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Meyer, Stephenie: Seelen (Buch)

Stephenie Meyer
Seelen
(The Host, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Katharina Diestelmeier
Carlsen, 2008, Hardcover, 862 Seiten, 24,90 EUR, ISBN 978-3-551-58190-7

Von Irene Salzmann

Die „Seelen“ sind intelligente Lebensformen aus dem All. Sie wollen die Welten, die sie besuchen, erforschen und ihnen Frieden und Fortschritt – in ihrem Sinn – bringen. Dabei verbinden sie sich mit einem Wirt, dessen Persönlichkeit unterdrückt bzw. ausgelöscht wird. Bis zum Tod des Wirts identifiziert sich die Seele mit ihm; dann zieht sie weiter zum nächsten Körper oder zu einem anderen Planeten.
Schließlich gelangen die Seelen auch auf die Erde und übernehmen dort die ganze Bevölkerung, von einzelnen Widerstandsgruppen einmal abgesehen. Die letzten freien Menschen würden lieber sterben, als ihre Körper den Invasoren zu überlassen. Auch Melanie versucht, sich zu töten, als man sie aufspürt. Den Heilern der Seelen gelingt es jedoch, sie zu retten und ihr einen der ihren einzupflanzen.
Wanderer hat schon viele Welten bereist. Dies ist bereits ihr neuntes Leben, aber etwas ist anders als sonst. Melanies Bewusstsein verschwindet nicht – im Gegenteil: Hartnäckig bleibt sie in Wanderers Gedanken und verheimlicht ihr wichtige Informationen. Nach und nach kann Wanderer Melanie dieses Wissen entlocken und erfährt, dass sich irgendwo Jamie, Melanies Bruder, Jared, der Mann, den sie liebt, und vermutlich einige andere verbergen.
Längst ist Wanderer neugierig geworden, denn sie vermag sich nicht den starken Gefühlen zu entziehen, die Melanie ihren Gefährten entgegenbringt. Statt die Widerstandsgruppe auffliegen zu lassen, lässt sich Wanderer von Melanie zum Versteck führen und begibt sich freiwillig in die Hand einiger Männer und Frauen, die ihr zunächst mit Misstrauen, Angst und sogar Hass begegnen.
Melanies Onkel Jeb verhindert, dass man sie tötet, und auch Jared kann den Feind, der den Körper seiner Melanie benutzt, nicht erschießen, obwohl er die Seelen und Wanderer hasst. Schließlich ist es Jamie, der die Brücke zwischen den Menschen und den Fremden schlägt: Er erkennt, dass Melanie immer noch in ihrem Körper ist, aber er beginnt auch, Wanda, wie alle die Seele nun nennen, zu mögen, da sie anders ist als jene Wesen, mit denen sie es bisher zu tun hatten. Und dann ist da auch noch Ian, der nicht Melanie sondern Wanda liebt…


Durch ihre „Twilight“-Romane und deren Verfilmung konnte Stephenie Meyer eine große Fangemeinde gewinnen. In Folge kommen auch ihre nächsten Bücher sehr schnell auf den Markt – doch wer erwartet hat, dass „Seelen“ in der Tradition ihrer Bestseller geschrieben ist, wird seine Erwartungen nur zum Teil erfüllt sehen.
Zwar bleibt die Autorin mit „Seelen“ dem phantastischen Genre treu, aber statt dem Horror beziehungsweise der Romantic Mystery wendet sie sich nun der romantischen SF zu. Erneut wird eine komplizierte Beziehung in den Mittelpunkt gestellt und Action bzw. eine spannende Handlung durch tiefe Gefühle und die Weiterentwicklung der Charaktere ersetzt. Der Band erscheint bei Carlsen als Jugendbuch, versteht sich aber als All-Age-Titel, da in erster Linie junge Erwachsene agieren, mit denen sich Leser und mehr noch Leserinnen ab 14 Jahren identifizieren können.
Vermutlich hätte „Seelen“, wäre es vor der „Twilight“-Serie erschienen, keinen Hype ausgelöst und hätte auch nur wenig Beachtung erfahren, denn die Invasoren, die wie „Die Dämonischen“ bezeihunsgweise ihre Entsprechungen im Remake „Die Körperfresser kommen“ (es gibt sogar einige Anspielungen auf den Film) von der Erde Besitz ergreifen, sind weit weniger für romantische Phantasien geeignet als die momentan überaus beliebten Vampire und Werwölfe. Hinzu kommt, dass „Seelen“ nicht nur lang sondern leider auch langatmig ist – und man muss diese handlungsarmen Romane, die sich vor allem auf das ‚Seelenleben’ einer Person konzentrieren, einfach mögen, um ihnen etwas abgewinnen zu können.

