Die Diebe von Marschan
USA 1951, Regie: Rudolph Maté, mit Tony Curtis, Piper Laurie, Everett Sloane u.a.
Von Thomas Harbach
Mit „Die Diebe von Marschan” legt Koch Media im Rahmen ihrer „1001 Nacht Collection” einen weiteren Streifen mit Tony Curtis und Piper Laurie auf, die in den fünfziger Jahren zu einem neuen Traumpaar aufgebaut werden sollten. Schon in „Der Sohn von Ali Baba” oder auch Filme wie „Das goldene Schwert” ist die Liebe zweier junger Menschen manchen Irrweg gegangen, bevor sie sich nach der „sie küssten und sie schlugen sich”-Manier gefunden haben. Einige Elemente - der dauernde Streit und die wutentbrannten Gewaltausbrüche Piper Lauries - wird der Zuschauer wieder erkennen. Es fehlen überwiegend die Fantasy-Elemente wie das unbesiegbare Schwert und der Helm, der wie in der Nibelungensage unsichtbar macht. Unabhängig davon ist „Die Diebe von Marschan” ein kurzweiliger, sehr bunter Film, der auf biblische Wurzeln zurückgreift.
Der Thornerbe soll von Mogar, einem Meisterdieb, noch in der Wiege ermordet werden, damit der Weg für Mustafa frei ist. Der Dieb täuscht natürlich nur die Ermordung vor und bringt den Säugling nach Hause. Seine Ehefrau nimmt ihn an Kindes Stelle an. Gemeinsam verlassen die drei die Stadt und siedeln sich in einer anderen Stadt des Reiches von Marschan und Tanger an. Das königliche Zeichen - ein goldener Adler - wird fortan von einem Armreifen bedeckt. Die Jahre vergehen und aus dem Thronerben ist der stattliche Julnar (Tony Curtis) geworden, der von seinem Vater, dem Chef der örtlichen Diebesgilde, ausgebildet wird. Das Ziel ist die königliche Schatzkammer, in welche allerdings nur eine weibliche Schlange eindringen könnte. Der Prinz von Algier bittet Mogar um die Hand dessen Tochter und als Zeichen der Verehrung überreicht er Mogars Tochter eine taubeneigroße Perle, die Perle der Macht. Dieser wird ihr in der ersten Nacht von einer schlangen, jungen Frau mit rotem Haar (Piper Laurie) gestohlen. Der Verdacht fällt natürlich gleich auf Julnars Vater. Entweder findet er die Perle und den Dieb und wird dafür reich belohnt oder bei seinem Versagen hingerichtet. Julnas und sein Vater glauben, einen Dieb nur mit einer größeren List als es der Diebstahl dargestellt hat, fangen zu können. Kaum haben sie ihr Opfer in ihrem Gewahrsam, reift in ihnen der Plan, doch die Schatzkammer überfallen zu können. Die junge Frau ist nämlich wendig wie eine Schlange.
Die Handlung des vorliegenden Streifens ist ähnlich wie „Das goldene Schwert” sehr kurzweilig und actionorientiert gehalten. Immer wieder können die Zuschauer vor den farbenfrohen Hintergründen und zwischen den bunten Kostümen die akrobatischen Vorstellungen Tony Curtis’ und Piper Lauries bewundern. Im Gegensatz zu Tony Curtis weiß der Zuschauer, dass er nicht nur ein Dieb, sondern ein Prinz ist. Im Originaltitel wird dieser Widerspruch wunderbar mit den Worten „The Prince wo was a Thief” ausgedrückt. Mit seinen tollkühnen Aktionen reizt er nicht nur die Obrigkeit, die ihn harsch als Gewohnheitsverbrecher bestrafen konnte, sollte seine wahre Identität zumindest den mächtigen Herrschern im Palast bekannt werden, würde er sofort und heimlich hingerichtet werden.
