Brigitte Melzer
Wolfsgier
Titelillustration von Larry Rostant
Ueberreuter, 2009, Paperback, 366 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-8000-5447-3
Von Carsten Kuhr
In ihrem neuesten Werk entführt uns Brigitte Melzer ins England des Jahres 1886. Eine junge Frau, Emma Gordon genannt, steht im Zentrum des Geschehens.
Vor Jahren hat sie ihr Vater, der im heimatlichen Dartmoor als Verwalter tätig ist, aus den Armen ihres nicht standesgemäßen Galans gerissen, und ihrer Tante übergeben. Schon vorher musste sie hilflos mit ansehen, wie ihre Mutter grausam ermordet wird, und hat seitdem die traumatischen Ereignisse weitestgehend verdrängt.
Mittlerweile, Anfang Zwanzig, hat sie die Ballsäle Londons erobert, ein Verlobter - natürlich eine gute Partie - hat um ihre Hand angehalten, alles könnte rosarot sein, wenn sie nicht seit ein paar Wochen Alpträume plagen würden. Ihr Arzt verordnet ihr Laudanium, dann Morphium, doch nichts scheint ihre Anfälle lindern zu können. So wird die junge Frau in Bedlam, der berühmt-berüchtigten Heilanstalt Londons, eingeliefert.
Nach ihrer Flucht will sie ihren Visionen endlich auf den Grund gehen. Kaum nach Hause zurückgekehrt, stößt sie auf eine Mauer des Schweigens. Eine Bestie geht um in Dartmoor, ein Monstrum, das nur mit Opfern gnädig gestimmt werden kann, die bislang aus der Mitte der Dorfbewohner ausgewählt wurden. Doch jetzt hat die Bestie ein neues Wild auserkoren – Emma soll dem Monstrum offeriert werden. Wird der von ihrer Tante beauftragte Privatdetektiv sie retten können, und wer verbirgt sich nur hinter dem abstoßenden Äußeren des Killers?
Brigitte Melzer hat seit ihrem Debüt mit „Whisper – Königin der Diebe“, mit dem sie die Jury des Wolfgang Hohlbein Fantasy Preises überzeugen konnte, eine steile Autorenkarriere hingelegt. Mit ihrer Vampyr-Trilogie (ebenfalls bei Ueberreuter) konnte sie insbesondere bei Anhängern einer Stephanie Meyer punkten, verband sie doch das besondere Flair des schottischen Hochlandes mit dem erotischen Charme der Nosferatu.
Dieses Mal, der interessierte Fan und Leser wird es anhand des Titels bereits ahnen, nimmt sie sich einer anderen, phantastischen Spezies an. Nach einem furiosen Prolog, der den Leser gefühlvoll auf den Inhalt einstimmt, passiert aber zunächst einmal wenig. Wir lernen Emmy kennen, beobachten sie im Drogenrausch, während sie in der Irrenanstalt versucht sich zu erinnern, wer sie ist, und wie sie überhaupt hier hinkommt.
Erst, nachdem ihr die Flucht gelingt und sie in ihre Heimat zurückkehrt beginnt das Tempo zuzunehmen. Vieles ist insbesondere für erfahrene Phantastik-Leser vorhersehbar, das große Feuerwerk bleibt leider ein wenig aus. Durch ihren gefälligen, unspektakulären Stil gestaltet sich die Lektüre jedoch flüssig und leicht.
Letztlich legt die Autorin eine versiert erzählte Geschichte vor, die sich gängiger Vorbilder bedient, die kurzweilig unterhält, die aber noch nicht das volle Potential Melzers, das nur selten wirklich aufblitzt, offenbart.