Masters of Horror
Family Psycho
USA 2006, Regie: John Landis, mit George Wendt, Meredith Monroe, Matt Keeslar u.a.
Von Thomas Harbach
John Landis tritt ein schweres Erbe an. Seine Folge „Deer Woman“ gehörte zu den schwächsten Episoden der ersten Staffel. Die Leichtigkeit, mit welcher Landis insbesondere in „An American Werewolf in London“ Schrecken und Humor verbunden hat, ist schon lange aus seinem Werk verschwunden. Im Kinofilm „Twilight Zone“ ist ausgerechnet bei seinen Dreharbeiten ein schwerer Unfall passiert, der drei Menschen das Leben kostete. Mit „Family“ – der deutsche Titel „Family Psycho“ verschenkt zumindest einen Teil der Pointe zu früh – geht Landis in mehrfacher Hinsicht ein Risiko ein. George Wendt – bekannt und beliebt aus „Cheers“ – trägt die Folgen über weite Strecken alleine auf seinen Schultern. Der Plot um einen berüchtigten psychotischen Massenmörder greift in mehrfacher Hinsicht bis auf Hitchcocks „Psycho“ zurück. Die Pointe ist bösartig und überraschend, erscheint aber zumindest an einigen Stellen in Hinblick auf das Gesamtszenario ein wenig zu sehr konstruiert und nicht immer schlüssig.
Die Geschichte spielt in Wisconsin. In einer Vorortsiedlung, die direkt aus „Desperate Housewivwa“ zu den „Masters of Horror“ hinüber gewechselt sein könnte. Harold – George Wendt – ist ein korpulenter Junggeselle. Die erste Kamerafahrt führt unter den Klängen von Gospelmusik durch das Schlüsselloch seines Hauses über die langen Gänge in den Keller, wo Harold mit starker Säure das Fleisch von offensichtlich menschlichen Knochen löst. Nach getaner Arbeit bereitet er für sich und seine Familie das Essen. Erst hört der Zuschauer ihre Stimmen, dann sieht er die Skelette. Mit dieser einfachen, subversiven Bildfolge etabliert Landis geschickt den Massenmörder, ohne dass der Täter dem Zuschauer unsympathisch erscheint. Die Morbidität des Geschehens beginnt zu faszinieren. Dabei verzerrt Landis geschickt die Realität. Der Zuschauer wird auf Harolds Seite gezogen und hört Stimmen, die es in dieser Form nur in dem verschrobenen Verstands des Mörders gibt. Im Verlaufe der Folge wird Landis auf diese subjektive Realität - oder besser: Irrealität - mehrmals eingehen.
Die Episode verlässt diese Handlungsebene. Schnitt auf die andere Straßenseite. Ein junges Pärchen zieht ein. David – Matt Kessler – und seine attraktive Frau Celia – Meredith Monroe. Etwas betrunken fahren sie in der ersten Nacht durch die Straßen und zerstören ausgerechnet den Backsteinbriefkasten von Harold. Sie wollen sich entschuldigen, doch niemand öffnet ihnen die Tür. So hinterlassen sie eine Nachricht. Anscheinend nur der Zuschauer erblickt in dem zusammengebrochnen Steinbriefkasten menschliche Knochen. Am nächsten Morgen ist alles wieder beim Alten. Der Backsteinbriefkasten ist säuberlich wieder aufgestellt. So suchen Celia und David den Nachbarn auf, um sich förmlich zu entschuldigen. Harold lädt die beiden in sein Haus ein. Hier nutzt Landis wieder die subjektive Perspektive. Harold hat das Gefühl, als wolle ihn die attraktive, aber angeblich unbefriedigte Celia anmachen. Sie verabreden sich für nächsten Freitag zu einem Gegenbesuch.
Brent Hanley hat ein sehr gutes Drehbuch geschrieben, das in erster Linie von den hervorragenden Schauspielerleistungen George Wendts und Meredith Monroes lebt. Geschickt, manchmal sehr expliziert, zeichnet das Drehbuch die einzelnen Charakterzüge der Protagonisten mit der Unbarmherzigkeit eines Uhrwerkes auf. Harold hat sich seine eigene Familie geschaffen, mit welcher er wie in der „Realität“ streiten kann. David und Celia haben angeblich durch Krebs ihre Tochter früh verloren. In einer der wenig glaubhaften Sequenzen – diese hängt eng mit der Schlusspointe zusammen – will Celia ihren Mann verführen, dieser ist allerdings noch nicht so weit, ein neues Kind zu zeugen. Celia ist beruflich Enthüllungsjournalistin – ein wichtiger Hinweis -, sie raucht und trinkt zu viel. Ihr Mann ist Arzt am örtlichen Krankenhaus. Dank der verschiedenen hier aufgezeigten Schwächen wirken die einzelnen Figuren erstaunlich dreidimensional und natürlich. Nicht unbedingt sympathisch, aber überzeugend gezeichnet. Der Zuschauer wird durch die eigentliche Pointe sicherlich überrascht. Bislang konzentrierte er sich darauf, den unterschwelligen Wahnsinn im Massenmörder Harold als extrapolierte Imitation eines Ed Gein zu verfolgen. George Wendt gelingt es vorzüglich, auf der einen Seite den stets gut gelaunten, wenn auch verschlossenen „dicken“ Nachbarn zu mimen, und dann eiskalt die Ermordung von unschuldigen Menschen zu planen. Kaum hat er die entsprechenden Taten umgesetzt, erledigt