Bill Willingham
Sandman präsentiert 1
Thessaly – Die Hexe lässt das Morden nicht
(The Sandman presents: The Tessaliad, # 1-4, DC Comics, 2002)
Aus dem Amerkanischen von Gerlinde Althoff
Titelillustration von Dave McKean
Zeichnungen von Shawn McManus Farbe von Allen Jamison & Danny Vozzo
Panini, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 100 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-86607-785-0
Von Frank Drehmel
Die letzte der thessalischen Hexen, die einst für ihre grausamen, blutrünstigen Rituale in der gesamten Welt gefürchtet waren, hat sich entschlossen, es nach ihren Sturm-, Drang- und Massenmord-Jahren etwas ruhiger angehen zu lassen. Daher widmet sich die jugendlich erscheinende Thessaly an einem College ihrem Studium und muss sich, anstatt Menschen zu opfern, höchstens den Avancen verknallter Kommilitonen erwehren.
Das betuliche Leben hat ein Ende, als eines Tages aus heiterem Himmel eine Rotte höllischer Hunde in ihre Studentenbude eindringt, den zufällig anwesenden, schüchternen Stanley zerfleischt und der Hexe arg zusetzt.
Zwar gelingt es Thess relativ mühelos, die Untiere zu vernichten, doch der junge Mann namens Fetch, der anschließend auftaucht, ist ein anderes Kaliber, denn Fetch ist ein Geist, der den Auftrag hat, ihr die Seele aus dem Leib zu reißen. Allerdings verfolgt er diesen Plan nicht sonderlich engagiert, obwohl Thessaly es gewesen sein soll, die ihn einst umgebracht hat. Im Gegenteil: Fetch erweist sich als kurzweiliger, sympathischer Gesprächspartner, der der Hexe sogar den Weg zu seinen Auftraggebern weist.
Ein erstes Problem auf Thess' Rachefeldzug besteht jedoch darin, die drei Hüter des Weges zu bezwingen, und das zweite sind die Auftraggeber selbst, die sich als echte Götter herausstellen. Aber vor Göttern sind thessalische Hexen noch nie zurückgewichen (was ein Grund dafür sein mag, dass nur noch eine existiert).
Bill Willingham dürfte den deutschen Lesern in erster Linie durch die mit dem Eisner-Award ausgezeichnete Comic-Serie „Fables“ bekannt sein, die - wie das vorliegende Tradepaperback – ebenfalls bei Panini herausgegeben wird und die sich durch das lockere Spielen mit Mythen beziehungsweise Märchen auszeichnet. Mit Thesally nun nimmt er sich einer Figur an, die zwar auch mythische Wurzeln aufweist, die jedoch ursprünglich vom Neil Gaiman innerhalb seiner „Sandman“-Saga in das DC-Universum transponiert wurde.
Da es sich also bei „Thessaly – Die Hexe lässt das Morden nicht“ um einen Spin Off einer der bedeutendsten amerikanischen Comic-Serien nicht nur des Modern Age handelt, ist der vorgebildete Leser geneigt, bestimmte Erwartungen hinsichtlich der Tief- bzw. der Hintergründigkeit sowie des Ideenreichtums von Story und Figuren zu hegen.
Um es kurz zu machen: der Autor wird zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise dem gerecht, was die „Sandman“-Comics zu modernen Klassikern der neunten Kunst machte. Philosophische, existenzielle Fragen oder feingeistige historische und literarische Anspielungen beziehungsweise Zitate erfahren bei Willingham nicht oder – so scheint es - nur zufällig Beachtung. Stattdessen wirken Figuren wie Handlung grob gestrickt, dominiert vordergründige, mit Horror-Elementen garnierte Action die augenscheinlich auf eine jüngere Zielgruppe ausgerichtete Story.
Dass auch ältere Lesere durchaus Gefallen an der an dem Comic finden können, liegt zum einen an den humorvollen Dialogen zwischen Thess und Fetch, zum anderen an einem mal ironischen, mal sarkastischem Grundtenor, der in den Abenteuern der beiden mitschwingt.
Das Artwork Shawn McManus', welcher für einige Hefte des „Sandman“-Zyklus' „Über die See zum Himmel“ („A Game of You“) verantwortlich zeichnete, des Zyklus' also, in dem Thessaly erstmalig in Erscheinung tritt, ist in seiner Klarheit, den Perspektivwechseln und der Tendenz zur karikaturhaften Überzeichnung gefällig anzuschauen; allerdings fehlt es den Bildern unterm Strich an visueller Spannung, so dass sie – wie die Geschichte selbst - eher brav und bieder wirken.
Fazit: Bei Weitem nicht so tiefgründig wie Gaimans „Sandman“-Comics weiß „Thessaly – Die Hexe lässt das Morden nicht“ dennoch durch lockeren Humor und eine sarkastische Grundstimmung zu überzeugen.