Lori Handeland
Wolfsgesang
(Hunter’s Moon, 2005)
Aus dem Amerikanischen von Patricia Woitynek
Lyx, 2008, Taschenbuch, 382 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8161-8
Von Irene Salzmann
Leigh Tyler ist Mitglied einer geheimen Organisation von Werwolfjägern. Wie viele Bestien sie schon getötet hat, weiß sie selbst nicht, und noch immer verfolgt sie diese Kreaturen voller Hass, denn sie nahmen Leigh alles, was das Leben für die junge Frau einst lebenswert gemacht hatte: Eltern, Geschwister, den Mann, den sie liebte.
Ein neuer Fall führt Leigh nach Crow Valley, Wisconsin. Offenbar treibt dort ein Werwolf sein Unwesen, der gegen alle Regeln verstößt und seine Artgenossen umbringt. Etwas Vergleichbares hat es noch nie gegeben! Leigh beginnt zu ermitteln, wobei sie widerwillig die Unterstützung von der ehemaligen Polizistin Jessie McQuade und deren Lover Will Cadotte, einem Universitätsprofessor, akzeptiert. Beide gehören seit kurzem ebenfalls zur Organisation.
Obwohl sich Leigh nie mehr hatte verlieben wollen, verfällt sie schon bald dem schönen Damien Fitzgerald, dem Barkeeper der Kneipe, über der sich ihr Hotelzimmer befindet, und ihm ergeht es nicht anders. Allerdings hüten beide jede Menge Geheimnisse und sind davon überzeugt, dass nur Verachtung und Hass bleiben würden, käme die Wahrheit heraus, darum schweigen sie. Missverständnisse sind die Folge, und es mehren sich die Indizien, dass Damien etwas mit den Werwölfen zu tun hat.
Es kommt aber noch schlimmer: Hector, jener Werwolf, der Leighs Angehörige ermordet hat, taucht auf. Er ist bereits ein Weendigo und will noch mehr Macht sowie Leigh als seine Gefährtin…
„Wolfsgesang“ ist der zweite in sich abgeschlossene Roman von Lori Handeland über die Mitglieder einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Werwölfe zu eliminieren. Es gibt ein Wiedersehen mit Jessie McQuade, Will Cadotte und Edward Mandenauer aus „Wolfskuss“, doch bekleiden sie nur kleine Rollen, da diesmal die Geschichte von Leigh Tyler und ihre Romanze mit dem attraktiven Damien Fitzgerald im Mittelpunkt stehen.
Leigh ist ein ganz anderer Typ als Jessie, nicht nur äußerlich sondern auch aufgrund ihrer tragischen Vergangenheit. Ansonsten haben die Frauen jedoch einige Wesenszüge gemein, was immer wieder Anlass für Zickenkriege liefert: witzig gemeint, aber eher nervig und oft fehl am Platz. Was bei „Buffy“ oder „Charmed“ noch lustig war, wird lästig, wenn jeder zweite Autor meint, seine Dialoge im selben Stil aufziehen zu müssen, statt eine eigene Linie zu finden. Aus diesem Grund kann „Wolfsgesang“ auch nicht im gleichen Maß überzeugen wie „Wolfskuss“, das einfach origineller und frischer wirkte.
Damien wiederum ist die Antwort auf Will und wird, wie nicht anders zu erwarten, der neue Mann an Leighs Seite. Natürlich ist er außerordentlich attraktiv, gut gebaut – vor allem da, wo es drauf ankommt -, er weiß, was Frauen gefällt und ist unermüdlich darin. Man ahnt früh, was sein Geheimnis sein könnte, denn die Idee, Leigh das lieben und sogar werden zu lassen, was sie am meisten hasst, war einfach zu reizvoll, als dass Lori Handeland sie hätte ignorieren können. Es gelingt der Autorin jedoch, noch einige Überraschungen einzubauen, bis Damiens und Hectors Geschichten schließlich in allen Details enthüllt werden.
Die Jagd nach den Feinden nimmt in „Wolfsgesang“ weniger Raum ein als noch im ersten Buch, was schade ist, denn in „Wolfskuss“ stimmte die Mischung. Hier wird die Romanze stärker in den Vordergrund gestellt: das ständige Hin und Her von Leigh und Damien, ihre widerstreitenden Gefühle, das Misstrauen und der Wunsch, an den anderen zu glauben, Angst und Leidenschaft. Regelmäßig eingestreute erotische Szenen lockern auf, wenn zu viel geredet, gezickt oder gejagt wurde.
Richtig spannend wird es erst am Ende, als Hector ins Spiel kommt und sich als der wahre Feind zu erkennen gibt. Seine Pläne und die Vorgehensweisen der Jäger unterscheiden sich kaum von denen, die in „Wolfskuss“ beschrieben wurden. Wieder ist der Böse gerissen, durch und durch verderbt und den anderen um mehrere Schritte voraus. Er will die absolute Macht erlangen und zu diesem Zweck ein blutiges Ritual durchführen, für das er ein Opfer und eine Gefährtin benötigt. Leigh und ihre Freunde geraten in Hectors Falle, und es ist mehr der glückliche Zufall, der die Rettung bringt, als bewusstes Handeln. Etwas Abwechslung hätte dem Finale gut getan.
Trotz aller (vergleichenden) Kritik wird man bestens unterhalten von „Wolfsgesang“, da der Roman routiniert und flüssig geschrieben ist und alles bietet, was die Zielgruppe sich wünscht: attraktive Protagonisten, Monster, spannende Action, geheimnisvolle Mythen und Erotik. Das spricht vor allem aufgeschlossene Leserinnen ab 15 Jahren an, die nach unzähligen Vampir-Liebhabern ein wenig Abwechslung mit Werwölfen und anderen Wesen der Nacht haben wollen.
Hardcore-Horrorfans kommen auch auf ihre Kosten, sofern sie sich aber mit den oft flapsigen Dialogen und den Romanzen arrangieren können.