Opapatika
Thailand 2007, Regie: Thanakorn Pongsuwan, mit Somchai Kemglad, Shahkrit Yamnarm, Leo Putt u.a.
Von Thomas Harbach
„Opapatika“ ist ein im Jahre 2007 entstandener thailändischer Fantasy-Horror-Film. Thanakorn Pongsuwan konnte den Film nach seinem eigenen Drehbuch inszenieren. Mit Pongpat Wachirabunjong hat das Team einen der kommenden Leinwandstars des asiatischen Landes verpflichten können.
Die Ausgangsidee ist faszinierend, auch wenn der westliche Zuschauer ein wenig staunt, dass die angeblichen buddhistischen Lehren so ausführlich den Thailändern erklärt werden müssen. Neben Sangsethaca (aus Müll und Verfaultem wie ein Wurm geboren), Anthaca (aus dem Ei geschlüpft) und Chalaphucha (im Leib empfangen wie Säugetiere und Menschen) gibt es eine vierte Art der Geburt: die Opapatika. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestatten Wesen, die gegen den buddhistischen Glauben durch ihren Selbstmord geboren worden sind. Die Kräfte, die sie durch ihre Glaubensverachtung erlangen, haben aber einen negativen Effekt auf diese zwischen den Welten lebenden Menschen. Viele ahnen aber nicht, welchen Preis sie für diese Geistesexistenz bezahlen müssen.
Unabhängig von der faszinierenden visuellen Untermalung wird der Zuschauer mit einer Unzahl von Fakten konfrontiert. Ihm gelingt es kaum, die einzelnen Charaktere den jeweiligen Fronten dieses Krieges zwischen den Unsterblichen - oder besser: nicht mehr Lebenden - zuzuordnen. Der übergeordnete Erzähler berichtet noch vom Ausbruch des Krieges unter den Opapatikas, der anscheinend vor vielen Jahren begonnen und inzwischen fast allen die übernatürliche Existenz gekostet hat. Der Erzähler entpuppt sie schließlich als Thuwachit (Pongpat Wachierabanjong), ein bislang loyaler sterblicher Diener eines dieser Wesen. Er dient Sadok (Nirut Sirichanya), der immer schneller verfällt und das Fleisch anderer Opapatikas benötigt, um weiterhin zu „leben“. Thuwachit wird ausgeschickt, die restlichen vier Opapatikas zu fangen.
In einer rasanten Bildfolge stellt der Streifen dem Zuschauer und damit auch Thuwachit die einzelnen vier sehr unterschiedlichen Opapatika vor. Nicht ohne zu enthüllen, das diese Wesen angeblich deutlich böser sind als Sadok selbst. Schließlich handelt es sich ja um keine Menschen, mit denen es Thuwachit zu tun hat.
Seine vier Ziele sind Paisol, ein rücksichtsloser Killer, der aber unsterblich auch die Wunden am eigenen Körper ertragen muss, die er seinen Opfern zufügt; Jiras, der sicherlich mächtigste Opapatika, der seine Unsterblichkeit nicht mehr als Segen, sondern nur noch als Fluch empfindet; Aruth ist ein unbesiegbarer Krieger in der Nacht, aber wie ein Vampir kraftlos im Sonnenlicht und schließlich Ramil, der Kraft seiner Gedanken monströse Wesen heraufbeschwören kann, die seinen Gedankenbefehlen folgen. Thuwachit bekommt mit Techit einen Gedankenleser an die Seite, der gleich zu Beginn des Films Selbstmord begeht, um dank Sadok ebenfalls in einem Opapatika verwandelt zu werden. Thuchawit führt eine paramilitärische Kampfgruppe an, die ihn bei seiner Jagd auf die Wesen unterstützen. Die vier Opapatika verbindet eine geheimnisvolle sehr hübsche Frau namens Pran, wie Techit schnell herausfindet.
