Kreuzzug 2
Der Qa'dj
(Croisade: Le Qua'dj)
Text: Jean Dufaux
Zeichnungen: Philippe Xavier
Farben: Jean-Jaques Chagnaud
Übersetzung: Resel Rebiersch
Lettering: Delia Wüllner-Schulz
Splitter. 2009, Hardcover, 56 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-940864-38-3
Von Frank Drehmel
Nach der vernichtenden Niederlage, die Sultan Ab’dul Rasim und der Simoun Dja dem Heer der Christenheit beigebracht haben, schließen Eleonore von Arkos und Robert von Tarent, der nach dem Tode Gregor von Arkos den Kreuzfahrern als Befehlshaber vorsteht, einen Pakt mit dem sinistren Herrn der Maschinen, um Hierus Halem und das Heilige Grab mit dessen Unterstützung aus den Händen der Ungläubigen zu befreien. Eleonore schickt, um ihre intriganten Pläne ungestört vorantreiben zu können, Syria nach Bar'Jepht, dem weit entfernten Wohnsitz ihrer Väter, in der Hoffnung, dass ihrer Schwester auf dem Weg dorthin ein Unglück widerfährt.
Während sich die Heere der Kreuzfahrer und der Anhänger des Sultans neu formieren, begeben sich Gunther Graf von Flandern und sein Gefährte Nakasch zu den ausgestoßenen Juden von Samarand. Sie hoffen, die Ausgestoßenen als Verbündete im Kampf gegen beide verfeindeten Seiten zu gewinnen und mit ihrer Hilfe insbesondere die Christen vom Irrsinn des Kreuzzuges abzuhalten. Grundsätzlich trifft Gunthers Plan bei dem Anführer der Juden, Osarias, nicht nur auf ein offenes Ohr sondern sogar auf offene Sympathie, doch zunächst müssen sich die Juden einem mythischen Wesen – dem Aar - stellen, vor dem sie seit Jahrhunderten zittern.
Derweil fällt Syria - so wie es ihre Schwester Eleonore plante – einem Beduinenführer, dem verunstalteten, bösartigen Sarek Pascha, in die Hände, welcher ankündigt, die junge Frau zunächst schänden zu wollen, um sie anschließend einen langsamen Tod sterben zu lassen.
Davon wiederum erfährt Sultan Ab'dul Rasim, der sich sogleich aufmacht, die junge Frau auszulösen, da deren Gefangennahme eine eklatante Verletzung bestehender Abmachungen mit den Christen darstellt und er sein Gesicht verlöre, sollte Syria zu Schaden kommen.
Auch wenn man Dufaux' Geschichte nach wie vor ihre historischen Wurzeln anmerkt, so greift im zweiten Band deutlich das fiktional Methaphysische Raum, neigt sich im Vergleich zum ersten Teil, wo zwar das Übersinnliche von Anfang an evident, jedoch hinsichtlich seiner Bedeutung für die Story eher im Hintergrund angesiedelt war, die Waagschale signifikant in Richtung „Historical Fantasy“.
Die Betonung des Märchenhaften, des Phantastischen ist an sich zu begrüßen, da es der Story zusätzliche Optionen eröffnet. Bedauerlicherweise weiß Dufaux mit den Möglichkeiten nicht umzugehen, sondern überfrachtet die Geschichte mit Charakteren – dem Herrn der Maschinen, dem Aar, dem Mufti von Alkar und vielen anderen - sowie Handlungssträngen, von denen zweifelhaft ist, ob sie befriedigend abgeschlossen werden können.
Zusätzlich verliert sich der Autor in zu breit ausgeschmückten Nebensächlichkeiten wie bspw. einer sich über drei Seiten hinziehenden Begegnung Gunthers und Nakaschs mit Flagellanten, welche nichts anderem als der Illustration christlichen Fanatismus' dient, die Geschichte selbst jedoch nicht befördert.
Das grundsätzliche Dilemma von Dufaux' Storyaufbau besteht darin, dass - um eine Fußballmetapher zu bemühen – sich die Spieler anstatt den Ball nach vorne zu treiben in einem Spiel in die Breite verzetteln, dass nicht nur der Grundplot um die Befreiung Hierus Halems auf der Stelle tritt.
Wirkt die Handlung lediglich überladen, weist ansonsten jedoch durchaus ihre magischen Momente auf, so mangelt es den Figuren durchgängig an Tiefe und Entwicklung, irren klischeehafte Charaktere orientierungs- und ziellos durch unübersichtliche Zusammenhänge.
Einzig Xaviers exzellentem Artwork ist es zu verdanken, dass Figuren wie Story zumindest visuell so interessant sind, dass man zu keinem Zeitpunkt versucht ist, das Comic beiseite zu legen, sondern sich stattdessen in die orientalisch-mystische Welt fallen lassen kann.
Verglichen mit seiner Arbeit am „Verlorenen Paradies“ (ebenfalls bei Splitter erschienen) ist Xaviers Stil zwar ähnlich detailliert, elegant und leicht, wirkt aber – dem Hintergrund angemessen – hinsichtlich der Komposition der Seiten im Ganzen sowie der einzelnen Panels durchaus ruhiger, eher an Atmosphäre denn an Action orientiert. Und auch innerhalb der beiden ersten Bände dieser Serie ist eine grafische Entwicklung erkennbar: zum einen ist das Seitenlayout, die Anordnung der Panels im zweiten Teil deutlich freier und verspielter als in „Simoun Dja“, zum anderen wirkt Xaviers Duktus nun generell etwas feiner.
Über jeden Zweifel erhaben ist die Kolorierung Chagnauds, die mit ihren stimmigen, klaren und tendenziell kühlen Farben wesentlich zur märchenhaften, orientalischen Atmosphäre beiträgt.
Fazit: Bestechende, atmosphärisch dichte Zeichnungen vermögen die unnötig komplizierte und weitschweifige Geschichte gänzlich aufzufangen, so dass alles in allem ein „Empfehlenswert“ als Resümee stehen bleiben kann.