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Meyer, Kai: Frostfeuer (Hörbuch)

Kai Meyers
Frostfeuer
Gelesen von Katharina Thalbach
Hörcompany, 5 CDs, ca. 22,90 EUR, ISBN 9783935036788

Von Carsten Kuhr

Hat Kai Meyer bislang im Jugendbuchbereich ausschließlich Mehrteiler vorgelegt, so betritt er diesmal mit „Frostfeuer“ Neuland. Ein Stand-Alone-Roman ohne Fortsetzung, noch dazu ein relativ kurzes Hörbuch, erwartet den Leser. Auch eine Hommage an den Dänen Hans Christian Anderson, dessen Geburtstag sich im H.C. Anderson Jahr 2005 zum 200 Mal jährte, sollte es werden, und so nutzt Meyer das Motiv der Schneekönigin als Ausgangspunkt seiner Erzählung.


Wir befinden uns in Sankt Petersburg des 19. Jahrhunderts. Maus, unsere jugendliche Protagonistin, putzt die Schuhe der Gäste des Luxushotels Aurora. Als Mädchenjunge - die Gäste könnten ja an einem schwer arbeitenden Mädchen Anstoß nehmen - ist sie der Verachtung der anderen Bediensteten des Aurora ausgesetzt. Nur der Eintänzer, ein ehemaliger Lehrer, mag sie, und bringt dem intelligenten Kind Lesen und Rechnen bei. In einem Versteck tief im hintersten Weinkeller hat Maus sich ihr Refugium geschaffen. Hier deponiert sie die Beute ihrer kleinen Diebstähle, hier verkriecht sie sich mit ihren Büchern und Träumen vor den Anfeindungen der Welt. Alles ändert sich, als eines Tages eine grellbunt gekleidete Dame das Aurora mit ihrem Besuch beehrt. Tamsin gelang es, zusammen mit ihrem Vater der dabei getötet wurde, der Schneekönigin einen Teil ihres kalten Herzens zu stehlen. Nun kommt es im Aurora zum Aufeinandertreffen zwischen ihr und der scheinbar allmächtigen Herrscherin über das Reich der Kälte, die mit allen Mitteln versucht, ihren Herzenssplitter zurückzubekommen. Doch was hat ein stummer Junge in Begleitung der Schneekönigin mit der Angelegenheit zu tun? Als das Hotel aufgrund eines Vorbeirittes des Zaren geräumt wird, kommt es zum Kampf der beiden mächtigen Frauen - und Maus übernimmt dabei eine entscheidende Rolle.


Anders als in seinen bisherigen Romanen - allen voran die sensationelle „Merle“-Trilogie - beginnt dieses Buch recht bedächtig. In einer aus Märchen erinnernden Sprache und einem entsprechenden Aufbau nimmt uns der Autor zunächst für seine Hauptperson ein. So dominierend die beiden großen Gegnerinnen - die Schneekönigin und Tasmin - auch sind, die eigentliche Heldin der Buches ist zu jeder Zeit unsere bemitleidenswerte Maus. Woher kommt sie, wer ist sie, was soll aus ihr werden - alles Fragen, die sich ihr und damit uns stellen. Behutsam lernen wir ihre kleinen Geheimnisse kennen, werden immer vertrauter mit der sympathischen, sich selbst gegenüber unsicheren Maus. Zusammen mit ihr bestehen wir erste Auseinandersetzungen, wachsen anhand der Prüfungen und Anfeindungen, derer sie ausgesetzt ist. Dabei ist zunächst noch wenig, fast nichts von Magie zu spüren. Der Autor porträtiert uns eine verschüchterte, ängstliche aber auch entwicklungsfähige Heldin. Erst als sie sich vereinnahmen lässt, in die Auseinandersetzung der beiden Gigantinnen einzugreifen, kommen fast unmerklich erste phantastische Sequenzen. Sie lernt den Jungen, der in Begleitung der Eishoheit unterwegs ist kennen, und erfährt, dass dieser in Wirklichkeit ein verzaubertes Rentier ist. Der Spaziergang von Maus an der Decke der Suite der Schneekönigin zählt in der Folge zu den beeindruckendsten, gleichzeitig aber auch überzeugendsten Schilderungen des Buches.
Maus selbst in innerlich hin- und hergerissen. Sie ist im Zweifel, auf wessen Seite sie in das Geschehen eingreifen soll, wechselt, für die Leser jederzeit nachvollziehbar die Fronten, wird nicht nur von der Schneekönigin sondern auch von dem einzigen Freund ihres jungen Lebens verraten und enttäuscht. Es ist ein Wunder, dass sie angesichts der Fährnisse nicht den Mut verliert, aktiv einzugreifen. Ähnlich wie die meisten Meyer'schen Protagonisten aber ist auch Maus eine Person, die wachsen kann, die bereit ist, für ihre Überzeugungen Opfer zu bringen und ihr Potential zu entwickeln, auch wenn dies bedeutet, die scheinbare Sicherheit des Gewohnten aufzugeben. Insoweit ist „Frostfeuer“ auch eine Aufforderung an jeden Leser sich seiner Verantwortung zu stellen, und ein mehr als würdiger Preisträger des Corine Preises 2005.

Katharina Thalbach liest das Werk in einer sehr getragenen, fast an eine Märchenerzählerin erinnernden Sprache. Dies wirkt gerade bei dem Inhalt, der dieses Mal doch stark an entsprechende Werke Andersons angelehnt ist, sehr stimmig, verzaubert den Hörer und entführt ihn in eine weiße Welt des Ewigen Winters.

hinzugefügt: March 3rd 2009
Tester: Carsten Kuhr
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