Die gesammelten Abenteuer des Großwesirs Isnogud 6
Text: René Goscinny
Zeichnungen:Jean Tabary
Übersetzung: Gudrun Penndorf M.A., Uwe Löhmann
Lettering: Eleonore Caspart
Ehapa, 2009, Hardcover, 160 Seiten, 29,00 EUR, ISBN 978-3-7704-3186-1
Von Frank Drehmel
Mit dem sechsten Band der „Isnogud“-Gesamtausgabe hält nach den One-Pagern ein weiteres Novum Einzug: zwei Geschichten, die mit jeweils rund 46 Seiten ein komplettes Album umfassen, und für die nach dem Tode Goscinnys Tabary nicht nur als Zeichner, sondern auch als Texter beziehungsweise Szenarist fungiert.
Isnoguds Kindheit (L'enfance d'Iznogoud)
Der bösartige Großwesir Isnogud hadert wie gewöhnlich mit dem Leben und der Tatsache, dass sich auf dem Thron von Bagdad nicht er, sondern der freundliche, träge Kalif Harun al Pussah breit macht. Abhilfe für seine Nöte könnte die hübsche Geschichtenerzählerin Telerazade schaffen, die gerade dabei ist, ihre magischen Fähigkeiten zu entdecken und zu erkunden: von jeder Person, der sie ihr dickes Märchenbuch auf den Kopf haut, entsteht eine kindliche Kopie, die solange existiert, wie die Beule auf dem Haupt des Opfers andauert. Das Schöne für Isnogud ist dabei: das, was dem Kind widerfährt, wirkt sich auch auf den Erwachsenen aus. Und ist es nicht viel einfacher: den Kalifen als Kind zu ermorden oder wenigstens verschwinden zu lassen?
Da Telerazades Märchenbuch allerdings recht locker sitzt, wimmelt es im Palast bald von so vielen Menschen - den originalen Personen (mit einer Beule) sowie den dazugehörigen Kindern -, dass nicht nur Isnogud den Überblick verliert. Erschwerend kommt hinzu, dass sein eigenes, jüngeres Ego bestens mit dem jüngeren Ich des Kalifen auskommt und sich als dessen Beschützer versteht.
Isnogud und die Frauen (Iznogoud et les femmes)
Isnoguds Bestrebungen, den Kalifen zu vergiften, werden durch die Ankunft eines Boten Sultan Pullman-Kars – eines eher griesgrämigen Zeitgenossen – unterbrochen, der den Besuch seines Herren in Bagdad avisiert. Als Willkommensgeschenk erwartet der Herrscher eine Haremsdame. Dumm nur, dass der Kalif bisher nicht einmal wusste, dass er einen Harem besitzt. Dementsprechend klein ist auch die Auswahl an geeigneten femininen Wesen: sie beschränkt sich auf eine einziges altes Weib aus dem Nachlass des Vaters des Kalifen, da die anderen Frauen mittlerweile an Altersschwäche verschieden sind. Also lautet Isnoguds Auftrag, zunächst eine geeignete Frau heranzuschaffen, worüber sein Plan, den Kalifen zu beseitigen, allerdings nicht in Vergessenheit gerät, zumal sich die Gelegenheit bietet, beides in einem Abwasch zu erledigen.
Das dritte Album, Die Wahnvorstellungen des Isnogud (Les cauchemars d'Iznogoud – Tome 3), enthält weitere One-Pager aus der Feder Goscinnys und Alain Buhlers, welcher nach Goscinnys Tod dessen Kurz-Kommentierungen tagesaktueller Politik fortsetzte, der es allerdings – wie sein Vorgänger - nicht vermochte, zeitlose Szenen zu entwickeln, die heute noch signifikanten Unterhaltungswert besitzen. Im Gegenteil: bis auf wenige Ausnahme wirken die Onepager – wie gehabt – trotz aller Pointierung dröge, uninspiriert und wenig erheiternd.
Wer meint, dass mit dem Dahinscheiden Goscinnys und der Fortführung der Serie unter Verantwortung Tabarys ein Bruch im Story-Telling erkennbar wird, der hat sicherlich recht, denn Tabary verfügt in der Tat nicht über das feine Gespür für Timing, für Tempo, für ironische Untertöne, für leichten Wortwitz und mehr oder weniger verhaltene Anspielungen auf realgesellschaftliche Zustände wie sein Vorgänger. Sein Ansatz ist ein eher derber, slapstickhafter, aus der Situationskomik gespeister, der insbesondere „Isnoguds Kindheit“ zu einer furiosen, burlesken Geschichte nach Art eine Boulevardkomödie macht, in der unentwegt Mimen die Bühnen betreten, um gleich darauf wieder abzutreten, in der sich schnelle Pointen aneinander reihen, ohne dass diese langatmig vorbereitet werden.
Während „Isnoguds Kindheit“ - auf eine andere Art - mindestens so unterhaltsam wie die guten Goscinny-Storys ist, kommt „Isnogud und die Frauen“ spürbar schwächer daher. Nicht nur, dass der unterschwellige Machismo nervt, der Geschichte fehlt auch ein innerer Zusammenhalt, das heißt die einzelnen Szenen und Handlungsbögen fügen sich nicht nur nicht ineinander, sondern sie wirken auch vergleichsweise lust- und ideenlos. Dennoch bietet selbst sie mehr leichte Situationskomik, als es in vielen anderen Funny-Comics der Fall ist.
Fazit. Nach dem Tode Goscinnys zwar ein deutlicher Bruch im Storytelling, der aber dem Unterhaltungswert der Comics nur wenig Abbruch tut.