Christoph Marzi
Nimmermehr
Heyne, 2008, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 400 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-453-53275-5
Von Carsten Kuhr
Gut ein Jahr ist es her, dass der Heyne Verlag zur Buchmesse 2007 drei Kollektionen auflegte. Neben Joe Hill und Kelly Link wurde auch Christoph Marzi mit einer Sammlung seiner Kurzgeschichten in einer ansprechenden Klappenbroschur-Ausgabe geadelt.
Gut 6 Jahre ist es jetzt her, dass sich, mitten in dem Boom der Völkerromane, die Stimme eines unverbrauchten Autors erhob, die sich anschickte sich mit einer ganz eigenen Schöpfung zu präsentieren. Mit der Trilogie um Emily Laing, der der Autor 2008 einen vierten Band hat folgen lassen, und der märchenhaften „Malfuria“-Trilogie (Arena Verlag) schrieb sich Marzi in die Herzen seiner Leser.
Erst kürzlich teilte er mir mit, dass seine Sammlung von Kurzgeschichten in Kritikerkreisen aber nie die Beachtung fand, wie seine voluminösen Werke. So machte ich mich mit Erwartungen und voller Spannung, was denn nun auf mich zukommen würde, an die Lektüre.
Der Autor unterhält seine Leser, nach einem sehr informativen und augenzwinkernden Vorwort in der er zu jeder Story etwas ausführt, mit einem gar abwechslungsreichen Garn.
Er stellt unter anderem Scarlet, die Hauptperson aus „Somnia“ vor, berichtet von einem Unternehmensberater, dem auf der Busfahrt ins Silicon-Valley das grüne Schleimgrauen begegnet, erzählt eine etwas andere Version von Rotkäppchen und dem Wolf (in dem unsere kleine Enkelin gar nicht so unschuldig wirkt wie in der bekannten Version), lässt einen Sukkubi einen Rechtsanwalt verführen, einen Zigaretten-Tycoon durch militante Nichtraucher entführen und seinem Laster entwöhnen, die Planeten einen Karaoke-Wettbewerb veranstalten, Ragnarök über ein Kaufhaus hereinbrechen, die Kaisergattin zu einem Blutsauer mutieren ...
Der kurzen Aufzählung ist zu entnehmen, dass der Autor ein wahres Füllhorn an Ideen über seinen Lesern ausschüttet.
Dabei wird aber auch deutlich, dass die Stärke Marzis, glaubhafte, sich entwickelnde Charaktere zu kreieren, Platz braucht. Und diesen Raum bieten ihm seine Romane, die Erzählungen sind hier eindeutig zu kurz, als dass er mit seinem Pfund wuchern könnte. Immer dann, wenn er sich mehr Zeit, mehr Platz nimmt, wirken die Geschichten runder, in sich stimmiger.
Kurzgeschichten leben davon, dass sie den Leser mit einer nicht vorhersehbaren Wendung am Schluss fesseln. So manches Mal erfüllt Marzi diese Vorgabe, erstaunlicherweise gibt es aber auch diverse Stories, da ihm dies nicht gelingt.
So bleibt ein doch zwiespältiger Eindruck zurück, der beweist, dass Marzi ein Autor ist, der Platz braucht um seine Gestalten zu zeichnen, seine Handlung einzuführen und seine Leser zu bannen.