Lynsay Sands
Eine Vampirin auf Abwegen
(A Quick Bite)
Aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Regina Winter
Titelillustration von Mares Lucian
Lyx, 2009, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 392 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8183-0
Von Irene Salzmann
Lissianna Argeneau hat ein großes Problem: Sie ist Vampirin, kann aber kein Blut sehen. Aus diesem Grund muss sie sich von menschlichen Spendern ernähren, während alle anderen längst auf Blutbanken umgestiegen sind und aus Beuteln trinken. Um ihr zu helfen, hat sich ihre Mutter Marguerite etwas Besonderes einfallen lassen:
An ihrem Geburtstag erlebt Lissianna eine große Überraschung, als sie ihr Zimmer betritt. Auf ihrem Bett liegt ein gefesselter, überaus attraktiver Mann, der sich als Psychiater vorstellt. Dr. Gregory Hewitt soll nicht etwa ein leckerer Snack sein, sondern Lissiannas Hämophobie heilen. Dass Greg allerdings auch herausfindet, dass seine Patientin und ihre Angehörigen Vampire sind, war nicht geplant.
Da zu befürchten ist, dass der Rat eingreifen und Greg töten wird, verhilft Lissianna ihm zur Flucht und bekommt dabei Unterstützung von einigen Mitgliedern ihrer Familie, die erkannt haben, dass die beiden ineinander verliebt und füreinander bestimmt sind. Aber wird Greg für Lissianna alles aufgeben und sich wandeln lassen?
Chronologisch ist „Eine Vampirin auf Abwegen“ der erste Band der „Argeneau“-Serie, doch verfasst und von Lyx veröffentlicht wurde er als drittes Buch. Nachdem man sich zunächst darüber wunderte, stellt man nach der Lektüre fest, dass es eine weise Entscheidung des Verlags war, denn als Startroman hätte der Titel vermutlich weniger reizen können als „Verliebt in einen Vampir“ oder „Ein Vampir zum Vernaschen“.
Warum? – Das Schema der Paranomal Romances sieht vor, dass eine mehr oder minder normale, aber hübsche Frau, mit der sich die Leserinnen zwischen 15 und 30 identifizieren möchten, in einen supertollen Typen verknallt, der als Vampir oder anderes phantastisches Wesen ein paar dunkelgraue Geheimnisse hütet, trotzdem der Gute der Geschichte ist, sich als unermüdlicher, überproportional ausgestatteter Liebhaber erweist, in jener Frau seine ‚Seelengefährtin’ erkennt und sie daraufhin mit ewiger Schönheit, Jugend, Langlebigkeit/Unsterblichkeit ausstattet. Diesmal jedoch werden die Rollen getauscht, was zweifellos eine kleine Abwechslung bedeutet, wenn auch alles andere wie gehabt verläuft, aber die Identifikation mit einer Super-Vampirin, die sich eines armen Würstchens annimmt, das ihretwegen in Schwierigkeiten geriet, will nicht recht gelingen, wenn man vom mächtigen, tapferen Held und Retter träumt.
„Eine Vampirin auf Abwegen“ an dritter Stelle zu platzieren, darf man somit als geschickten Schachzug bezeichnen, denn hatte das Publikum Spaß an den ersten Romanen, wird es die Serie komplett lesen wollen, den Titel als kleine Abwechslung verbuchen und sich dann auf „Immer Ärger mit Vampiren“ freuen, in dem Bastien Argeneau an die Reihe kommt und seine Braut findet.
Kennt man ihre anderen Bücher – für das Verständnis notwendig ist dies nicht, jeder Band ist in sich abgeschlossen, Notwendiges erklärt sich aus der Handlung selbst, die gelegentlichen Anspielungen sorgen bei den treuen Fans für den Aha-Effekt -, weiß man, worauf man sich bei Lynsay Sands einlässt:
Primär ist „Eine Vampirin auf Abwegen“ ein leidenschaftlicher Liebesroman, der durchaus auch ohne das phantastische Element funktioniert hätte. Die Autorin nutzt die Gelegenheit, weitere Mitglieder der Familie Argeneau einzuführen, so dass sich die Serie noch beliebig fortsetzen lässt. Spannende Höhepunkte darf man nicht erwarten, dafür einen flotten, witzigen Erzählstil, Situationskomik und Romantik. Wo es möglich wäre, das Tempo zu erhöhen, Action und Mystery auszubauen, lässt die Autorin die Chance verstreichen, denn sie möchte nur auf leichte, amüsante und erotische Weise unterhalten. Das gelingt ihr auch sehr gut, wobei besonders erfreulich ist, dass sie nicht den Holzhammer-Humor à la „Buffy“ bemüht und die erotischen Szenen weniger derb beschreibt als z. B. Lara Adrian oder Katie MacAlister.
Von daher ist die „Argeneau“-Serie eine empfehlenswerte Reihe für jene Genre-Fans, die es zwar explizit, aber nicht plump, heiter, aber ohne übertriebenen Klamauk wünschen und tatsächlich nur eine Romanze lesen wollen. Der Hardcore-Horror- und Mystery-Freund hingegen wird mit den Titeln nicht viel anfangen können.