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Nestvold, Ruth: Flamme und Harfe (Buch)
Ruth Nestvold
Flamme und Harfe
(Flame and Harp)
Aus dem Amerikanischen von Marie-Luise Bezzenberger
Penhaligon, 2009, Hardcover, 704 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3017-4
Von Carsten Kuhr
England im Mittelalter. Die das Land und dessen Bewohner zivilisierenden Römer sind passé, statt Kultur und Kunst herrscht die Angst vor ins Land einfallende Sachsen vor.
König Arthur stemmt sich mit all seiner Kraft, mit seiner militärischen Genialität und seinen Rittern gegen die Invasoren. Zu Arthurs Recken zählt auch der junge Prinz Drystan, Sohn von König Marcus von Cornwall. In einem Zweikampf erschlägt Drystan einen Kämpfer aus Eriu, der Grünen Insel, und wird dabei schwer verwundet. Nur eine Heilerin kann ihm helfen, Yseult die Weise.
Dass sie mit seinem Kontrahenten verwandt ist, erschwert die Lage naturgemäß. Als Barde verkleidet macht Drystan sich zur Grünen Insel auf und schleicht sich bei der Heilerin und ihrer bezaubernden Tochter, Yseult der Schönen, ein. Während der Zeit seiner Rekonvaleszenz nimmt das Schicksal seinen Lauf – die beiden jungen Leute, so unterschiedlich ihre Herkunft und Erziehung auch ist, verlieben sich. Als allerdings Yseult erfährt, wer der vermeintliche Barde ist, bricht für sie eine Welt zusammen. Ausgerechnet der Mann, den sie hingebungsvoll liebt, hat ihren Onkel im Kampf erschlagen. Das Paar trennt sich, Drystan kehrt nach Cornwall zurück.
Zwei Jahre gehen ins Land, bis das Paar sich wiedersieht. Als Botschafter seines Vaters kehrt er nach Eriu zurück. Yseult hat einer politischen Heirat mit Drystans Vater Marcus zugestimmt, um den Frieden zwischen Reichen zu sichern. Es kommt, wie es kommen muss. Die Liebe entflammt erneut, bis sie Marcus in flagranti ertappt ...
Was ist das für ein Buch, dessen Erfolgsstory wahrlich ungewöhnlich ist?
Da lebt eine US-Amerikanerin seit 30 Jahren in Deutschland, besucht in den USA bei Altmeister George R. R. Martin einen Kurs über kreatives Schreiben, und sendet einem großen Verlag kurz darauf ein Manuskript. Nicht nur, dass dieses einen mehr als beträchtlichen Umfang hat, nein, es ist auch noch in englischer Sprache verfasst. Wenn der Verlag dann, trotz drohender Übersetzungskosten und angesichts des Umfangs eines eher hohen Verkaufspreises sich stande pete dafür entscheidet, das Manuskript anzukaufen und mit einer Hardcover-Ausgabe zu adeln, dann muss der Inhalt wahrlich überzeugend sein.
Gut siebenhundert Seiten erwarten den Leser. Die Verlagswerbung stellt das Buch an die Seite von Marion Zimmer-Bradleys „Nebel von Avalon“, die äußere Gestaltung erinnert ein wenig an den Bestseller und auch inhaltlich sind gewisse Parallelen zu entdecken.
Beide Romane widmen sich im weitesten Sinne der Artus-Sage, nehmen die Figuren allerdings aus ihrem überlieferten Kontext, und setzen sie in ein überzeugend ausgestaltetes, eigenes Bild eines mittelalterlichen Englands.
Dabei kleben sie nicht sklavisch an dem Sagenmythos, wandeln die Überlieferungen in ihrem dramaturgischen Sinne ab, und präsentieren dem Leser damit eine etwas andere, als die bekannte Handlung.
Und beiden Autorinnen gelingt es nicht nur große Gefühle zu portraitieren, sondern auch eine glaubwürdige Darstellung der Zeit zu zeichnen.
Während sich England dem Einfluss der lange herrschenden Römer folgend dem Christentum geöffnet hat, herrschen in Eriu (Irland) die alten Rituale und Anschauungen noch vor. Barden zählen ebensoviel wie ein Krieger, die Frauen werden als Mystikerinnen und Heilerinnen verehrt. Gerade diese selbstverständliche Emanzipation der Frauen in der Naturreligion, ihr Platz in der Gesellschaft, ihre Akzeptanz als geschätzte Heiler und Bewahrer der Überlieferungen bildet einen deutlichen Gegensatz zu der christlichen Rollenverteilung, bei der die Frauen rein auf das Heimchen am häuslichen Herd reduziert werden.
Natürlich nimmt die tragische Liebesgeschichte einen breiten Raum ein, doch Nestvold bemüht sich, ihren Plot auch andere Schwerpunkte zu verleihen. So widmet sie dem Kampf König Arturs gegen die Sachsen viel Platz, das alltägliche Leben der beiden Hauptfiguren wird interessant und nachvollziehbar geschildert. Hinzu gesellt sich eine zweite, fast zögerlich sprießende Love-Story zwischen Brangwyn und Kurneval, dem besten Freund Drystans.
Das spricht nicht nur weibliche Leser an, die sich romantisch unterhalten lassen wollen, das passt vielmehr in den historisch-phantastischen Sektor. Hier überzeugt die Autorin mit profund recherchierten Kenntnissen, mit ihrer Fähigkeit alltäglichen Denk- und Lebensweisen überzeugend in ihren Text einfließen zu lassen und – natürlich auch – mit einer ergreifenden Liebesgeschichte.
Das hat Bestsellercharakter.
hinzugefügt: March 22nd 2009 Tester: Carsten Kuhr Punkte: zugehöriger Link: Penhaligon Hits: 2852 Sprache:
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