Leviathan
USA 1989, Regie: George P. Cosmatos, mit Peter Weller, Richard Crenna u.a.
Von Thomas Harbach
Mit „Leviathan” erscheint vom DVD-Label CMV Laservision einer der drei Konkurrenten um den Titel des größten Unterwasser-Sciencefiction-Abenteuers aus dem Jahre 1989 im anamorphen Bildformat auf DVD.
1989 kündigte John Cameron nach dem überraschenden 100-Millionen-Dollar-Box –Office-Erfolg von „Aliens” an, einen Science-Fiction-Film zu drehen, der überwiegend unter Wasser spielt und auch in einem gefluteten Brennbehälter eines nicht fertiggestellten Kernkraftwerks gedreht worden ist. Schnell witterten diverse kleinere Label ihre Chance, ihre Art von „Aliens” unter Wasser herzustellen. Sie wollten mit Produktionen wie „Lord of the Deep” - aus der RogerCorman-Fabrik -, „Deepstar Six” vom „Freitag, der 13.“-Regisseur Cunningham, und schließlich dem vorliegenden „Leviathan” (von George P. „Rambo” Cosmatos inszeniert) im Sog von Camerons sicherem Erfolg mitschwimmen.
„The Abyss” überzog allerdings sowohl das Budget, als auch die Drehzeit. So kamen die Epigonen zuerst ins Kino und floppten alle drei aus sehr unterschiedlichen, aber selbst heute noch ohne Probleme nachvollziehbaren Gründen. Auch „The Abyss”, der sich nicht als „Aliens unter Wasser“-Geschichte entpuppte, scheiterte einige Monate später an der Kinokasse.
Im Gegensatz zu dem billig produzierten „Lord of the Deep” und des deutlich brutaleren, aber rasanter geschnittenen „Deep Star Six”, konnte „Leviathan” auf eine Reihe von genreerfahrenen Gesichtern zurückgreifen. Peter Weller galt nicht zuletzt aufgrund seiner sehr guten, wenn auch etwas stählernen Darstellung in den beiden „Robocop”-Filmen als interessanter Charakterdarsteller und Amanda Pays läutete mit der futuristischen Fernsehserie „Max Headroom” das virtuelle Zeitalter ein.
Auch heute, zwanzig Jahre nach der Kinopremiere, ist „Leviathan” ein Film, der visuell beeindruckt und plottechnisch den Zuschauer niederschmettert. Fängt man die Kritik bei dem Drehbuch an, stellt sich für den Leser eine offensichtliche Frage. Wie können David Peoples und Jeb Stuart so daneben gegriffen haben? Peoples hat unter anderem die Drehbücher für „Unforgiven”, und in Kooperation für „Blade Runner” sowie „Twelve Monkeys” geschrieben. Erst in den letzten Jahren - ab der Jahrtausendwende - hat sich Peoples sicherlich auch unter kommerziellen Beweggründen einige Kompromisse gegenüber Hollywood erlaubt. Jeb Stuart ist eher im Thrillerbereich zu Hause und hat unter anderem 1997 den Thriller „Switchback” geschrieben und inszeniert. In den wenigen Spannungsmomenten, die in Leviathan Geschichte funktionieren, zeigt sich die Expertise der beiden Drehbuchautoren. Auch die Prämisse ist derartig bizarr, dass sie David Peoples’ Werk entspricht.
Die Russen haben ohne Rücksicht auf Verluste mit genetischer Manipulation von Menschen begonnen. Das Ziel war weniger ein Mensch, der auch unter Wasser leben kann, sondern eher der Versuch, einen perfekten, sich selbst heilenden Krieger zu züchten. Um „Freiwillige” für das Experiment zu finden, haben die russischen Wissenschaftler augenscheinlich den Wodka der Besatzung eines Frachters vergiftet. Das Schiff ist schließlich gesunken und die russischen Behörden haben die entsprechenden Unterlagen gefälscht. Nach den internationalen Logbüchern befindet sich das Schiff im Schwarzen Meer und nicht auf dem Meeresgrund, wenige hundert Meter und einen steilen Hang von der Unterwasserbasis „Shack 7” entfernt.
