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Sweet, Caitlin: Die Seher der Iben - Die Chroniken von Luhr 1 (Buch)
Caitlin Sweet
Die Seher der Iben
Die Chroniken von Luhr
(A Telling of Stars, 2005)
Aus dem Amerikanischen von Marie-Luise Bezzenberger
Goldmann, 2008, Paperback, 382 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-442-46571-2
Von Britta van den Boom
Die Grundgeschichte des Buchs ist sehr einfach und schnell erzählt und scheint einem aus zahllosen Fantasy-Geschichten mehr als vertraut.
Jaele wächst mit ihrer Familie an einer abgelegenen Küste auf. Eines Tages kommen Meeresräuber zu ihnen und töten nicht nur ihre Eltern und ihren Bruder, sondern lassen auch den Mörder ihrer Mutter zurück. Brennend und blind vor Rachedurst folgt Jaele dem Mann und beginnt so eine sehr lange Reise quer durch die Dschungel, Steppen, Berge und Wüsten des Landes, über das Meer hinaus bis in die Heimat der Räuber.
Es ist nicht nur eine Reise durch die Welt, sondern auch durch die Zeit, denn Jaele folgt genau den Spuren der legendären, ebenfalls Vergeltung suchenden Königin Galha, die einst die Meeresräuber mit einem schrecklichen Fluch belegte. Aber vor allem ist es eine Reise durch das Innere der Hauptfigur, durch ihre verletzten Emotionen und ihre von der Rache bestimmten Gedanken, während der sie gezwungen ist, die gleichen Entscheidungen wieder und wieder zu treffen und selbst zur Gefangenen ihrer Verfolgungsjagd zu werden.
Was an dem Roman von Caitlin Sweet gleich auffällt, ist ihr sehr spezieller Schreibstil, dem sie durch alle Szenen treu bleibt. Meist besteht das Beschriebene mehr aus Assoziationen und Bildern als aus Tatsachen, mehr aus Gefühlen denn aus Geschehnissen, aus Erahntem statt aus Erzählungen. Gerade die Verwirrtheit der oft bis an den Rand ihrer körperlichen und geistigen Kräfte getriebenen Figur Jaele wird so auf sehr nachvollziehbare Weise dargestellt.
An dieser Stelle sei besonders die Übersetzerin gelobt, die mit einem auf solche Art geschriebenen Roman sicherlich weitaus mehr Schwierigkeiten und Möglichkeiten hatte als mit konventionelleren Texten und gewiss viel eigene Poesie und Wortschöpfungskraft in das Buch legen musste, was ihr sehr gut gelungen ist. Zuweilen wird die Fülle von innovativ genutzten Adjektiven und Assoziationen allerdings auch anstrengend, die Worte wirbeln um ihrer selbst willen durch die Geschichte und verstellen immer wieder einmal den Blick auf die Handlung.
Diese ist es auch, die zwischen faszinierend und ermüdend schwankt. Wie bei den meisten Reiseromanen sind die Geschehnisse wie Perlen auf einer Kette aufgereiht und nur verbunden durch die Rachsucht der Figur Jaele, welche sie immer weiter voran treibt, von einem Ort zum anderen, von einer Person zur nächsten. Selten einmal, wie bei der mysteriös bleibenden Figur des zeitweiligen Begleiters und Liebhabers Dorian, kehrt jemand wieder. Meistens tauchen Ort und Menschen nur befristet auf und verschwinden dann. Das ist abwechslungsreich, denn Caitlin Sweet führt den Leser durch große und kleine Städte, zu zauberhaften Orten in Wäldern und unter das Meer, zu seltsamen Reisenden und abgelegenen Völkern, deren völlig andere Denk- und Lebensweise sie gefühlvoll darstellt.
Doch stets weiß man, dass die Hauptfigur weiter ziehen wird und nichts auf ihrem Weg Bestand hat, was dazu führt, dass man die bunte Vielfalt immer weniger ernst nehmen kann, sich auf die Figuren nicht mehr einlassen mag. Und das ist der ermüdende Punkt, der irgendwann Durchhaltefähigkeit beim Leser verlangt: Jaele reist durch die ganze Welt und kommt doch keinen Schritt voran, ist getrieben von ihrer Vergangenheit, und somit ist alles in der Gegenwart von geringem Wert. Das Motiv der Rache überlebt sich im Laufe der Geschichte, und es ist etwas schmerzhaft zu sehen, dass die Figur an allen Erlebnissen nicht zu wachsen vermag.
Hinzu kommt ein ziemlich unwahrscheinliches Band aus Zufällen, das dafür sorgt, dass Jaele die Spur des Meeresräubers nicht verliert. Das Ende des Buchs mit einer Art erleichternden Auflösung lässt vermuten, dass es durchaus die Absicht der Autorin ist, ihre Figur als getrieben, blind vor Rache und unbelehrbar darzustellen, die Reise letztlich als eine lange Katharsis, was ihr sehr gut gelingt – fast zu gut stellenweise. Doch auch wenn gerade der letzte Abschnitt des Buches stellenweise mehr etwas von einem Fiebertraum hat, lohnt es sich insgesamt durchaus, die Geschichte bis zum Ende zu verfolgen.
Die gelegentliche Ungeduld beim Lesen wird durch wunderschöne Bilder und viele Einblicke in das Leben fremdartiger Menschen und Kulturen ausgeglichen.
hinzugefügt: December 1st 2008 Tester: Britta van den Boom Punkte: zugehöriger Link: Goldmann Hits: 2307 Sprache: german
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