Joanne Harris
Feuervolk
(Runemarks)
Aus dem Englischen übersetzt von Katharina Orgaß und Gerald Jung
Titelillustration: Markus Gann
cbj Verlag, 2007, Hardcover, 544 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-570-13219-7
Von Christel Scheja
Vermutlich kennen die meisten Leser Joanne Harris eher durch die Verfilmung ihres Bestseller-Roman „Chocolat“, der mit Juliette Binoche und Jonny Depp in den Hauptrollen zu einem großen Erfolg wurde. „Feuervolk“ ist ihr erstes Jugendbuch.
Die Einwohner des verschlafenen Dörfchens Malbry wissen im Allgemeinen, wo ihr Platz in der Gemeinde ist, sind gottesfürchtig und verabscheuen Magie, und das nicht ohne Grund. Denn vor fünfhundert Jahren hätten die alten Mächte beinahe das Weltenende herauf beschworen. Ein Überbleibsel jener wilden Schlacht aus heidnischen Tagen befindet sich sogar noch in der Nähe der Siedlung – ein als verflucht geltender alter Hügel.
Allein die junge Maddy Smith ist anders als der Rest ihrer Familie und der Dorfbewohner, und das nicht nur in ihrem Wesen. Schon seit ihrer Geburt trägt sie ein Mal an der Hand, das wie eine Rune aussieht, eines der alten und verfluchten Zeichen, die der Pfarrer und seine Lehren so gerne verdammen. Deshalb wird Maddy von den meisten gemieden und verachtet, was das muntere und freche Mädchen, das es sogar mit stärkeren Jungen aufnimmt, nicht all zu sehr zu stören scheint. Denn schon vor Jahren hat sie einen geheimnisvollen Freund gefunden, einen schwarz gekleideten und einäugigen Wanderer, der sie nicht nur über die Runen aufklärt, sondern ihr auch beibringt, diese zu nutzen.
Eines Tages bittet der Fremde, dessen Namen das Mädchen nie erfahren hat, Maddy, ihm ein Tor in den verfluchten Hügel zu öffnen. Das junge Mädchen beschließt, ihn zu begleiten, um zu erfahren, was ihr Freund ihr so lange verheimlicht hat. Und so kommt sie seiner wahren Identität auf der Spur, denn sie betritt eine Welt, in der die Götter und Mythen noch Geschichte sind. Es gilt, einen Seher zu finden, ein allwissendes Orakel, das helfen soll, den Namenlosen zu finden, der im Verborgenen das Feuer für einen weiteren Weltenbrand zu schüren begonnen hat.
Schon bald muss sie sich alleine durchschlagen und bekommt mit dem listenreichen Loki einen Mitstreiter, dessen Motive sie nicht einschätzen kann und dem sie noch weniger trauen sollte. Was sie bei all dem nicht weiß, ist, dass nun auch die Dorfbewohner auf den Plan gerufen wurden, die das Hexenwerk ein für alle mal ausrotten wollen.
Man ahnt schnell, worum es geht, wenn man zumindest ein wenig über die nordischen Götter weiß: Irgendwann in einer Welt, die an das frühneuzeitliche England erinnert, in dem der christliche Glaube besonders misstrauisch auf Abweichler reagierte und Hexenjäger das Land durchzogen, darf ein junges Mädchen Seite an Seite mit den nordischen Göttern wandern, um erneut zu verhindern, dass die Erde durch ihren Streit untergeht.
Die Autorin inszeniert die Geschehnisse mit einer gewissen flapsigen Ironie: So sind die Götter keine starren Lichtgestalten, sondern haben Launen, Vorurteile und Schwächen. Und einen Kobold namens ‚Zucker’ dürfte niemand wirklich fürchten wollen, ebenso wenig wie einen Inquisitor, der statt eines imposanten Namens nur eine Nummer trägt
Der umtriebige Gott Loki sorgt zudem für so manche Überraschung und einige Konflikte im Buch, die die Spannung steigern. Auch weiß zu gefallen, dass keine Seite wirklich bevorzugt wird, jeder der Kontrahenten einerseits Schlappen, aber auch Erfolge einstecken darf und seine glaubwürdigen Gründe hat.
So bietet „Feuervolk“ eine dichte Geschichte, welche man zwar immer wieder zu erkennen glaubt, die aber doch anders verläuft, als vermutet, und mit der nordischen Mythologie auf lebhaft-amüsante Weise spielt und keine Längen aufweist.