angeboten. Für eine Folge, in welcher es um ein sehr gutes Hören gehört, eine Notwendigkeit. Ganz bewusst sind einige ersten Moment natürlich sich anhörende Klänge leicht verzerrt und optisch manipuliert worden. Splendid hat sich alle Mühe gegeben, das Hörexperiment der empfehlenswerteren Originalspur wurde sehr gut zu übertragen. Beide Tonspuren hören sich phantastisch an, auch wenn die Synchronisation im Vergleich zur Originalfassung ein wenig steif und distanziert klingt.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (Widescreen anamporh)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1
DVD-Extras:
Audiokommentar, Featurettes