Die Vierte Macht 1
Supramental
Juan Giménez
(La quatrième pouvouir: Supramental, 2004)
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
Splitter-Verlag, 2007, Hardcover, 64 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-939823-53-7
Von Frank Drehmel
Seit über einem Jahrhundert führen Terra und die Konföderation Krommion auf dem Planeten Nebula Alpha einen gnadenlosen Krieg, der große Teile der einst blühenden Welt in unfruchtbare Strahlenwüsten verwandelt hat.
Krommionische Wissenschaftler versuchen nun, dem Konflikt eine entscheidende Wendung zu geben, indem sie aus vier jungen Frauen mittels „psycho-zerebraler Chirurgie” eine ultimative Waffe schmieden.
Doch das Projekt mit Namen QB4 steht kurz vor dem Scheitern, denn den skrupellosen Forschern gelingt es lediglich, drei der vier Frauen zu entführen. Die Kampfpilotin Exether Mega entkommt dank ihrer besonderen psychischen Kräfte während eines Patrouillen-Flugs dem Hinterhalt der Krommioner, findet sich allerdings in einer äußerst gefährlichen Situation wieder. Nach dem Verlust ihres Schiffes ist sie gezwungen, mit einem kleinen Robo-Bike den Weg durch die verwüstete Landschaft zurück zu ihrem Stützpunkt zu suchen, wobei ihr Soldaten der Konföderation und der terranischen Allianz auf den Fersen sind.
Während dieser Rückreise begegnet sie dem ebenfalls gestrandeten Doktor From Khen, der sie, geplagt von Gewissensbissen, in die Pläne des Regimes einweiht und der ihr auch offenbart, dass sie in ihrer Heimatbasis keine Sicherheit finden wird.
Die gemeinsame Flucht der Beiden ist von nur kurzer Dauer. Als Exether Mega den während eines Kampfes mit Terranern schwerverletzten Khen nicht zurücklassen will, geraten sie schließlich in die Fänge der Krommianer.
Den gewissenlosen Forschern gelingt es daraufhin, Mega in das Kollektiv der Frauen einzugliedern, doch der mittlerweile genesene Khen will sich damit nicht abfinden und versucht, die Frau, die ihn rettete, zu befreien. Bei dieser Aktion findet der Doktor den Tod, Mega jedoch ist frei. Und sie sinnt, nun ausgestattet mit fast gottgleichen Kräften, auf Rache.
Wer als Comic-Freund auf Hard- oder Military-SF steht, ist in der Regel gezwungen, seine abwegigen Bedürfnisse durch Romane zu befriedigen, da in der neunten Kunst diese Spielarten der Science Fiction (mittlerweile) ein Nischendasein fristen. Umso erfreulicher ist es für jene Leser, dass es Künstler gibt, deren Comics inhaltlich wie zeichnerisch nicht immer den aktuellen Zeitgeist atmen und die Pfade jenseits der Superhelden-, Fantasy- oder Manga-Geschichten weisen.
„Supramental” bietet eine actionreiche und spannungsgeladene Mischung aus Military-SF und Hard-SF, auch wenn Puristen sicherlich das eine oder andere Detail finden werden, das die gängigen Definitionen von harter Science Fiction zu sprengen scheint.
Im Mittelpunkt des Comics stehen zwar Krieg und Technik bzw. die Darstellung von Technik (Maschinen, Fahrzeuge, Raumschiffe), allerdings lässt es sich Gimenez nicht nehmen, den gesellschaftlichen Kontext, indem sich die Handlung vollzieht, auf erzählerisch geschickte Weise auszubreiten. Immer wieder wird der Haupthandlungsstrang auf Nebula Alpha unterbrochen, um auf der Erde einen Nachrichtensender namens Bluespace den Terranern - und damit dem Leser - die Hintergründe des Krieges erläutern zu lassen. Durch diesen erzählerischen Trick wächst der Leser gleichsam in die Handlung hinein.
So unterhaltsam „Supramental” unterm Strich auch ist, so wenig lässt sich über zwei Schwächen hinwegsehen. Zunächst springt dem Leser gleich auf der ersten Seite die vordergründige Sexualisierung förmlich ins Auge. Zwar kann hier, das heißt in der speziellen Situation eines Zugriffs von Staatsorganen, die Darstellung der Nacktheit noch als probates Mittel angesehen werden, die Bedeutung der Würde des Individuums für das Handeln des Regimes zu illustrieren, aber schon eine Seite später wird deutlich, dass es um nichts anderes als blanken, peinlich vordergründig wirkenden Voyeurismus geht.
Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf Gimenez Fähigkeit, Monologe und Dialoge zu verfassen. Ist die Story in ihrem Gesamtentwurf lebendig, stimmig und spannend, so wirken zahlreiche Dialoge hölzern, pathetisch und auf eine störende Art altmodisch. Dass diese Schwäche kaum der Übersetzerin anzulasten ist, belegt die gute Arbeit Tanja Krämlings an zahlreichen anderen Comics.
Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen, denn spätestens das ausgezeichnete Artwork macht diese beiden kleinen Schwächen allemal wett. Gimenez beherrscht in jedem Moment der Geschichte die Darstellung sowohl der Figuren, als auch der zahlreichen technischen Bildelemente, wobei er sich einer leichten bzw. leicht unsauberen Strichführung bedient, welche dem Auge Komplexität selbst dort vorgaukelt, wo die Details eher grob gehalten sind. In der traditionellen, aquarellhaften Koloration spiegelt sich dieses „unpräzise” Vorgehen ebenfalls wieder, was den Panels insgesamt eine erfrischende Leichtigkeit verleiht. In der Farbgebung bedient sich Gimenez ausschließlich pastellhafter Töne, die oft einen signifikanten Blauanteil aufweisen, ins Trübe abgetönt sind und die in lebendigen Nuancen um einen Grundton „changieren”.
Fazit: Ein klassischer, unterhaltsamer Science Fiction-Comic: grafisch sehr gut umgesetzt, allerdings mit Schwächen im Detail.