er distanziert bis fröhlich die notwendigen Aufräumarbeiten. Mit den Off-Dialogen wird das Verhältnis zwischen Zuschauer und Massenmörder fast beunruhigend intim. Eine schauspielerische Glanzleistung, denn ohne eine Sympathieebene zwischen Zuschauer und Schauspieler würden weite Teile dieser Folge nicht so gut funktionieren. Meredith Monroe hat dagegen einen deutlich schweren Stand. Zu Beginn der Folge an der Seite ihres Mannes spielt sie die überzeugende Ehefrau. Dass es zwischen ihrem Mann und ihr insbesondere wegen des persönlichen Schicksalsschlages kriselt und sie ihn nicht verführen kann, beeinträchtigt ihr Selbstbewusstsein. Nachdem ihr Mann „verschwunden“ ist, zerfällt sie fast äußerlich. Ab diesem Moment wird der Zuschauer sowohl plottechnisch als auch durch ihr Spiel auf eine gänzlich falsche Fährte gelockt. In erster Linie rückblickend zeigt sich, wie gut und teilweise subtil Meredith Monroe ihre Rolle interpretiert. Im doppelter Hinsicht eine schauspielerische Glanzleistung. Als Dritter im Bunde hat Matt Kessler eher einen schweren Stand. Seine Figur dient in erster Linie als Mittler zwischen den beiden Antagonisten. Im letzten Drittel der Folge verschwindet seine Figur gänzlich von der Bildfläche, um Raum für ein direktes Duell zwischen einem Massenmörder und einem „nichts ahnenden, unschuldigen“ Opfer zu schaffen.
Vielleicht ist die vorliegende Folge nicht ganz so bissig, nicht ganz so satirisch geworden wie es bekannte Serien wie „Desperate Housewives“ – dessen Themenspektrum zumindest gestreift wird – suggerieren. Die oft beschworene Oberflächlichkeit und vordergründig falsche Nettigkeit wird angerissen, aber nicht weiter extrapoliert. Im Grunde geht es Landis auch nach dem verführerischen Auftakt mehr um das biblische Auge-um-Auge-, Zahn-um-Zahn-Prinzip, das bis zum dunklen Schluss mit viel Vergnügen zelebriert wird. Im Vergleich zu einer Reihe anderer „Masters of Horror“-Teilen nutzt Landis die schon angesprochenen Themen sehr geradlinig, im Großen und Ganzen humorlos, sowie effektiv. Manche der Dialoge sind pointiert und bösartig humorvoll geschrieben, sie lenken den Kontext der Folge aber nicht in den Bereich der schwarzen Komödie ab. In dieser Hinsicht steuert das Script in letzter Sekunde sehr konsequent gegen. Die eigentliche Handlung, auf zwei sich mehr und mehr miteinander verbindenden Ebenen erzählt, strebt zwar auf eine blutige Pointe zu, die den Zuschauer allerdings überrascht. Die Effekte sind nicht dazu da, eine plottechnisch schwache und vorhersehbare Geschichte zu unterstützen, sondern sie unterstreichen konsequent und zynisch die angesprochenen Themen. Wie bei einigen anderen Episoden steigert der Regisseur zwar den Gore-Inhalt der Effekte kontinuierlich, aber zu Beginn unterstreichen sie in erster Linie die morbide Atmosphäre, während der Regissuer in der letzten Sequenz trotz der drastischen Bilder noch sehr viel Ungemütliches der Phantasie seiner Zuschauer überlässt. Insbesondere der Kontrast zwischen populären bis schmalzigen Liedern und den dunklen Bildern bleibt dem Zuschauer lange im Gedächtnis. Die Stärke dieser sehenswerten und vor allem ins qualitativ obere Drittel der zweiten Staffel der „Masters of Horror“ gehörenden Folge liegt wie schon mehrfach angesprochen in den exzellenten Schauspielerleistungen, die von Landis sicherem Gespür für eine angemessene und nicht sensationslüsterne Inszenierung unterstützt wird.
Landis ist auf den diversen Extras fast überall vertreten, nur beim Audiokommentar fehlt er. Der vorliegende Kommentar wird ausschließlich vom Drehbuchautor Brent Hanley gesprochen. Unabhängig von diesem Manko begleitet Hanley den Zuschauer sehr gut und sachlich fundiert durch die ganze Entstehungsgeschichte und fügt dem Geschehen auf dem Bildschirm manche Anekdote hinzu. Landis ist dann allerdings in den Featurettes „Skin and Bones: The Making of Family“und „Terror Tracks” vertreten. Zusammen mit den Schauspielern geht Landis sowohl auf die Hintergründe seiner Inszenierung, als auch seine Interpretation der diversen Rollen ein. Dabei bemüht man sich, möglichst wenig über den Plot und die dunkle Pointe zu verraten. Lee Wilson berichtet noch in einem Feature über die verschiedenen CGI-Effekte und zeigt einige Beispiele.
Qualitativ sind die Extras auf dem gleichen hohen Niveau, wie bei den anderen „Masters of Horror“-Folgen. Nur werden diese sehenswerten Extras im vorliegenden Fall auch von einer absolut empfehlenswerten Horrorfolge unterstützt.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (Widescreen anamporh)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1
DVD-Extras:
Audiokommentar, Featurettes