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Schweikert, Ulrike: Lycana - Die Erben der Nacht 2 (Buch)
Ulrike Schweikert
Lycana
Die Erben der Nacht 2
Cbt, 2008, Paperback mit Klappenbroschur, 544 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-579-30479-2
Von Irene Salzmann
Europa 1878: Die Vampir-Clans haben erkannt, dass ihre Art bedroht ist, da sie der zunehmenden Technisierung ihrer Umwelt durch die Menschen wenig entgegenzusetzen haben. Um ihr Überleben zu sichern, versuchen sie, alte Vorurteile und den Hass zu überwinden, die sie über Jahrhunderte zu Feinden machten. Die junge Generation soll eine Zukunft haben, und zu diesem Zweck wollen die Familien das Wissen, das sie bisher eifersüchtig hüteten, teilen.
In Rom kamen daher Kinder und Jugendliche von mehreren Clans in den Gewölben der Nosferas zusammen und lernten in der unmittelbaren Nähe des Lateran-Palastes, gegen die Macht religiöser Symbole anzukämpfen. Doch nicht nur der anspruchsvolle Unterricht verlangte den jungen Vampiren viel ab sondern auch die Beseitigung gefährlicher Gegner, die die Nosferas und alle Wesen ihrer Art auszulöschen planten (Band 1).
Ein Jahr später sehen sich die Vampire in Irland wieder. Die Angehörigen der Familie Lycana sind besonders bewandert darin, mit ihrem Geist Tiere zu kontrollieren und die eigene Gestalt zu verwandeln. Mehr oder minder begeistert und erfolgreich nehmen die Gäste an den Lektionen teil. Doch auch in Ivy-Máires Heimat droht ihnen Unheil.
Plötzlich sehen sich die Schüler in Konflikte verwickelt, die Briten und Iren, Vampire und Werwölfe entzweien. Die Druidin Tara versucht vergeblich zu vermitteln, denn die Werwölfe sind davon überzeugt, dass sie von den Vampiren und Druiden betrogen wurden. Aus diesem Grund entmachten sie ihren alten Anführer und verbergen den cloch adhair, den magischen Kraftstein Irlands, der im Wechsel von allen drei Gruppen verwahrt werden sollte, an einem Ort, von dem sie glauben, dass er für die vermeintlichen Feinde unzugänglich ist.
Die jungen Vampire ahnen lange nicht, in welcher Gefahr sie schweben, zumal unter ihnen jemand weilt, der den Tod in ihr Versteck führt. Es kommt zu einem heftigen Kampf, und es gibt tragische Verluste auf beiden Seiten. Außerdem können Ivy-Máire und der treue Wolf Seymour ihr Geheimnis nicht länger vor den anderen verbergen. Der arrogante Franz Leopold, der sich in das schöne Mädchen verliebt hatte, ist schockiert…
Wer schon mit Begeisterung Ulrike Schweikerts „Nosferas“ gelesen hat, wird sich gewiss über das Wiedersehen mit Alisa, Luciano, Franz Leopold, Ivy-Máire, Malcom und all den anderen freuen. Doch auch wenn man den ersten in sich abgeschlossenen Roman nicht kennt, findet man schnell in die Handlung hinein und nimmt Anteil am Schicksal der sympathischen Protagonisten. Nur gelegentlich gibt es Querverweise auf das Vorherige, wenn es für das Verständnis unerlässlich ist.
Ist man mit den Figuren und ihren Hintergründen vertraut, geht man mit entsprechend hohen Erwartungen an „Lycana“ heran und hofft, ähnlich plastische Beschreibung vom Setting und genauso spannende Intrigen vorzufinden wie in „Nosferas“. Die Autorin gibt sich auch große Mühe: Im Nachwort wird verraten, dass sie die Schauplätze in Irland ebenso bereist hat wie jene in Rom und Hamburg. Trotzdem will der Funke diesmal nicht so recht überspringen.
Das heißt nicht, dass der zweite Band schlecht ist, doch fehlt ihm etwas von dem Reiz, der das vorherige Buch zu einem pageturner machte.
