Brian K. Vaughan, Tony Harris, Tom Feister, JD Mettler u. a.
Ex Machina 1
Die ersten hundert Tage
(Ex Machina Vol. 1: The First Hundred Days (1 - 5), DC/Wildstorm, 2007)
Aus dem Amerikanischen von Claudia Fliege
Titelillustration von Tony Harris
Panini, 2007, Paperback, 146 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978–3–86607–361-6
Von Britta van den Boom
New York im Jahre 2002. Bürgermeister Hundred und seine Mitarbeiter regieren eine Stadt voller Schwierigkeiten. Nicht nur ist der Schock über das Attentat vom 11.September nach wie vor präsent, auch kleinere Katastrophen halten sie in Atem: ein missglücktes Attentat auf den Bürgermeister, ein allzu provokantes Gemälde in einer Ausstellung und eine Schneekatastrophe, die einen Mörder auf den Plan ruft.
Für einen Comic wäre so ein Szenario ungewöhnlich, denn der Blick hinter die Kulissen der Regierung einer großen Stadt, über Intrigen und die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, die mit Sicherheit nicht allen gefallen werden, ist nicht gerade der Stoff, aus dem die meisten Graphic Novels geschnitzt sind. Doch wenn der Bürgermeister früher ein Superheld war, der legendäre ‚Great Machine’, der mit jeglicher Technik kommunizieren kann und dem es sogar gelang, einen Teil des World Trade Centers zu retten, dann sieht die Sache gleich ganz anders aus.
Oder?
Natürlich ist die Superhelden-Vergangenheit von Bürgermeister Hundred ein spannender Aufhänger für die Geschichte, gerade auch weil es sich bei ihm die meiste Zeit nicht um den strahlenden Retter handelte, sondern um jemanden, der beim Versuch Gutes zu tun, durchaus unabsichtlich Schaden verursachte, da er die Folgen seines Handelns nicht immer absehen konnte. Und natürlich holt ihn sein damaliges Ich ein, obwohl er eigentlich den Superkräften, die er bei einem rätselhaften Unfall erworben hatte, abgeschworen hat, um nur noch ein Politiker zu sein.
Diese Vermischung der beiden Welten ist ein interessantes Gedankenexperiment, wie auch in dem Vorwort von den Wachowski Brüdern (die sich für „Matrix“ und „V wie Vendetta“ verantwortlich zeigen und demnach in „Was wäre wenn“-Geschichten zu Hause sind) huldigend angemerkt wird. Doch es ist nicht unbedingt das Paranormale, das für Spannung und echtes Leseinteresse sorgt, es sind tatsächlich auch die ganz realen Geschehnisse in dem New York von Vaughan und Harris. Gerade die Geschichten und Charaktere, die in einem klassischen Superheldencomic kaum Raum finden würden.
Beide Erzählebenen greifen nahtlos ineinander. Der Leser erfährt durch Rückblenden Stück für Stück, wie Hundred seine Kräfte erhielt und den Anfang seiner Kandidatur als Bürgermeister, verfolgt aber auch die aktuellen Geschehnisse. Die sehr naturalistischen, klaren Zeichnungen – deren Erstellung hinten in dem Sammelband anhand von fünf vom Referenzfoto zur fertigen Seite-Beispielen schön dokumentiert werden – und die dezente, oft fast schon monochrom gehaltene Farbgebung setzten die Erzählung stimmungsvoll und passend um.
Ein außergewöhnlicher Comic zwischen Phantastik und sehr realer Politik- und Sozialkritik, der auch Leser ansprechen kann, die ansonsten dem Superheldengenre nicht so viel abgewinnen können!