David Peoples hat in seinen futuristischen Drehbüchern niemals den Wissenschaftlern, und noch weniger dem Kapital vertraut. Beide Ideen durchziehen das Drehbuch wie ein roter Faden, auch wenn das Leinwandergebnis die Ansätze etwas zu behäbig und zu klischeehaft umsetzt.
Durch einen Zufall findet die kleine Besatzung der Unterwasserminenoperation das Schiff. Das Wrack liegt nur wenige hundert Yards von der Station entfernt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Minenunternehmen den Erdboden nicht ausführlich gescannt und mögliche Komplikationen im Vorwege abgeklärt hat, dürfte gering sein. Zwar wird eine Verschwörung angedeutet, als Meg Foster - eine hervorragende sehr „männliche” Darstellung inklusiv des Punches am Ende des Films - den Besatzungsmitgliedern unter Wasser erklärt, dass sie erstens wegen eines Hurrikans nicht vorzeitig gerettet werden können, und zweitens in den Nachrichten verbreitet, dass alle Mitglieder des Unterwasserbohrteams bei einem Unglück ums Leben gekommen sind - aber dieser absurde Gedanke wirkt wie Füllmaterial. Er wird nur oberflächlich in die Handlung integriert. Ein umfangreiches Experiment mit den Besatzungsmitgliedern in einem abgeschlossenen und isolierten Bereich wäre nachvollziehbarer gewesen.
So findet also ein eher aus Wut streunender Six Pack das Schiff und bringt das Unheil an Bord. In einer im Off stattfindenden Bergungsaktion werden einige Unterlagen und natürlich auch eine Flasche Wodka - im Safe befindlich - an Bord gebracht. Heimlich trinken zwei der Besatzungsmitglieder den Alkohol und beginnen sich in eine perfekte biologische „Killermaschine” zu verwandeln.
Nach der interessanten Prämisse haben entweder Peoples und Stuart - eher unwahrscheinlich - oder der Regisseur Cosmatos jegliche Originalität über Bord geworfen und beginnen eine Geschichte zu erzählen, die mit jeder Szene sowohl Camerons „Aliens”, als auch John Carpenters „Das Ding” kopiert, aber nicht extrapoliert. Der aufmerksame Zuschauer empfindet den Besprechungsraum, in welchem sich die Besatzung wenige Tage vor Ende ihres neunzig Tage Einsatzes immer wieder angegiftet, als reine Kopie von „Alien”, dem unerreichten Original. Einer der Wodka- Geschädigten wird von innen heraus durch die neu entstehende Kreatur verwandelt. Stammt ebenfalls aus „Alien” bzw. „Aliens”. Niemand weiß, wer die Viren schon in sich hat. Die Tests stammen dagegen aus „Das Ding aus einer anderen Welt”. Der Showdown ist eine Mischung aus den schon angesprochenen Filmen und der actionorientierte Epilog mit dem sich natürlich für die Weißen opfernden Farbigen… wieder aus „Alien”.
Die Handlung ist eine einzige Enttäuschung und selbst die wenigen rasanten Actionszenen können in dieser Hinsicht den Streifen nicht retten. Stan Winston hat Rob Bottin in „Das Ding aus einer anderen Welt” hinsichtlich der Kreatur geholfen. So dürfte es kein Zufall sein, dass Winston einige dieser Ideen einfach für den vorliegenden Streifen kopierte.