Gerade jüngere Leser (die eventuell nicht mit den genannten Filmen vertraut sind und deswegen auch keinen Aha-Effekt verspüren) dürften sich eingangs schwer tun, bis sie in das Szenario hinein finden und verstehen, worum genau es geht. Das erste Drittel des Buchs beschreibt häppchenweise das Setting, stellt die Invasoren und ihre Ziele vor, schildert den Kampf zwischen Melanie und Wanderer um den Körper, den sie von nun an teilen müssen. Während in Wanderer bislang unbekannte Gefühle und Zweifel erwachen, lernt Melanie, die Seelen differenzierter zu sehen.
Vorübergehend mehr Schwung erfährt die Handlung im mittleren Teil, nachdem Melanie/Wanda Kontakt zur Widerstandsgruppe aufgenommen hat. Erst ist sie Gefangene, dann erlangt sie innerhalb der Gruppe eine Art Existenzberechtigung, und schließlich wird sie zur Freundin. Glaubwürdig wird erzählt, welchen Ressentiments Wanda ausgesetzt ist, wie sie selber unter den neuen Erkenntnissen leidet, als sie begreift, was ihre Art den Menschen angetan hat. Die Beziehungen zu den einzelnen Mitgliedern sind sehr verschieden und entwickeln sich weiter. Allerdings wird hier bereits deutlich, dass auch weiterhin die Handlung an sich eine untergeordnete Rolle spielen und der eigentliche Höhepunkt die Liebe zwischen Melanie und Jared bzw. Wanda und Ian sein soll, was insofern pikant ist, da sich die weiblichen Bewusstseine einen Körper teilen, was natürlich die Eifersucht untereinander und zwischen den Männern schürt.
Im letzten Drittel wird das Versteck der Widerstandsgruppe aufgespürt, und ein Befreiungskampf ‚im Kleinen’ beginnt. Außer Wanda gibt es weitere Seele, die ihre Sichtweise geändert haben und den Menschen helfen. Sie möchte überdies Melanie frei geben. Allerdings ist Ian nicht der Einzige, der das verhindern will… So wird ein Funke Hoffnung gesät, dass die Menschheit das Joch der Invasoren - durch die sie etwas gelernt hat, denn es fielen regelmäßig kritische Worte hinsichtlich der aktuellen Situation (Kriege und Gewalt, Krankheit und Armut, Klimawandel und gesellschaftliche Probleme etc.) -, langfristig abschütteln und es eine Koexistenz geben kann.


„Seelen“ ist durchaus im Stil der „Twilight“-Romane geschrieben, die gleichfalls recht weitschweifig die Konflikte und Gefühle der Protagonisten schildern und die Handlung hinten anstellen. Das Thema ist diesmal um einiges komplexer und verlangt dem Publikum mehr Ausdauer ab. Die Protagonisten sind sehr sorgfältig aufgebaut, wirken sympathisch und haben nachvollziehbare Motive. Schätzt man ‚große Gefühle’ und braucht nicht unbedingt einen spannenden Plot, dann darf man dem Roman durchaus eine Chance geben. Legt man außerdem Wert auf packende Verwicklungen und Action, wird man das Buch vielleicht als zu einseitig, eintönig und handlungsarm empfinden.

Die Gestaltung ist ansprechend: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, dünnes, aber gutes Papier, sauberer Druck. Für den Umschlag haben sich die Designer etwas Besonderes einfallen lassen, denn der Titel ist erhaben gedruckt, und um die Iris des Auges reflektiert ein Ring aus Metallicfolie das Licht. Um das zu sehen, muss man das Buch allerdings im richtigen Winkel halten. Ansonsten wirkt das Cover eher schlicht und seriös.

Man sollte ein wenig in „Seelen“ blättern, um entscheiden zu können, ob das dicke Buch wirklich die richtige Lektüre ist. Die bedingt positiv besetzten ‚Bodysnatchers’ sind nun mal trotz aller Charakterentwicklung und Beziehungsdramatik keine verliebten Vampire, und für einen Endzeit-SF werden einfach zu wenig Hintergrund und Handlung geboten.

hinzugefügt: February 27th 2009
Tester: Irene Salzmann
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