Kimberly Raye
Suche bissigen Vampir fürs Leben
Lil Marchette 1
(Dead End Dating, 2006)
Aus dem Amerikanischen von Bettina Oder
Lyx, 2009, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 344 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8168-7
Von Irene Salzmann
Lil Marchette hat es schwer: Die Vampirin aus reichem Haus ist 600 Jahre alt und hat immer noch nicht den richtigen Gefährten fürs ewige Leben und damit den Erzeuger des Nachwuchses, den sich ihre Eltern sehnlich wünschen, gefunden. Prompt werden ihr jedes Wochenende, wenn die Familie zusammentrifft, vielversprechende Kandidaten vorgestellt, denen es jedoch nicht um Liebe sondern allein um die Fortpflanzungsfähigkeit geht. Obendrein möchten die Eltern, dass Lil, wie ihre Brüder, in einer Filiale des Familienunternehmens arbeitet, wieder nach Hause zieht und das winzige Apartment aufgibt – ebenso die Dating-Agentur, die sie gerade eröffnet hat, um auf eigenen Beinen stehen zu können.
Leider fehlt es der Agentur an Kunden, dafür stapeln sich die Rechnungen. Trotzdem gibt Lil nicht auf und schafft es mit Hilfe ihrer Freundinnen und einer engagierten Sekretärin, immer mehr einsame Vampire, Gewandelte und Menschen für ihre Dienstleistungen zu interessieren. Schon bald stellen Lil und Evie fest, dass es gar nicht so einfach ist, für jeden den Traumpartner ausfindig zu machen – und was ist zu tun, wenn der unmögliche Fall eintritt, dass sich ausgerechnet ein Vampir und ein Mensch ineinander verlieben?
Noch komplizierter wird die Situation, als der attraktive Gewandelte Ty Bonner, ein Kopfgeldjäger, auftaucht. Er bittet Lil, sich bei ihm zu melden, falls ihr ein Klient verdächtig erscheint, denn seit geraumer Weile entführt ein Unbekannter junge, allein stehende Frauen, die er über vergleichbare Einrichtungen kennen lernte. Man geht davon aus, dass die Opfer ermordet wurden, doch gibt es keine Leichen. Lil ist hingerissen, aber da Ty kein gebürtiger Vampir ist, kommt er als Lover nicht infrage.
Trotzdem kann sie ihn sich nicht aus dem Kopf schlagen und nimmt einige Kunden, die ihr suspekt sind, unter die Lupe, um Ty durch Resultate zu beeindrucken - und bringt dadurch sich und andere in Gefahr…
Das Angebot an Romanen, die der Paranormal Romance zuzuordnen sind, wird immer größer, auch bei Lyx. Wenn es vor Vampiren, Werwölfen & Co. nur so wimmelt, bleibt es nicht aus, dass sich die Motive immer öfter wiederholen, selbst wenn jeder Autor bemüht ist, dem Mythos um die Kreaturen der Nacht eine weitere Facette hinzuzufügen. Gerade die Newcomer, die mit Serien wie „Buffy the Vampire-Slayer“, „Angel“, „Charmed“ usw. aufwuchsen und ihre ersten schreiberischen Gehversuche im Bereich des Liebesromans unternahmen, lesen sich recht ähnlich.
Das trifft auch auf Kimberly Raye zu, deren „Lil Marchette“-Bücher (ab 2006) stilistisch und vom Charakter-Design her wie eine Kopie von Mary Janice Davidsons „Betsy Taylor“-Serie wirken (ab 2004). Nicht nur der schnoddrige Ton, den man auch aus „Buffy“ kennt, sondern auch die Hauptfiguren sind nahezu identisch, interessieren sie sich doch für teure Marken-Schuhe und –Klamotten sowie für große, dunkle, unermüdliche Vampir-Männer. Hat man Spaß an der einen Reihe, wird sicher auch die andere den Nerv treffen, falls die Parallelen nicht als zu eintönig und langweilig empfunden werden.
Auch bei Kimberly Raye steht der Spaß im Vordergrund. Aus der Sicht von Hauptfigur Lil wird das Leben einer gebürtigen Vampirin, die allein und süchtig ist nach Marken-Kleidung, geschildert. Da es ihr nicht in erster Linie um Fruchtbarkeit sondern um Liebe geht, tut sie sich schwer, den geeigneten Partner zu finden, und macht spontan aus der Not eine Tugend, indem sie eine Dating-Agentur gründet (Schuh-Fan Betsy arbeitet in einem Schuhladen). Das bringt sie zwar unter Vampire, Gewandelte, Menschen und Andere, aber Mr. Right ist nicht dabei.
Die sympathische Lil hadert mit ihrem Schicksal, lässt sich aber nicht unterkriegen. Stattdessen erreicht sie durch Beharrlichkeit, Witz und dem Talent, selbst aus einer misslichen Situation einen Vorteil zu ziehen, mehr, als man ihr zugetraut hätte. So verkuppelt sie Personen, die gar nicht zusammenzupassen scheinen, und ist für manche Überraschung gut. In Folge fängt auch Ty Feuer, aber jeder lässt den anderen aufgrund von Vorurteilen erst einmal zappeln.
Darum gibt es – anders als bei „Betsy Taylor“: o Wunder! – keine expliziten Szenen, und die Wortwahl ist weniger deftig. Die Autorin hält ihre Leserinnen hin, die schon die Fortsetzung lesen müssen, wollen sie erfahren, ob aus Lil und Ty in „Beiß mich, wenn du kannst“ ein Paar wird.
Kleine Logikfehler verzeiht man der Autorin (Ty trägt einen langen Ledermantel, aber Lil bewundert sein tolles Hinterteil?), zumal gerade das Publikum zwischen 15 und 25, das die Hauptzielgruppe stellt, über eher wenig Lese-Erfahrung verfügt und solche Schnitzer kaum bemerken wird. Das humorige Szenario wird davon nicht beeinträchtigt.
Die wenigen Spannungs- und Krimi-Elemente sind lediglich schmückendes Beiwerk und können nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Suche bissigen Vampir fürs Leben“ ein witziger Liebesroman ist, der durch das Vampir-Thema aufgepeppt wurde.
Wer genau diese Mischung aus Klamauk und Romanze sucht, wird zweifellos zufrieden gestellt, doch wer echte Phantastik und gruselige Momente wünscht, kann mit einem anderen Titel eher glücklich werden.