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Rehfeld, Frank: Zwergenfluch (Buch)

Frank Rehfeld
Zwergenfluch
Blanvalet, Paperback mit Klappenbroschur, 480 Seiten, 13,00 EUR, ISBN 978-344226604-3

Von Oliver Naujoks

Fast wie der Hunnensturm haben die so genannten „Völker“-Romane seit einem halben Jahrzehnt die Buchhandlungen erobert, also Fantasy-Buchserien (fast immer Serien) meist deutscher Autoren, die im wesentlichen benannt sind nach den durch J.R.R. Tolkien im „Herr der Ringe“ benannten Völkern – und sich natürlich auch an die Fans dieses Romans und der Verfilmung richten.
Der erstaunliche, manchmal gigantisch Erfolg dieser Bücher ist nun nicht zu erklären mit der häufig gehörten und gelesenen Ansicht, dass hier die jeweiligen Fantasy-Völker wie Zwerge, Elfen oder Orks näher beleuchtet und detaillierter beschrieben werden und die Fans und Leser genau so etwas suchen würden. Nein, der Erfolg erklärt sich viel einfacher darin, dass die jeweiligen Leser und Käufer bereits prägnant im Titel erfahren, was sie hier bekommen: Epische Fantasy in der Tolkien-Nachfolge, bei welcher man sich nicht auf komplizierte, neue Weltentwürfe einlassen muss, sondern in der Regel eine wohlvertraute, wieder aufgebrühte Sekundärwelt zu Tolkiens Sekundärwelt erhält.

Das schöne an diesem Völkerromane-Trend ist ein Boom der Fantasy-Literatur im Buchhandel und eine gerade für deutsche Autoren - denn dies ist im Wesentlichen ein Phänomen des deutschen Buchmarktes - große Chance auf Erfolge und Aufmerksamkeit. Das negative an diesem Trend ist, deshalb auch die oben gewählte Hunnensturm-Analogie, dass dadurch andere Fantasy-Autoren, die auch mal etwas anderes wagen und schreiben, aus den (bevorzugten) Regalen der Buchhandlungen vertrieben werden. Noch negativer ist, dass die Autoren in diesem Segment qualitativ außerordentlich heterogen schreiben, neben Talenten und Bestsellerlieferanten (damit soll weder ein Synonympaar nahe gelegt oder bestritten werden) tummeln sich hier auch u.a. zwei Autoren, die man bereits von hingeschluderten Heftromanen mit einem Übermaß an Action-Szenen kennt, Texte, die bereits Präpubertierende unterforderten, im Gewand von Völkerromane in den letzten Jahren aber nun Bestseller waren und sind. Das gilt natürlich bei weitem nicht für alle Autoren dieser Erfolgswelle.
Aufgrund des großen Erfolges dieser Bücher und der entsprechend hohen Nachfrage haben fast alle größeren Fantasy-Völker inzwischen sogar Bearbeitungen von mehreren Autoren erfahren, und das gilt natürlich insbesondere für die Zwerge, da diese durch die vier Romane von Markus Heitz einen besonders großen Erfolg feiern konnten. Nachdem u.a. Christian von Aster und Thomas Plischke andere Zwergen-Romane vorgelegt haben, startet bei Blanvalet jetzt eine weitere Zwergen-Trilogie von Frank Rehfeld. Rehfeld ist im Fantasy-Genre kein Unbekannter, bereits vor zwanzig Jahren erschien die „Saga von Garth und Torian“, die er zusammen mit Wolfgang Hohlbein schrieb, der in Neuauflagen alleinig auf dem Cover genannt wird (ein netter Zug des Verlages, doch) und vor zehn Jahren die „Arcana“-Trilogie in zwei Büchern bei Bastei-Lübbe.


Inhaltlich soll um Himmels willen auf keinen Fall Neuland betreten werden: Der Auftaktband „Zwergenfluch“ erzählt von einem Zwergenvolk, das in den Höhlen von Elan-Dhor lebt und eines Tages beim Schürfen auf ein bisher unbekanntes, höchst bedrohliches und mordlüsternes Volk stößt, das den Bestand des ganzen Zwergen-Volkes bedroht. Als verzweifelte Maßnahme wird eine kleine Schar an die Oberfläche gesandt, um ausgerechnet die Erzfeinde um Hilfe zu bitten: Die Elben.


