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Nestvold, Ruth: Flamme und Harfe (Buch)

Ruth Nestvold
Flamme und Harfe
(Flame and Harp)
Aus dem Amerikanischen von Marie-Luise Bezzenberger
Penhaligon, 2009, Hardcover, 704 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3017-4

Von Irene Salzmann

Geschichten aus dem Sagen-Reigen, der sich um König Artus und die Ritter der Tafelrunde rankt, faszinierten schon immer die Fantasy-Autoren. Auch die Motive aus „Tristan und Isolde“ lieferten öfters die Grundlage für romantisch-tragische Erzählungen, z. B. für Diana L. Paxsons „Der Zauber von Erin“.
Wo die Sage ihren Ursprung nahm, ist nach wie vor strittig. Dafür, dass „Tristan und Isolde“ keltische Wurzeln haben, spricht der Fund einer Stele aus dem 6. Jahrhundert in Cornwall mit der Inschrift „DRVSTANVS“. Allerdings sind auch Quellen von germanischer und sogar orientalischer Herkunft bekannt, die von späteren Dichtern (Thomas von England, Chrétiens de Troyes, Gottfried von Straßburg u. a.) ebenfalls benutzt wurden, um das Drama um die beiden Liebenden zu rekonstruieren.
Nun griff die amerikanische SF- und Fantasy-Autorin Ruth Nestvold, die seit einigen Jahren in Deutschland lebt, diesen Stoff in ihrem neuen Roman „Flamme und Harfe“ auf.


Yseult die Weise und ihre Tochter Yseult die Schöne sind die mächtigsten Fürstinnen Irlands, doch ihr Einfluss sinkt, da sich die Menschen von der alten Religion abwenden und das Christentum annehmen, das die Rechte der Frauen beschneidet und die Dominanz der Männer legitimiert. In Konsequenz erkennt Hochkönig Lóegaire die Scheidung nicht an, die Yseult die Weise als Königsmacherin fordert, um künftig Crimthann zu unterstützen, der ihr geeigneter für dieses Amt scheint.
Nach heftigen Scharmützeln kann Lóegaire beide Yseults in seine Gewalt bringen. Yseult die Schöne soll mit Marcus Cunomorus von Britannien vermählt werden, um ein Friedensabkommen zu besiegeln. Sowohl die Erainn als auch die Briten leiden unter den Machtkämpfen der Stämme, so dass beide Reiche davon profitieren würden, wenn die ständigen Überfälle auf die Ortschaften an den Küsten aufhörten.
Yseult ist entsetzt. Sie will nicht in ein unbekanntes Land geschickt werden und einen Fremden heiraten, von dem man wenig Gutes hört. Obendrein gehört ihr Herz längst einem anderen. Zwar hatte Yseult Drystan, der wegen einer Wunde in ihrem Haus gepflegt wurde, fortgeschickt, nachdem heraus gekommen war, dass er ihren Onkel in einem Zweikampf getötet hatte, doch ausgerechnet Drystan, Sohn des Marcus, ist ihr Begleiter auf der Überfahrt – und die Liebe überwindet den Hass.
Heimlich setzen die beiden ihre Beziehung fort, die schließlich von einem Sohn gekrönt wird. Drystan fleht Yseult an, mit ihr zu fliehen, doch dann würde Kustennin als Bastard aufwachsen und niemals den Rang erhalten können, der ihm zusteht. Arthur, der Favorit des Ambrosius, ist das beste Beispiel dafür, dass der Herkunft mehr Bedeutung zugemessen wird als den Fähigkeiten eines Menschen.
Und dann ist es auch schon zu spät: Die Liebenden werden verraten, und Marcus will sie töten lassen…