Der größte Fehler des vorliegenden Streifens ist die Schwäche des Drehbuchs, das trotz sehr vieler guter und vor allem origineller Ideen zusammengestückelt erscheint. Die grundlegende Idee von Geisterwesen, die ihre Fähigkeiten durch Selbstmord erhalten, ist faszinierend. Die Beschreibungen der vier sehr unterschiedlichen Opapatika gleich zu Beginn des Films ist gelungen. Insbesondere Paisol als masochistischer Killer weckt die Sympathien des Publikums. Pongsuwan hat sich sehr viel Mühe gegeben, die einzelnen Charaktere sehr unterschiedlich zu zeichnen. Die Identifikation von Seiten des Zuschauers gelingt mühelos. Immer wieder stellt Pongsuwan überzeugend heraus, dass die übernatürlichen Fähigkeiten kein reiner Segen sind, sondern ein Fluch. Mit Techit baut das Drehbuch eine Figur auf, die als Mittler zwischen dem Publikum und den Opapatika dienen könnte. Überambitioniert versucht der Drehbuchautor, diese im Grunde schon sehr kompakte und vielschichtige Handlung mit einer zweiten Ebene zu untermauern. Für den Zuschauer steht fest, dass der Selbstmord der Menschen zur Geburt der Opapatika führt und diese Zwischenexistenz eine Strafe für die im buddhistischen Glauben begangene Sünde ist. Sie sind im Grunde unsterblich. Warum aber Sadok ewiges Leben sucht, indem er die anderen Opapatika tötet und ihre Herzen isst, wird vom Drehbuch nicht erklärt. Was unterscheidet Sadoks Existenz von den anderen Opapatika? Hier wäre es absolut wichtig gewesen, Sadok einen anderen Status zu geben. Er hätte durch eine andere Sünde eine Art Zwitterstatus bekommen können, um aus dieser Position heraus nach den richtigen Opapatika zu greifen. Mit einem solchen Plottwist hätte es Pongsuwan auch leichter gehabt, die Diskrepanzen zwischen Schüler und Lehrer in der zweiten Hälfte des Films zu erläutern. Je mehr Techit über seinen „Herren“ und „Meister“ Sadok erfährt, desto mehr distanziert er sich von ihm. In der vorliegenden Fassung gibt es für den Zuschauer keine logischen Begründungen für Techits Verhalten, hier wäre es sicherlich sinnvoller gewesen, den einzelnen Protagonisten mehr „Leben“ zu schenken.
Eine weitere Handlungsidee, die leider im Verlauf des Films verschenkt und ohne Not aufgegeben wird, ist die geheimnisvolle schöne Frau. Zu Beginn des Plots wird sie als Stimme der Vernunft im Chaos des Krieges zwischen den Unsterblichen charakterisiert. Anstatt diese eher oberflächlich gezeichnete Figur weiter auszubauen, überfrachtet Pongsuwan den actionorientierten Showdown des Streifens, in dem er aus ihr einen bizarren und unglaubwürdig gezeichneten Zwitter macht, der bislang nur Schein als Sein gewesen ist. Dem Zuschauer fällt es zu diesem Zeitpunkt schon außergewöhnlich schwer, den einzelnen Entwicklungen des unlogischen Drehbuchs zu folgen, aber eine derartige Wandlung einer zumindest im Hintergrund wichtigen Figur negiert viele gute Ansätze aus dem ersten Drittel des Streifens.
Am Ende des Films schafft es Pongsuwan nicht, die verschiedenen roten Fäden zu ordnen und die Handlung zu einem vernünftigen Ende zu führen. Viele der aufgeworfenen Fragen werden nicht beantwortet und plottechnisch stiehlt sich Pongsuwan im Grunde aus seiner Verantwortung. Zwar hat das Publikum schon lange vor den manchmal sehr eindimensional gespielten Charakteren begriffen, dass Selbstmord eine Todsünde ist und im Grunde keinen Ausweg darstellt, aber es gelingt dem Film nicht, diese Prämisse ohne belehrend zu wirken zufriedenstellend zu vermitteln. Vielmehr wird das Drehbuch auf den letzten Handlungsmetern pathetisch und die wenigen logischen Ansätze verschwinden im Daueractionfeuer.