Ganz bewusst stellt das gut geschriebene Drehbuch Tony Curtis vor eine Reihe sehr unterschiedlicher Probleme: zum einen steht er natürlich zwischen zwei Frauen. Die heißblütige, zu Beginn noch sehr kindliche Piper Laurie, die ihm vom ersten Moment an zu lieben scheint und deren Lippen die Küsse Curtis begehren. Das führt neben einigen auf dem Niveau einer Screwball-Komödie sich abspielenden Wortgefechten zu hitzigen Eifersuchtsszenen und schließlich dem obligatorischen Temperament.
Die kalte, berechnende und natürlich dunkelhaarige Tochter des Kalifen sucht in ihrer Arroganz alle Männer um den kleinen Finger zu wickeln und scheint mit dieser sehr direkten Vorgehensmethode auch bei Julnas Erfolg zu haben. Als Person überzeugte Tony Curtis zu Beginn seiner Karriere mehr durch sein gutes Aussehen, als seine Persönlichkeit. Und das Drehbuch ist auch auf diesen Pluspunkt ausgelegt. Zwischen zwei Frauen stehend kann der junge Mann im letzten Moment sich für die wahre Liebe entscheiden.
Das Happy End ist drehbuchtechnisch ein wenig gewagt konstruiert, überzeugt aber rückblickend am ehesten. Die politische Ebene ist schwerer zu greifen. Gleich zu Beginn des Films wird Julnas durch seinen Vater aus dem Palast und aus der Stadt gebracht. Später spielt die Handlung allerdings in der Stadt unterhalb des Palastes und Julnas versucht mehrmals, die Schatzkammer des Tyrannen auszuplündern. Diese zu Beginn aufgebaute räumliche Diskrepanz wird niemals überbrückt. Das Drehbuch macht auch keine Sekunde wirklich klar, ob sich Tony Curtis seiner Herkunft wirklich bewusst ist. Er kennt sein Brandmal und verdeckt es gleich zu Beginn des aktuellen Handlungsbogens mit seinem Armreif. Dass er das markante Zeichen des Königsgeschlechts nicht richtig zuordnen kann, erscheint hinsichtlich der Entwicklung der letzten Minuten undenkbar und unwahrscheinlich. Geht der Zuschauer davon aus, das Julnas von seiner Herkunft wusste, ist die durch einen wirklich verzweifelten Zufall beginnende Revolution des Volkes noch unwahrscheinlicher. Immerhin wird der potentielle Thronräuber von Palasttruppen beim Einbruch in die Schatzkammer erwischt. In seiner Begleitung eine Handvoll Schakale (sie erinnern an die alten vierzig Räuber aus „Der Sohn von Ali Baba”), Straßenräuber, Bettler und gleichzeitig Revolutionäre des Volkes. Hier werden einfach Teile des früher entstandenen Films kopiert und leider zu wenig extrapoliert. Von einer Revolution des einfachen Volkes zu sprechen, um einen politisch ebenso starken, aber charakterlich über jeden Zweifel erhabenen Prinzen zu krönen, könnte einen restaurativen, erzkonservativen Charakter haben.
Außerhalb der Feststellung des neuen Status Quo - in welchem ein Dieb auf einen Feigling aufpasst, der wiederum die Schatzkammer verwaltet - bleibt der Plot in politischer Hinsicht comicartig und oberflächlich. Viel interessanter und lebhafter wird der vorliegende Streifen, wenn die verschiedenen Tricks der Diebe - eine zeitlose Faszination - gezeigt werden. Dabei konzentriert sich der Film auf die beiden wichtigsten Protagonisten, die sich in nichts nachstehen. Im Nachspann wird auf eine literarische Vorlage von Theodore Dreiser hingewiesen, der wahrscheinlich nur eine grobe Idee für das Drehbuch geliefert hat.
Der Film schwelgt im positiven wie negativen in den Klischees des Genres und fügt dem Canon der „Arabischen Nächten” nichts Neues hinzu. Unabhängig von seinen drehbuchtechnischen, schon angesprochenen Schwächen überzeugt der Streifen allerdings durch eine rasante, teilweise allerdings die Logik auf den Kopf stellende Inszenierung und solide Schauspieler in den Nebenrollen. Das beginnt bei Peggie Castle als Tochter des falschen Herrschers oder Everett Sloane als anfänglicher Meuchelmörder Mokar, der schließlich doch das Herz an der rechten Stelle trägt und vor allem immer wieder versichert, dass er ein ehrenwerter Dieb, aber kein Mörder ist bis zu Jeff Corey, der im ersten Drittel des Films sehr gut den harten, aber nicht unbedingt über das Normale hinausgehenden brutalen Herrscher mimt.
