Kai Meyer – Das Wolkenvolk
Seide und Schwert 1
Wisperwind
Textadaption: Yann Krehl
Zeichnungen: Ralf Schlüter
Tusche: Horst Gotta
Farben: Dirk Schulz
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter, 2008, Hardcover, 72 Seiten, 15,80 EUR, ISBN 978-3-939823-99-5
Von Frank Drehmel
Nachdem sich der Splitter-Verlag in den vergangen Jahren mit hervorragend edierter frankobelgischer Comic-Kunst auf dem deutschen Markt einen Namen machte, steht nun eine verlagseigene, deutsche Produktion ins Haus: die Adaption von Kai Meyers „Wolkenvolk“-Trilogie. Im Zuge der Comicumsetzung wird jedes der drei Bücher Meyers – „Seide und Schwert“, „Lanze und Licht“, „Drache und Diamant“ - in jeweils zwei Teile gesplittet, d.h. es werden, wenn es der Markt so will, am Ende dieses Projektes sechs Comicbände stehen, deren erster den Titel „Wisperwind“ trägt.
Wir schreiben Mitte des 18. Jahrhunderts: Von gewaltigen Maschinen getragen, welche den Äther aus Sphären oberhalb des bekannten Himmels saugen, schwebt eine riesige Wolkeninsel über das Antlitz der Erde. Ihre Bewohner, die in einer bäuerlich feudalistischen Stadt mitten auf eben dieser Insel leben, nennen sich das Volk der Hohen Lüfte.
Eines Tage beginnen die Maschinen, nach und nach zu versagen, sodass die Stadt zu sinken anfängt und schließlich zwischen den Gipfeln chinesischer Berge strandet.
Die Herren der Wolkeninsel beauftragen daraufhin den jungen Niccolo, dessen Vater nicht nur ein herausragender Wissenschaftler sondern auch ein freigeistiger Aufrührer war, hinab zur Erde in das Reich China zu fliegen, um dort Drachen zu suchen, mit deren ätherischem Atem sich die Stadt wieder in den Himmel erheben könnte.
Kaum in China angekommen trifft der Junge die Schwertmeisterin Wisperwind, die ihm zwar nicht den Aufenthaltsort der Drachen nennen kann, die ihn aber zunächst vor den Gefahren ihrer Welt schützt und ihm dann den Weg zur nächsten Stadt weist. Dort begegnet Niccolo Nuaga, einem Mädchen, das von Drachen großgezogen wurde, das von den goldenen Augen des Jungen fasziniert und das selbst auf der Suche nach den Drachen ist, die diese Welt verlassen zu haben scheinen.
In Begleitung eines in ein kurios-bizarres verzaubertes Kostüm gebannten Mannes namens Feiqing machen sich Niccolo und Nuaga auf die Suche nach dem Exil der Drachen.
Dass Comic-Adaptionen von Fantasy-Romanen mittlerweile sowohl gang und gäbe als auch im Massenmarkt erfolgreich sind, belegen in Deutschland aktuell insbesondere die Veröffentlichungen von „Conan“-, „Dragonlance“- und „Forgotten Realms“-Tradepaperbacks durch den Panini Verlag sowie die phantastischen Umsetzungen einiger Romane Neil Gaimans – „Niemalsland“, „Sternwanderer“, „Coraline“.
Eine Voraussetzung für den Erfolg ist allerdings, dass der Stoff eine breite Leserschaft anspricht, den neugierigen Zwölfjährigen ebenso wie den nach Blut und Action lechzenden „Mittvierziger“; und genau hier liegt die Schwäche von „Wisperwind“: die Romanvorlage ist – wie zahlreiche Bücher Meyers – explizit auf Kinder oder Teenager zugeschnitten und Yann Krehl vermag es nicht, diesen Jugendstoff erwachsenengerecht aufzubereiten.
Der einfach konstruierten, relativ linearen Geschichte fehlt der „Sense of Wonder“, das Hintergründige, das Neue und Originelle, was z.B. die Kinder-Buch-Comics Neil Gaimans auch für Leser fortgeschrittenen Alters zu einem fesselnden Lesevergnügen werden lässt.
Krehls Charaktere sind – anders als die Figuren in Meyers Roman - durch Erwachsenenaugen betrachtet auf einen nervtötende Art naiv und eindimensional, eher ignorant als neugierig. Originelle phantastische Elemente sind Mangelware: die Existenz von Drachen an sich ist nichts, was den Fantasy-Freund vom Hocker haut, der fliegenden Stadt fehlt es an Steampunk-Atmosphäre bzw. magischer Ausstrahlung und selbst Figuren wie Feiqing weisen einen letztlich trivialen Hintergrund auf. Die Texte – Dialoge wie Beschreibungen - wirken oft vordergründig, phrasenhaft und/oder steif. Auf Grund dieser Schwächen – des Fehlens eines Wow-Gefühls - fällt auch das gemächliche Tempo, mit dem sich die Handlung entwickelt, negativ ins Gewicht, da schnell ein Gefühl von Zähigkeit und zunehmend auch Langeweile Raum greift.
In seinem Nachwort erklärt Kai Meyer, dass seiner „Wolkenvolk“-Trilogie Ideen des asiatischen Wuxia-Genres sowie die Auseinandersetzung mit chinesischer Mythologie zugrunde liegen. Zumindest in diesem ersten Comic ist außer einigen „fliegenden Kämpfern“ - einem metaphorisch zu deutendem Bild, das viele Wuxia-Filme gemein haben – gerade von Letzterem jedoch nur wenig zu spüren. Die Comic-Serie „Luuna“ jedenfalls, die ebenfalls bei Splitter erscheint, enthält auf beliebigen fünf Seiten mehr (offensichtlichen) mythologische Hintergründe – zwar nicht aus der chinesischen, sondern der indianischen Mythologie – als „Wisperwind“ auf 68 Seiten.
Während die Story alles in allem unbefriedigend dünn wirkt, ist das Artwork das eigentlich Erfreuliche an diesem Comic, da es den Leser auch über die zähen Momente hinweg geleitet. Seine Stärke liegt vor allem sowohl in der realistischen Darstellung der pittoresken Landschaften und der historisierenden Städtearchtitekturen, als auch im dynamischen Posing der Figuren sowie der mitreißenden Kampf-Choreographie, in denen man ein ums andere Mal Elemente asiatischer Martial-Arts-Filme wieder erkennen kann, ohne dass die Zeichnungen auch nur entfernt mangahaft wirken.
Einen kleinen Wermutstropfen stellt allerdings Unsicherheit des Zeichners – ob als Stilmittel gewollt oder aus Unachtsamkeit ungewollt, sei dahin gestellt – in Bezug auf die Proportionen der Figuren-Gesichter dar, welche hin und wieder dem Künstler zu entgleiten und merkwürdig flächig beziehungsweise verschoben scheinen.
Fazit: Das gute Artwork vermag die laue, zäh wirkende Story, die der Romanvorlage nur unzureichend gerecht wird, nicht gänzlich aufzufangen, so dass als Ergebnis dieses Bandes nur die Hoffnung auf eine originellere, tiefgründigere und poetischere Geschichte in den nächsten fünf Bänden bleibt.