Die Geschichte ist hinreichend bekannt, und jeder ist mit ihrem Ausgang vertraut. So bleibt der Autorin nur, durch viel schmückendes Beiwerk die Handlung interessant zu gestalten und immer wieder Hoffnung zu wecken, dass das Ende vielleicht doch nicht exakt der Vorlage entspricht. Immerhin haben sich auch schon andere Autoren oder Regisseure Abweichungen gestattet, die dem Publikum gefälliger waren. Nicht so Ruth Nestvold.
Sie folgt der Tradition, die von Marion Zimmer Bradley mit „Die Nebel von Avalon“ begründet wurde, und verfasste einen phantastisch-romantischen Historienroman, der eine unerfüllbare Liebe in den Mittelpunkt stellt, die eingebettet ist in einen geschichtlichen Kontext, der ihr viel Raum für Spekulationen lässt und nur so viele Fantasy-Elemente integriert, dass der Roman für die Leser der Allgemeinen Reihe genauso reizvoll klingt wie für eingefleischte Genre- und Artus-Fans.
Ebenfalls ein wichtiges Anliegen, denn Mädchen und Frauen ab 15 Jahren stellen die größte Leserschaft, sind feministische Themen, die jedoch sehr behutsam eingebunden werden, schließlich gibt es auch ein sehr konservatives Publikum: der Übergang vom Mutter- auf das Vaterrecht, die systematische Entmachtung der Frau in ihrer Rolle als Priesterin, Königin, Ehefrau und Mutter, ihre Reduzierung von einer gleichberechtigten Kriegerin und gebildeten Herrin eines Hauses zur devoten Gebärmaschine und Haushälterin ihres Mannes, der alle Gewalt über sie und die gemeinsamen Kinder hat.
Beleuchtet werden die äußeren Umstände, die diesen Wandel ermöglichten. Die römischen Truppen hatten sich zurückgezogen, und einige Wenige betrachteten sich als die Bewahrer der fortschrittlichen Kultur. Nach den Römern kamen die christlichen Missionare, die dem alten Glauben ein Ende bereiteten, da die neue Religion gerade der breiten Masse ein besseres Leben in Aussicht stellte. Überfälle von Drittvölkern (Iren, Scoten, Pikten, Sachsen…) sorgten für Angst und Schrecken. Um eine Ordnung in diesen Wirrwarr zu bringen, wurde nach einem starken, charismatischen Mann, einem Heerführer und Hochkönig, verlangt, dem die meisten Gruppen folgen mochten.

In dieser Zeit des Umbruchs spielt „Flamme und Harfe“. Yseult die Schöne ist eine junge Frau, die mit den Traditionen ihres Volkes aufwuchs und miterleben muss, wie alte Werte durch neue ersetzt werden. Sie wird in ein anderes Umfeld gezwungen, wo die Entwicklung schon um einiges weiter gediehen ist und sie sich zurückhalten muss, um jene zu schützen, die sie liebt. Die Selbständigkeit und das Selbstbewusstsein von Yseult sind jedoch nicht beispielhaft, da sie ihre Möglichkeit ihrer herausragenden Position und dem Geburtsrecht verdankt.
Von Drystan kann sie keine Unterstützung erwarten, denn er steht mit beiden Beinen fest in einer Männerwelt von römisch-christlichem Gepräge. Während Yseult vor allem an andere denkt, möchte Drystan selbstsüchtig den Weg gehen, der für ihn am bequemsten ist, sei es, dass er seine Geliebte zur Flucht drängt und den gemeinsamen Sohn aufgeben würde, sei es, dass er Vergessen im Kampf oder bei einer anderen Yseult sucht.
Die christlichen Priester und Missionare werden überraschenderweise als uneins in so manchen Dingen geschildert, da die Autorin es vermeiden möchte, alle über einen Kamm zu scheren und einer Religion allein den Untergang früherer Kulturen und Werte anzulasten. Manche der bekennenden Christen zeigen sich tolerant und sehen, dass auch ihre Regeln Fehler haben; die anderen geben sich radikal und erheben ihre Prinzipien zu Dogmen – wie es heute und in vielen Religionen immer noch Gang und Gäbe ist.

Yseult und Drystan sind die Hauptfiguren des Romans. Weitere wichtige Rollen werden von den Menschen ihres unmittelbaren Umfelds bekleidet. Arthur und seine Ritter tauchen zwar auf, sind aber nur in die grobe Rahmenhandlung involviert. Alle Protagonisten sind detailreich mit Stärken und Schwächen aufgebaut und erfüllen eine Funktion.
Die Handlung ist weitschweifig angelegt, so dass sie hin und wieder schon einige Längen aufweist. Die Kampfhandlungen und spannenden Momente treten jedoch in den Hintergrund zugunsten der Romanze und großer Gefühle.
Der Roman ist routiniert und flüssig geschrieben, die Autorin verzichtet auf gewagte Experimente, und so wird der Titel zweifellos seine Fans finden.

Themen, Aufbereitung und Stil entsprechen dem Mainstream, der die Verkaufszahlen nach oben schnellen lässt. Vor allem romantische Leserinnen, die schon die „Artus“-Trilogie von Gillian Bradshaw, Diana L. Paxsons „Die Töchter der Nibelungen“ oder den „Merlin“-Zyklus von Mary Stewart u. ä. Romane begeistert lasen, werden ihre Freude an „Flamme und Harfe“ haben.

hinzugefügt: February 13th 2009
Tester: Irene Salzmann
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