John Constantine – Hellblazer 6
Stationen des Kreuzweges
(Hellblazer: Stations of the Cross)
Text: Mike Carey
Zeichnungen: Leonardo Manco, Chris Brunner, Marco Frusin
Farben: Lee Loughridge
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Lettering: Alessandro Benedetti
Panini, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 148 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86607-772-0
Von Frank Drehmel
Den Kampf um Milliarden von Menschen und Seelen hat John Constantine, der Meister des Okkulten, zwar überlebt ( vgl. Band 5, „Das Tier ohne Namen“), doch nun irrt er ohne Erinnerung daran, wer er ist und wer seine Feinde sind, durch London.
Zufällig begegnet er einem kleinen Mädchen namens Rose, das am Ufer der Themse angelt, während Leichen den Fluss hinunter treiben. Hilfesuchend und in Begleitung des Kindes wendet sich Constantine an Miles Bradshaw, den Leiter einer Nervenheilklinik, um mit seiner Unterstützung das Gedächtnis wieder zu erlangen.
In Bradshaws Institut begegnet er einem unheimlichen Schwarzen, der über dämonische Fähigkeiten verfügt und ihn massiv bedroht, der jedoch unverrichteter Dinge fliehen muss, als das Wachpersonal ihm in den Arm fällt. Unmittelbar darauf wird Bradshaw, nachdem er dem Mann ohne Erinnerung zumindest seinen Namen wiedergeben konnte, von Rose auf bestialische Weise ermordet. Überstürzt muss John fliehen, da alles auf ihn als Täter hindeutet.
Ohne Bleibe und immer noch ohne Gedächtnis, jedoch von Visionen heimgesucht, ist Constantine gezwungen, auf der Straße unter Obdachlosen zu hausen und sich von Abfällen zu ernähren. Einer seiner Wege durch die Stadt führt ihn auf einen alten Friedhof, wo sich ihm das Wesen offenbart, das er als Rose kennengelernt hat und das ihm sein Leben unter gewissen Bedingungen zurückgeben will. Überwältigt von der dämonischen Präsenz lehnt John ab und verlässt überstürzt den unheiligen Ort.
Kurz darauf taucht der dämonische Schwarze erneut auf, verschleppt Constantine in ein Haus, in dem er zuvor die dort wohnende Familie zu Gefangenen gemacht macht, und droht, diese Menschen bestialisch zu foltern und zu ermorden.
Wiederum kann John in die Tristesse der Straßen Londons entkommen. In seiner Not scheinen die beiden Mädchen, die ihm eines Tages über den Weg laufen, ihm Obdach, Essen, ein heißes Bad und den Schutz ihrer christlichen Sekte bieten, wie ein Licht am Ende des Tunnels. Ohne zu zögern nimmt Constantine die Einladung an, merkt jedoch im Asyl schnell, dass nicht alles so ist, wie es zu sein scheint, denn hinter den Gläubigen steht ein alter Feind der Familie, der nur allzu froh ist, John in seine Klauen zu bekommen.
Wenig später findet sich der Meister des Okkulten - gefoltert und gebrochen - als Objekt einer perfiden Auktion wieder, das demjenigen Höllenwesen zugesprochen wird, das den besten Preis bietet.
Die Welt des John Constantine ist dreckig, brutal, erbarmungslos. Hinter menschlichen Fassaden schlummern Monster. Religiosität ist der Kampf gegen das manifeste Böse, welches in den Tiefen einer realen Hölle lauert. Wen kann es Angesichts des alltäglichen Wahnsinns und Grauens, das Wissen mit sich bringt, wundern, dass sich der Hauptprotagonist nach Frieden und Vergessen sehnt. Doch „Hellblazer“, diese düsterste aller Vertigo-Serien, wäre nicht „Hellblazer“, wenn nicht John Constantine einmal mehr selbst mit diesem Anliegen scheitern würde.
„Stationen des Kreuzweges“ wartet einmal mehr mit dem auf, was diese Mystery-Horror-Serie aus dem Einerlei des amerikanischen Massenmarktes wie einen Dorn aus der Krone des Gekreuzigten herausragen lässt: religiöse Symbolik, Grausamkeit, Brutalität, Tristesse, Verzweiflung und – vor allem – ein wahrhaftiger, gebrochener Antihelden, dem in der vorliegenden Geschichte das Heft des Handels aus der Hand genommen wird.
Der Horror liegt dabei weniger in den mythischen, mystischen Figuren und Elementen als vielmehr in den Abgründen, die Johns schwarzhäutiger Gegenspieler in jeder menschlichen Seele zu entdecken vermag, sowie in dem fundamentalen Mangel an Rechtschaffenheit in Constantines Welt.
Das Artwork ist trotz deutlicher stilistischer Unterschiede einmal mehr exzellent, auch wenn Leonardo Manco verglichen mit Brunner oder Frusin und in Anbetracht eines Genres, das eher vom Weglassen als vom Zeigen lebt, trotz aller Schatten einen Deut zu explizit zeichnet und dadurch der Geschichte sowohl etwas Atmosphäre als auch Kraft nimmt bzw. der Visualisierung der Gewalt einen leicht plakativen Anstrich verleiht.
Über jeden Zweifel erhaben ist hingegen die stimmige, düstere Kolorierung Lee Loughridges, der es versteht, die unterschiedlich Zeichenstile durch farbliche Einheitlichkeit zusammen zu halten.
Fazit: Der brutal inszenierte und düster visualisierte Leidensweg eines Antihelden. Faszinierend.