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Pohl, Frederik & Kornbluth, Cyril M.: Eine Handvoll Venus (Buch)

Frederik Pohl & Cyril M. Kornbluth
Eine Handvoll Venus
(The Space Merchants, 1952)
Deutsche Übersetzung von Helga Wingert-Uhde, neu durchgesehen und vollständig bearbeitet von Werner Bauer
Heyne, 2008, Taschenbuch, 300 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-453-52394-4

Von Gunther Barnewald

Als in den USA in den 50er Jahren die Kommunistenhatz blühte, erschien dieser SF-Roman, der eine bittere Satire auf den Turbokapitalismus und die damalige McCarthy-Ära darstellt. Frederik Pohl selbst sprach einmal davon, dass einige Autoren sich gezielt in die SF zurückzogen, da McCarthys Anhänger damals die Bibliotheken nach „Nestbeschmutzern” durchsuchten, in ihrem beschränkten Verständnis von Literatur an die pubertär wirkende Science-Fiction aber nicht kontrollierten, da sie diese für eine Spielwiese von Kindsköpfen und unreifen Bekloppten hielten. So konnte „The Space Merchants“ erscheinen, ein Buch, welches heute von der Realität fast schon wieder überholt ist, in vielen Bereichen jedoch einige bittere Wahrheiten vermittelt.


In den zukünftigen USA beherrschen allmächtige Werbetrusts die Wirtschaft und den Menschen. Bürger sind längst zu „Konsumenten” verkommen, die man bedingungslos ausbeuten und manipulieren darf. Nahrungsmittel und Getränke sind mit Drogen versetzt, die dermaßen abhängig machen, dass sie den Verbraucher lebenslang an ein bestimmtes Produkt binden. Menschen, die versuchen, gegen die bestehenden Umstände aufzubegehren, sind in den Untergrund abgetaucht, um dort eine heimliche Opposition zu organisieren. Allein der Verdacht, zu den sogenannten „Consies” (eine deutliche Anspielung auf die in den 50ern in den USA verfolgten Kommunisten, deren Sympathisanten oder vermeintlichen Sympathisanten, kurz „Commies” genannt) zu gehören, ruiniert hier die Karriere und lässt Menschen in Gefängnissen verschwinden, nachdem sie durch die Mangel gedreht wurden von Sicherheitskräften. Jeder gilt als schuldig, so lange er nicht selbst das Gegenteil beweist, was leider allzu oft gar nicht möglich ist (Umkehr der Beweislast nennen die Juristen dies wohl). Die Mächtigen haben die Parole ausgegeben: „Lieber sollen tausend Unschuldige Unrecht erdulden, als dass ein Schuldiger entkommt” (Seite 261). Sich selbst beweihräuchern sie mit dem pervertierten Grundsatz: „Macht adelt. Totale Macht adelt total” (Seite 73).

In dieser Welt lebt Mitchell Courtenay. Er ist Texter einer erfolgreichen und sehr mächtigen Werbeagentur und gilt als kreativer und vielversprechender Kopf. Vom Chef der Agentur Fowler Schocken wird er mit der Werbung für eine gigantische Kampagne beauftragt, welche die Umsiedlung einiger Menschen auf die unwirtliche Venus vorsieht, denn die Erde ist durch die Übervölkerung dabei, aus allen Nähten zu platzen.
Doch kaum hat Courtenay seine Arbeit angetreten, werden zwei Mordanschläge auf ihn verübt, denen er nur mit Glück entkommt.
Kurz darauf wird er niedergeschlagen und entführt, findet sich bald als einfacher Arbeiter auf einer Algenfarm wieder und erfährt, ohne Chance in seine Position zurück zu kommen, erstmals, wie elend es dem einfachen Konsumenten ergeht, dessen Leben längst der Sklaverei gleicht und der keine Chance hat, diesen Zustand jemals zu überwinden.


„Eine Handvoll Venus“ ist auch aus heutiger Sicht noch immer eine treffsichere Satire und bitterböse Abrechnung mit den Auswirkungen unkontrollierten Kapitalismus´. Aktuelles Geschwafel von Politikern, die von den „Selbstheilungskräften des Marktes” schwadronieren, sollte die Lektüre dieses Romans zwangsverordnet werden (vielleicht schickt jemand Friedrich Merz mal ein Exemplar, da George W. Bush wohl sowieso bestimmt des Lesens nicht mächtig ist!).
Schade nur, dass weder die erzählte vorhersehbare Geschichte noch die durchschnittlichen stilistischen Fertigkeiten der Autoren und schon gar nicht die blassen und überaus trivialen Charaktere mit dem inhaltlichen Anspruch des Buchs mithalten können. Das vorhersehbare Happy End untergräbt die Botschaft zusätzlich, denn warum sollte die beschriebene Wirtschaftsdiktatur es zulassen, dass die Rebellen emigrieren und ihr eigenes Süppchen kochen?

So ist „Eine Handvoll Venus“ aus historischer Sicht ein Meilenstein (vor allem auch ein mutiger Roman, denn wären die Autoren damals aufgefallen mit ihrem Werk, wären sie in die Mühlen der damaligen Unrechtsjustiz gekommen und hätten sich eventuell ein Berufsverbot einhandeln können) und aus satirischem Blickwinkel ein Meisterwerk. Literarisch ist es jedoch eher unterdurchschnittlich, was dem aktuellen Lesevergnügen jedoch (vor allem in der aktuellen Wirtschaftskrise!) nur wenig schadet.
Angesichts der gnadenlosen Auswüchse einer erbarmungslosen US-Regierung in den letzten Jahren erscheint vieles, was die Autoren damals auf ihre spitze Feder spießten, heutzutage schon wieder gar nicht mehr so weit weg oder unmöglich. Das Vorgehen der Tabakindustrie in den letzten Jahrzehnten zeigt deutlich, dass nur ein abhängiger Konsument ein braver und loyaler Verbraucher ist, der nach dem Grundsatz der rücksichtslosen Gewinnmaximierung versklavt und ausgebeutet werden muss. Tja, aber wie sagt man so schön: Vertrauen sie auf die Selbstheilungskräfte des Marktes, diese werden alles regeln! Amen!?

hinzugefügt: December 11th 2008
Tester: Gunther Barnewald
Punkte:
zugehöriger Link: Heyne
Hits: 3011
Sprache: german

  

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