Ayako Suwa
Rhesus positiv 1
(RH Plus Vol. 1, 2007)
Aus dem Japanischen von Burkhard Höfler
EMA, 2009, Taschenbuch, 194 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-7704-7080-8
Von Irene Salzmann
Der erwachsene Vampir Kiyoi hat drei junge Artgenossen bei sich aufgenommen: die Schüler Makoto und Ageha und den Student Masakazu. Nach außen hin wahren sie den Schein der Normalität und dürfen darum keine engen Kontakte zu den Menschen ihres Umfelds knüpfen, da sonst auffiele, dass sie nicht demselben Alterungsprozess unterliegen. Nachts gehen sie auf die Jagd, denn das Blut eines lebenden Opfers ist köstlicher als eine Blutkonserve oder sonstige Ersatzlösungen.
Außerdem kümmern sie sich um gefährliche Fälle, an die sich die Polizei nicht heranwagt. Die Aufträge erhalten sie von dem geheimnisvollen ‚Mister’, dessen Identität allein Kiyoi bekannt ist:
Als immer wieder Schülerinnen ermordet aufgefunden werden, muss sich der hübsche Ageha als Mädchen verkleiden. Es dauert nicht lang, bis der Täter auftaucht. Schließlich kommt eine Mitschülerin hinter das Geheimnis der Vampire und entführt Makoto, denn sie will so werden wie er. Auch ein wilder, unkontrollierter Vampir – ein so genannter Pseudovampir - treibt sein Unwesen in der Gegend. Masakazu begegnet ihm und bekommt Hilfe von Haruka, einem Vampir in seinem Alter, der ihm die Gunst der Mädchen streitig macht und von nun an immer mal bei Kiyoi vorbeischaut. Außerdem kümmern sich Makoto und Ageha um ein kleines Kind, das seine Mutter im vorweihnachtlichen Einkaufsgetümmel verloren hat. Das Geheimnis von ‚Mister’ und wie sich Kiyoi und Ageha kennen lernten, wird ebenfalls verraten…
Vampire waren schon immer mit die beliebtesten Figuren des Horror-Genres, doch momentan haben sie wahrlich Hochkonjunktur: Längst sind sie nicht mehr ‚die Bösen’, die gepfählt werden müssen, bevor sie das Verderben über Unschuldige bringen, sondern sie durften in die Rolle der düster-faszinierenden Helden schlüpfen, die ihre besonderen Fähigkeiten für das Gute einsetzen und ihren Blutdurst unter Kontrolle haben. Die Flut an entsprechenden Titeln wie z. B. Richelle Meads „Vampire Academy“, J. R. Wards „Black Dagger“ oder Stephenie Meyers „Bis(s) zum Morgengrauen“ legt davon ein deutliches Zeugnis ab.
Natürlich spiegelt sich das Interesse an den Kreaturen der Nacht auch im Bereich von Comic und Manga/Manhwa wider. „Hellsing“, „Rebirth“ und „Trinity Blood“ sind Beispiele für Serien, die sich an ein reiferes Publikum wenden, „Vampire Knight“, „Blood Hound“ und „Chuchuchu“ sind welche, die an eine jüngere und vor allem weibliche Leserschaft adressiert sind. Auch im Genre Boys Love wird man fündig: „Vampire’s Portrait“, „Yokai’s Hunger“, „Vassalord“ usw.
Ayako Suwas „Rhesus positiv” ist wie „Vassalord“ an der Grenze zwischen Shojo- und BL-Manga angesiedelt. Das Pendel schlägt – zumindest im ersten Band – jedoch mehr in Richtung Shojo-Mystery aus, denn die jungen Vampire bevorzugen das Blut weiblicher Opfer und unterhalten familiär wirkende Beziehungen, die nicht sonderlich romantisch erscheinen. Auch das gelegentliche ‚Händchenhalten’ oder eine Umarmung drücken eher Sorge und Freundschaft aus, können aber als Yaoi-Support gewertet werden.
Von „Rhesus positiv“ liegen in Japan erst vier Bände vor, und die Serie ist noch nicht abgeschlossen, das heißt, man muss sich auf einen mehrmonatigen/unregelmäßigen Erscheinungsrhythmus einstellen. Weshalb solche Reihen, von denen man nicht sagen kann, ob sie jemals komplett vorliegen werden, ins Programm genommen werden, wissen die Verlage allein – wie auch den Grund dafür, warum lange Serien, die bereits zu Ende sind, nicht ruckzuck durchgezogen, sondern vierteljährlich oder seltener publiziert werden („Get Backers“, „Basara“, „Anatolia Story“…).
Im vorliegenden Auftaktband werden das Setting und die Hauptfiguren vorgestellt. Man erfährt, wie es dazu kam, dass Kiyoi den jungen Vampiren ein Heim und auf diese Weise eine Familie gab. Auch das Geheimnis von ‚Mister’ wird erstaunlich früh gelüftet, was allerdings notwendig war, um die Detektivarbeit erklären und Kiyois Motive verstehen zu können. Immer wieder werden die Vampire, während sie an einem Fall arbeiten, mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Jeder von ihnen hat eine Geschichte, die mehr oder minder mosaikartig zusammengefügt wird.
Obwohl es die eine oder andere humorige Szene gibt, vor allem wenn Masakazu involviert ist, ist die Grundstimmung der Serie überwiegend melancholisch. Die Charaktere selber und nicht die Kriminalfälle stehen im Vordergrund. Dazu passen auch die detailreichen, klaren Zeichnungen, welche vor allem Leserinnen ab 13 Jahren gefallen dürften, die niedliche Bishonen mögen und nicht nach Hardcore-Horror oder/und –BL suchen.
Alles in allem ist „Rhesus positiv“ ein phantastischer Manga, der spannende und dramatische Momente bietet, vor allem aber auf Charakterentwicklung setzt. Man sollte auf jeden Fall den nächsten Band abwarten, um zu sehen, welche Richtung die Serie einschlagen wird. Mag man Titel wie „Vampire Knight“, „Yami no Matsuei“ oder „Blood Hound“, wird man auch dieser Reihe eine Chance geben wollen.