Nicht nur die an ein Computerspiel erinnernde Handlung mit Quest, Party und Kämpfen an sich, sondern auch jede einzelne Szene bringt reichlich Vertrautes: Da wird in die Schänke eingekehrt, Tempelpriesterinnen zelebrieren Beschwörungsrituale, Zwerge haben Bärte und Äxte, Goblins haben eine Grammatik-Schwäche und Bögen, und Elben sind groß und weltentrückt. Aber nicht nur das, mitunter übertreibt es der Autor regelrecht mit den vielen Anspielungen auf und Abwandlungen von Szenen aus dem „Herr der Ringe“, dabei interessanter Weise mehr aus den Filmen, als aus dem Buch. Vieles wirkt wie ein Re-Enactment mit anderen Charakternamen oder geringfügig abgeänderten Schauplätzen. Enttäuscht werden auch die Leser sein, die sich von solchen Völker-Romanen liebevolle Details der jeweiligen Völker wünschen: Die Zwerge in diesem Buch sind arg anthropomorphisiert - wenn nicht immer mal wieder auf den kleinen Wuchs, den Bart, die Streitaxt oder das Leben in Höhlen Bezug genommen wird, vergisst man häufig über lange Strecken und viele, viele Seiten, dass man hier ein Buch über Zwerge liest. Zumal Rehfeld im Vergleich zu vielen Fantasy-Autoren nicht sehr barock schreibt, sondern sich gradlinig nicht mit zu vielen Beschreibungen aufhält. Gradlinig ist auch die Handlung, und sehr vorhersehbar; teilweise so vorhersehbar, dass man am ersten Satz einer Szene schon erahnen kann, was nun folgen wird (insbesondere in an Heft – und Herbert-Romane erinnernde Todesszenen mit kurzer Einführung der Guy-Charaktere und deren Ableben am Ende der Szene). Aufgrund dieser Eigenarten, einer nicht allzu komplexen Handlung und zurückhaltenden Gewaltdarstellungen ist dieses Buch deshalb insbesondere für Genre-Einsteiger geeignet, was als Feststellung nicht (ab)wertend gemeint ist – um das grässliche Verlagsmodewort „All Age“ zu vermeiden.

Obwohl es der Autor mit vertrauten Situationen und sattsam bekannten Klischees durchaus übertreibt, liest sich „Zwergenfluch“ erstaunlich vergnüglich, was Frank Rehfeld hoch anzurechnen ist. Grund dafür ist der bemerkenswert routinierte Schreibstil des Autors, da sitzt jeder Satz, der Erzählfluss ist außerordentlich flüssig und sehr wirkungsvoll werden Szenenwechsel eingesetzt: Am Anfang des Romans in der Etablierungsphase sind Kapitel und Szenen meist identisch, wenn sich die Handlung dann zuspitzt, wird auch im Kapitel umgeblendet, dann konzentriert sich die Perspektive im Wesentlichen wieder auf eine Handlung und im Finale wird dann wieder mit schnelleren Szenenwechseln in den Kapiteln gearbeitet. Natürlich, das ist Standard-Rüstzeug eines Autors, wenn es aber so sinn- und wirkungsvoll eingesetzt wird, das erfreut auch den Leser. Da gerade in der deutschen Fantasy häufig gestelzte Sätze anzutreffen sind, ist man für ein Buch, in welchem jeder Satz flüssig ist und ‚sitzt’ und der Situation gewachsen ist, durchaus einmal dankbar, verunglückte Konstruktionen existieren so gut wie gar nicht, nur die schreckliche, dem hochdeutschen Idiom fremde, aus dem Neussener Mittelhochdeutsch übernommene Formulierung (in der modernen Germanistik ‚Hohlbeinismus’ genannt), dass Charaktere drei Mal im Roman „ausschreiten“, statt zu gehen, schreiten oder marschieren, irritiert und stößt angesichts des ansonsten flüssigen Stils vor den Kopf. Wirkungsvoll arbeitet der Autor auch mit Satz- und Absatzlängen, ohne stilistische Glanzpunkte setzen zu wollen, was er deswegen leider zu selten tut, wie u.a. ein kurzes, außerordentlich wirkungsvolles Innehalten in einer Action-Szene mit einem einfachen Satz-Absatz „Und dann…“ – da hält man auch kurz den Atem an.
Geschickt zieht der Autor seine Leser in die Geschichte rein, indem er Emotionen hervorruft (u.a. Verachtung für einen dummen, schwachen König und seinen arroganten, noch dämlicheren Sohn – die will man einfach bestraft sehen!) und sympathische Charaktere zeichnet, indem er vor allem zwei Zweiergespanne (jeweils ein Krieger und eine Priesterin) bildet, die indem ihr gegenseitiger Respekt in der Geschichte steigt, dadurch beide auch das Herz des Lesers erobern. Mit Tempo, Pathos und vielen Schauplatzwechseln schreitet die Handlung somit rasant aus, äh, voran. Diese Elemente vermengen sich zu einer bemerkenswert schwungvollen Lektüre, die viel mehr Spaß macht, als es die altbackenen, schon schamlos aufgebrühten Elemente vermuten lassen, ja schon unverschämt viel Spaß.

Für Einsteiger oder für Fantasy-Leser, die sich eine Toleranz für allzu vertraute Elemente bewahrt haben, ist der flüssige und routinierte Ausflug von Frank Rehfeld unter Tage auf jeden Fall einen Blick wert. Auch wenn man jetzt schon fast weiß, wie die Trilogie strukturiert sein wird: Die Fortsetzung „Zwergenbann“ kann und soll gerne kommen.

Nebenbei: Das schön gestaltete Cover mit Klappenbroschur, der gefällige Satz - das Buch nimmt man gerne in die Hand.

hinzugefügt: April 15th 2009
Tester: Oliver Naujoks
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