Das Problem bei „Leviathan” ist die Tatsache, dass die Kreatur an sich nicht furchterregend oder gar gefährlich erscheint. Jeder Versuch, die Menschen mehr oder minder direkt zu bedrohen, wirkt teilweise unnötig konstruiert und anstatt dem Angreifer eine „Persönlichkeit”, ein Schema zu geben oder ihn nur am Rande zu zeigen, machen Cosmatos und Winston den Fehler, die einzelnen Fähigkeiten des genetischen Killers eher ambivalent zu betrachten und je nach Bedarf einzusetzen. Weiterhin zeigen die verschiedenen Großaufnahmen die Schwächen der Tricktechnik in der Vor-CGI-Ära. Die Kreatur wirkt unecht und erinnert mehrmals an einen klassischen Man in the Suit. Die Bewegungen sind zu künstlich, zu hektisch und am Ende des Films dient der Angreifer nur noch dazu, die wegen der Selbstzerstörung der Station flüchtenden Menschen aufzuhalten.
Wie schon angesprochen ist die Idee eines Monsterfilms dank eines neuen die Gene verändernden Kampfstoffes hirnrissig genug. Wenn die Kreatur an sich dann auch nicht überzeugen kann, bewegt sich der Film in den Bereich des hoffentlich unterhaltsamen Trash. Und das trotz eines sichtlich hohen Budgets, dass sich in den gelungenen Sets von Ron Cobb liebevoll, sowie mit einem Auge für praktische Details gefertigt und den soliden Darstellern niederschlägt.
Hunderte von auch bekannten Ideen hätten besser gewirkt als diese Monstergeschichte. Wahnsinn, gegenseitige Zerstörung, Misstrauen gegenüber möglichen Überträgern, Selbstmordabsichten - alles Ideen, die aus dem sehr durchschnittlichen bis plottechnisch schlechten „Leviathan“ zumindest einen interessanten Film gemacht hätten. Einzig die solide Ansammlung von bekannten Schauspielern - in leider allerdings teilweise eindimensionalen Rollen - macht auch „Leviathan” zu einem noch heute ansehenswerten, wenn auch schwer goutierbaren Streifen. Amanda Pays darf zwar in Unterwäsche herumlaufen und in Shorts durch die Station joggen, weil sie sich auf das Astronautentraining vorbereitet. Ansonsten ist ihre Rolle ganz bewusst so asexuell angelegt wie Weavers Ripley. Von Beginn an macht das Drehbuch deutlich, dass sie intellektuell den anderen Besatzungsmitgliedern überlegen ist und sich in erster Linie um ihre eigenen Angelegenheiten kümmert. Es ist schade, dass das Drehbuch ihr nicht die Rettung der letzten Überlebenden zugetraut hat. Mit ihren zynischen, pointierten, aber zutreffenden Bemerkungen zieht sie nicht nur die Aufmerksamkeit des Crewproleten Six Pack auf sich, sondern natürlich auch die des Captains.
Peter Weller spielt den Geologen Steven Beck, welcher aufgrund nicht besonders herausgearbeiteter Fähigkeiten die bunt gewürfelte Truppe durch die neunzig Tageschicht zu führen hat. Augenscheinlich eine Autoritätsperson, ist die Figur leider insbesondere im schleppenden Mittelteil des Films zu ambivalent, zu eindimensional angelegt. Nicht jeder der Dialoge scheint Weller zu schmecken. So bleibt seine Figur dem Zuschauer auf der einen Seite dynamisch und kraftvoll, auf der anderen Seite allerdings auch selten distanziert und unemotional in Erinnerung.
Glen Thompson spielt den alkoholkranken Arzt (natürlich mit einer dunklen Vergangenheit) sehr souverän. Ihm ist es im Grunde egal, ob während seiner Schicht jemand stirbt, oder nicht. Hauptsache, ihm wird am Ende das Geld ausbezahlt und er kann sich wieder in seine offensichtlich durch den Alkoholgenuss verstärkten Fantasien zurückziehen.