Die Geschichte liest sich nicht ganz so spritzig, da die vielen Szenenwechsel das Tempo aus der Handlung nehmen. Vor allem die diversen Verschwörergruppen und Einzelschicksale, deren Wichtigkeit für das Gesamte erst später ersichtlich wird, bremsen hin und wieder. Man wird zudem nicht recht warm mit den Nebenfiguren, die böse oder fehlgeleitet scheinen und deren Motive eher oberflächlich und eindimensional beschrieben werden. Das Einflechten realer Persönlichkeiten wie Bram Stoker und Oscar Wilde, die wenig bis keinen Einfluss auf den Plot nehmen, wirkt ebenso konstruiert wie die Verlagerung des Geschehens von Schauplatz zu Schauplatz, wodurch Irland dennoch nicht bildlich vor des Lesers Augen entsteht.
Die Hauptfiguren bleiben etwas distanziert. Konnte man sich in „Nosferas“ vor allem mit Alisa identifizieren, die alles Neue begeistert aufnahm und sich nicht von den arroganten Dracas einschüchtern ließ, so bietet sich diesmal kein Charakter wirklich an. Alisa steht die meiste Zeit im Hintergrund und hat erst im letzten Drittel des Buchs mehr Handlungsanteile. Luciano profitiert hauptsächlich von seiner Stellung als Quasi-Rivale um Ivy-Máires Gunst, aber auch er wirkt blass. Die Autorin konzentriert sich stärker auf Franz Leopold und Ivy-Máire, nachdem sie sich offensichtlich entschloss, aus diesen beiden (und nicht aus Franz Leopold und Alisa) ein Paar zu machen. Beide sind zu ‚überlegen’, Franz Leopold außerdem zu eingebildet und Ivy-Máire zu mysteriös, um die Leser an sich zu binden.
Die keimende Romanze nimmt ein jähes Ende – aber war das wirklich das definitive Aus? Als Ivy-Máires und Seymours Geheimnis enthüllt wird, zeigt sich, wer ihre wahren Freunde sind. So mancher, von dem man es nicht erwartet hätte, überwindet seine Vorurteile zugunsten der Kameradschaft. Dass einer aus ihrer Mitte beinahe die Vernichtung über sie alle gebracht hätte, lässt viele Fehler offensichtlich werden. Die jungen Vampire zahlen einen hohen Preis, bevor sie die wichtigste Lektion gelernt haben: Sie müssen die unsinnigen Konflikte beilegen und einander treu zur Seite stehen gegen gemeinsame Feinde.
Letztlich führen der mutige Einsatz der Schüler und die Anwendung des Wissens, das die Nosferas und die Lycana ihnen vermittelten, erwartungsgemäß zur Schlichtung der Kämpfe. Zwar gibt es kein richtiges Happy End, doch die angemessene Lösung befriedigt mehr als ein zu glatter und damit unrealistischer Schluss.
Natürlich bleiben einige Fragen offen: Werden die Gefühle von Ivy-Máire und Franz Leopold stärker sein als alle Vorurteile? Finden Alisa und Luciano Partner? Werden die Vampire ihre letzten Vorbehalte gegenüber den anderen Clans und ihren oft unterschätzten Servienten/Schatten/Unreinen ablegen? Wo wird das nächste Unterrichtsjahr stattfinden? Das und vieles mehr lässt die Leser gespannt auf den dritten Band warten.
Ein Anhang erläutert einige Begriffe und stellt die historischen Persönlichkeiten vor, die aktiv an der Handlung teilnehmen oder erwähnt werden.
Auch wenn „Lycana“ nicht ganz an „Nosferas“ heran reicht, so hat Ulrike Schweikert dennoch einen spannenden und unterhaltsamen Jugendroman verfasst, der in den Bann zieht. Die glaubwürdigen Protagonisten begleitet man gern auf ihren gefährlichen Abenteuern durch die verschiedenen Länder Europas. An ihren nachvollziehbaren Sorgen und Freuden nimmt man ebenfalls Anteil. Horror, Fantasy und Historical verschmelzen zu einer packenden Lektüre, die vor allem Leser und Leserinnen ab 14 Jahren und einem erwachsenen Publikum gefallen wird.
hinzugefügt: November 2nd 2008 Tester: Irene Salzmann Punkte: zugehöriger Link: cbt Hits: 2256 Sprache: german
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