Der Regisseur Rudolph Maté hat beim Schnitt des Films die Handlung außergewöhnlich gut mit Hans J. Salters ins Ohr gehender Musik kombiniert. Bei einigen anderen Filmen der „1001 Nacht”-Collection erdrückte die Musik teilweise jegliche Stimmung.
Zu den Höhepunkten des Streifens gehören die beiden von Piper Laurie gut ausgeführten beziehungsweise eingeleiteten Diebessequenzen, die viel von anderen Caperfilmen wie „Topkapi” oder auch „Riffifi” vorwegnehmen. Aus heutiger Sicht wirken Piper Lauries emotionale und teilweise natürlich unbegründete Wutausbrüche kindisch, aber wenn der Zuschauer ihre Akrobatik auf dem Marktplatz sieht, um die Aufmerksamkeit der Marktkunden von Julnars bloßem Reklametrick abzulenken, kann der Zuschauer auch heute, fast sechzig Jahre nach dem Entstehen des Films, immer noch staunen.
Rudolph Maté unterstreicht an vielen Stellen sein gutes Auge für den Augenblick, für den Zauber der Geschichten aus 1001 Nacht, die er über nur ungenügend umsetzen kann. Selbst die „Perle der Macht” verkümmert in diesem Auenblick zu einem MacGuffin, da jeder sie haben möchte, jeder über ihre Geschichte staunt, aber sie die Handlung im Grunde nicht vorantreibt. Immerhin will der Prinz von Algier wegen ihres Verschwindens die Stadt Marakesh dem Erdboden gleichmachen.
Zusammengefasst ist „Die Diebe von Marschan” einer der Filme, der etwas besser als
einige andere Abenteuerstreifen der vierziger und fünfziger Jahre gealtert ist. An den Bauchtänzerinnen und Piper Lauries Akrobatik kann man sich noch heute sattsehen. Die Mädchen und Frauen werden Tony Curtis extrem sportliche Figur bewundern und die Handlung ist nicht sonderlich anspruchsvoll, aber zumindest konsequent und sehr kompakt erzählt. Auf der anderen Seite wirkt Piper Lauries ständiger Kussmund ein wenig zu aufdringlich und in einigen gefährlichen Situationen unangebracht. Aber gemeinsam zeigen Tony Curtis und Piper Laurie, dass ein Mann nur ein Mann ist, wenn die richtige Frau an seiner Seite regiert. Und dass rote Haare für ein übermäßiges Temperament stehen, braucht dem Publikum nicht weiter erläutert werden.
Wie alle Filme dieser Kollektion haben sich Universal und Koch Media hinsichtlich der Restauration alle Mühe gegeben. Das Bild ist farbenprächtig und bunt, die Kontraste sind scharf und die Nachtszenen überzeugen durch ihre Kontraste. Nur an einigen wenigen Stelen ist eine leichte Kompression zu erkennen und nicht jede Beschädigung des Originals ist komplett ausgebessert worden. Als Tonspuren werden in Dolby Digital 2.0 die englische als auch die deutsche Synchronisation angeboten. Obwohl sich die Originalspur empfiehlt, ist auch die deutsche Tonspur hörenswert. Zu den Extras gehören der Originalkinotrailer, in dem immer wieder das neue Traumpaar Curtis/Laurie in den Vordergrund gestellt wird, sowie eine Bildergalerie mit seltenem Kinowerbematerial, Kinozeitschriften und schließlich den Starportraits natürlich von Piper Laurie und Tony Curtis.
„Die Diebe von Marschan liegt als weltweit erste DVD Veröffentlichung vor.
DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (1.37:1 (4:3)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0
Untertitel: Fehlanzeige
DVD-Extra:
Bildergalerie