Der Prolet Six Pack wird von Daniel Stern gespielt. Einem ansonsten sehr routinierten Schauspieler, der in Filmen wie „Blue Thunder” oder Frankenweenie” seine heroischen, wie auch humorvollen Seiten präsentieren konnte. Wie die Crew diese Figur allerdings neunzig Tage ertragen hat, dürfte das Geheimnis des Regisseurs sein. Ein opportunistischer Egomane mit dem Hang zur Selbstdarstellung. Eine klischeehaft angelegt Figur.
Neben der harten Meg Foster an der Oberfläche, die bis auf eine einzige Szene ihren Auftritt hinter dem Schreibtisch und ständig mit einer Zigarette in der Hand absolviert, überzeugen Hector Elizondo als Familienvater, der nur nach Hause möchte, und Lisa Eilbacher als attraktive, intelligente, aber auch verklemmte zweite Frau im Team. Obwohl nicht jeder ihrer Rollen wirklich dreidimensional und überzeugend angelegt worden ist, funktionieren sie als Team erstaunlich gut und bestimmen die ersten, emotionalen und zumindest dialogtechnisch solide geschriebenen Szenen. Gegen die Klischees in der zweiten Hälfte des Drehbuchs können sie dann auch nicht mehr anspielen.
Regisseur George P. Cosmatos kann im Gegensatz zum soliden Soundtrack von Jerry Goldsmith dem Film keine Dynamik, keine Dramatik und vor allem auch keine solide inszenierten Actionszenen schenken. Teilweise ist „Leviathan” derartig teilnahmslos und herzlos geschnitten, dass der Zuschauer schnell in Ron Cobbs erstklassigen Sets versinkt und den Dialogen der verschiedenen Protagonisten folgt, um nicht bei den wenigen Actionszenen einzuschlafen. Wie leider zu viele“ Monster on the Move“Filme kann sich Cosmatos nicht entschließen, den Streifen deutlich zu kürzen und damit intensiver und kompakter zu erzählen. Insbesondere die beiden „Enden” sind derartig unglaubwürdig und auffällig schlecht inszeniert, dass der Zuschauer schon an einen Nachdreh zu glauben beginnt.
„Leviathan” ist ein Trashfilm erster Güte mit einem überdurchschnittlich Budget und einem unterdurchschnittlichen Drehbuch. Das einzige interessante am Film ist der Hintergrund mit der Unterwasserstation - in vielen anderen Filmen des Genres sind die einzelnen Schauspieler einfach durch die bei Nacht gefilmten Wälder der näheren Studioumgebung gehetzt worden.
Und diese Originalität macht aus „Leviathan” einen idealen Film für den nächsten Trashfilm-Therapie-Abend.
CMV Laservision hat den Film allerdings technisch hervorragend überarbeitet auf DVD herausgegeben. Das Bildformat mit 2.35:1 ist richtig, obwohl ein erfahrener Regisseur wie Cosmatos viel zu wenig aus diesem Format macht. Die Farben sind ungemein kräftig und die Konturen messerscharf. Vor allem gelingt es sehr gut, die klinisch künstliche Atmosphäre mit dem dominierenden Kunstlicht, den eher bleichen Konturen, auf den kleineren Bildschirm zu übertragen. Als Tonspuren werden in Dolby Digital 5.1 deutsch und in Dolby Digital 2.0 englisch angeboten. Es empfiehlt sich, auf die englische Originalspur zurückzugreifen. Die Synchronisation ist zufriedenstellend, die Pointen gut herausgearbeitet. Zu den Extras gehören neben den beiden Trailern - der deutsche wie auch der englische - eine Bildergalerie mit unter anderem seltenem Werbematerial und einigen guten Fotos.
Von der technischen Seite her ist die Präsentation von CMV Laservision beispielhaft. Wäre nur der Film ähnlich gut. Aber aus filmhistorischer Sicht gibt er einen guten Einblick, wie sich die anderen Produzenten Camerons „Abyss” vorstellten.
DVD-Facts:
Bild: 2,35:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 2.0 Stereo
Untertitel: Fehlanzeige
DVD-Extras:
Bildergalerie