The Portent - Zeichen des Unheils 1
Das Reich der Geister
(The Portent I: Duende)
Text & Artwork: Peter Bergting
Übersetzung: Frauke Pfeiffer
Cross Cult, Hardcover, 160 Seiten, 19,80 EUR, ISBN 978-3-936480-54-2
Von Frank Drehmel
Ein Junge, Milo, wandert durch eine idyllische Landschaft, in der die Toten und Geister die Herrschaft übernommen haben. Er kommt an eine alte, wehrhafte Festung, die nur noch vom Rat der Seher, dem Kriegsmeister Alkunin und der jungen Lin, die über besonders ausgeprägte hellseherische Fähigkeiten verfügt, bewohnt wird.
Lin interpretiert die Ankunft des Jungen als Zeichen der Götter und daher betraut der Rat Milo mit der Aufgabe, zusammen mit Alkunin und dem Mädchen den ersten Geist, den zwei der alten Götter schufen, zu suchen. Dieser Geist, Dai-Jiu, den Alkunin einst fand und an einem Ort sicher verwahrte, erschuf seinerseits alle Lebewesen und sollte er von einem dämonischen Ungeheuer namens Mokkurkalve zerstört werden, würden alle Menschen in das Reich der Geister eingehen.
Als Milo, durch eine List übertölpelt, Dai-Jui eigenhändig zerstört, beginnt die Welt zu sterben. Auch wenn sich der Tod kaum noch aufhalten lässt, so wagen Lin und Milo - unterstützt von zwei Geistern - den Versuch, das Wesen, das hinter diesem Plan steckt, der Dämon Guishen, zu vernichten, um zu verhindern, dass dieser die dann neu entstehende Welt nach seinen düsteren Vorstellungen formt.
Bergtings Comic hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Das klare Artwork besticht nicht zuletzt auf Grund der sehr stimmungsvollen Kolorierung durch eine intensive, fast magische Atmosphäre. Insbesondere die leeren, weiten Landschaften vermitteln ein Gefühl der Kälte selbst in den Passagen, in denen sich die Farbgebung auf warme Töne beschränkt.
Die ganz große Schwäche des Comics liegt auf der Storyebene und hier ist es für mich schlichtweg nicht nachvollziehbar, weshalb Mike Mignola - ausgerechnet der MIKE MIGNOLA! - von Bergtings Comic als einem der besten schwärmt, das er jemals gesehen hat.
Beginnen wir mit dem Positiven: Bergting versteht es, einen lebendigen Hintergrund zu entwerfen, in dem Elemente nordischer sowie japanischer Mythologie locker und unaufdringlich verwoben sind und der zudem einen cthuloiden Unterton besitzt. Der einäugige Krieger Alkunin erinnert gerade in seiner Darstellung als Wanderer unmittelbar an Wotan, die magischen Symbole der Spruchrollen gleichen Oghams, während das/die Wesen der Geisterwelt, die Architektur wie auch die beiden Hauptprotagonisten, Milo und Lin, eher japanische Züge tragen - gerade auch in ihrer Kampfchoreografie; und immer wenn irgendwo Tentakel aus weiten Mänteln wabern, ist Chtulhu nicht allzu fern.
Die Geschichte allerdings, die vor diesem Hintergrund erzählt wird, ist nicht nur dünn, sondern sie ist auch verworren bzw. sprunghaft. Zwar bereitet es keine großen Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen, aber den Handlungsabschnitten fehlt die Bindung untereinander. Ein ums andere Mal zieht Bergting, wenn er die Story vorantreiben will, ein neues Element aus seinem imaginären Zylinder voller angefangener Ideen, gibt der Geschichte einen Twist, der sich aus dem bis dahin Gezeigten oft nicht schlüssig ableiten lässt und der in der Regel auch nicht zu einem befriedigenden Ende gebracht wird.
Das schwächste Glied in diesem Comic allerdings stellen die Protagonisten dar, die so eindimensional und hölzern daher kommen, dass man beim Lesen Angst haben muss, sich Splitter in die Finger zu reißen, und die in ihren Beziehungen ein kindliches und geradezu absurdes Verhalten an den Tag legen, die handeln, ohne ihr Handeln zu reflektieren, und die nicht die Fragen stellen, „Warum tue ich das?”, oder, „Warum sollte ich das tun?”.
Unterm Strich kämpfen und zaubern sich Figuren ohne Hintergrund und Motive durch ein Abenteuer, bei dem sich Bedingungen und Ziele kapitelweise ändern.
Der redaktionelle Teil des Tradepaperbacks enthält - neben einer qualitativ schwachen Bildergalerie - ein fünfseitiges Interview der Übersetzerin Frauke Pfeifer mit Peter Bergting. In diesem Interview vertritt der Künstler die Ansicht, dass „Zeichen des Unheils” eher dem Horror- denn dem Fantasy-Genre zuzurechnen sei. Das ist es natürlich nicht, denn Horror setzt die emotionalen Einbindung des Lesers in die Geschichte und dem Aufbau von Spannungsbögen voraus. Dieses jedoch vermag die Story auf Grund der eindimensionalen Figuren und der unstetigen Handlung zu keinem Zeitpunkt zu leisten. Bergtings Fantasy-Comic lebt ausschließlich durch das dekorative, jugendfreie Artwork.
Fazit: Das atmosphärisch intensive Artwork kann die vordergründige Story, der zudem der innere Zusammenhalt fehlt, sowie die oberflächlichen Charaktere nicht aufwiegen. Wem nette Bilder vollkommen ausreichen, der sollte ruhig mal einen Blick riskieren.