Während der Drehbuchautor Pongsuwan an seinen Ambitionen scheitert und aus dem vorliegenden Script nach sorgfältiger Überarbeitung die guten Ideen auf mindestens zwei Filme hätte aufteilen können, ist dem Regisseur Pongsuwan ein solides Spielfilmdebüt gelungen. Während der Prolog viel zu hektisch sich dem undurchsichtigen Drehbuch anpasst, sind es die verschiedenen Actionsequenzen, die überzeugen. Von der Logik her sind die Kräfte natürlich von Beginn an sehr ungleich verteilt. Eine Handvoll normal bewaffneter Söldner; ein Anführer, der eher an einen alten Indianer als einen Killer erinnert und ein telepathisch begabter Neu-„Toter“ gegen vier sehr mächtige Wesen. Es ist erstaunlich, dass die Opapatika den Kampf nicht nach wenigen Sekunden schon gewonnen haben. Von ihren Fähigkeiten her dürften sie mit ihren Antagonisten keine Probleme haben. Trotzdem gibt es eine Reihe von blutig, aber gut inszenierten Kämpfen, bei denen Pongsuwan das ganze Spektrum von „Ong Bak“-artigen Faustkämpfen bis zu einer überdeutlichen Hommage an John Woos „A Better Tomorrow“ abarbeitet.
Die eingesetzte Tricktechnik ist beachtenswert und deutlich besser, als in thailändischen Produktionen der letzten Jahre. Aber auch die Stuntmen leisten ihren Teil zum visuellen Erfolg des Streifens. In einem ehemaligen Gefängnis werden die Jäger in eine Falle gelockt, mit Benzin überschüttet und angezündet.
Das Make Up ist überzeugend, insbesondere Paisols im Verlaufe des Films immer mehr vernarbter Körper. In den einzelnen Kampfsequenzen fließt das Blut in Strömen. Manchmal wäre in diesen Fällen etwas weniger mehr gewesen. So schlagen die Männer der militärischen Einheit einen der Unsterblichen zusammen, nutzen aber die Chance nicht, ihn ganz aus dem Spiel zu nehmen. In dieser Sequenz hat der Zuschauer den Eindruck, als weide sich Regisseur Pongsuwan ein wenig zu sehr am Leiden seiner Protagonisten. In den wenigen ruhigen Szenen des Films gelingen Pongsuwan zusammen mit seinem Kameramann einige sehr schöne Aufnahmen. Insbesondere die Hintergründe – so blickt einer der Opapatika während des Sonnenuntergangs von einem Tempel aus über die namenslose Großstadt – sehen teilweise wie gemalt aus und geben dem Film einen surrealen Touch, den die zu komplex gestrickte teilweise unlogische Handlung gleich wieder negiert.
Zusammengefasst ist „Opapatika“ ein klassisches Beispiel für einen Film, dessen Kern aus guten und auch sehenswerten Ideen besteht, der aber hinsichtlich der drehbuchtechnischen Umsetzung auf der ganzen Linie sein Publikum unbefriedigt und stellenweise trotz der Vielzahl von Actionszenen gelangweilt zurücklässt. Der Versuch, eine dunkle und nihilistische Variante zu „X-Men“ oder vielleicht sogar „Matrix“ zu erschaffen, ist leider fehlgeschlagen.
Technisch handelt es sich allerdings um eine schöne Veröffentlichung von Splendid im Rahmen ihrer „Amazia“-Reihe. Das Bildformat 1.78:1 ist passend, die Farben sind extrem kräftig und die Kontraste gestochen scharf. Insbesondere die Nachtszenen überzeugen durch ihre Natürlichkeit. Als Tonspuren werden deutsch und thailändisch mit den entsprechend gut lesbaren Untertiteln angeboten. In Dolby Digital 5.1 sind die Hintergrundtonspuren sehr gut von den Dialogen getrennt und abgemischt. Zu den obligatorischen Extras gehören ein kurzweilig anzuschauendes Making Of, eher belanglose Interviews mit den Schauspielern und der Crew sowie die amüsante B- Roll und der Teaser plus Trailer.
Insgesamt eine technisch ansprechende Präsentation eines Films, der die Erwartungen des Publikums nicht zufrieden stellen kann.
Anmerkung: neben einer gekürzten Fassung (kJ-Freigabe) gibt es eine ungekürzte Fassung (JK-Freigabe).
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, thailändisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch
DVD-Extra:
Making of, Interviews, B-Roll