Prophet 1
Ante Genesem
(Prophet: Ante Genesem)
Text: Xavier Dorison
Zeichnungen: Mathieu Lauffray
Übersetzung: Delia Wüllner-Schulz
Lettering: Dirk Schulz
Splitter, 2009, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-062-0
Von Frank Drehmel
Der Abenteurer und Archäologe Jack Stanton sowie Professor Alexander Kandel von der Miskatonic-Universität finden auf einer Expedition im Himalaya die gigantischen Ruinen eines uralten Heiligtums. Der Anblick der verfallenen Bauwerke versetzt Kandel so in Schrecken, dass er kurz darauf einem Herzanfall erliegt und Jack die Erkundung auf eigene Faust fortsetzt.
Wieder daheim in New York wird Stanton zwar von Alpträumen und Visionen heimgesucht, verarbeitet beziehungsweise verbreitet das Gesehene aber dennoch in einem Buch, „Ante Genesem“ - vor der Schöpfung -, welches ihm nicht nur Publicity in den Medien einbringt, sondern ihn auch zur Zielscheibe eines aufgebrachten Predigers macht, der versucht, den Abenteurer zu töten.
Auch wenn das Attentat fehlschlägt, so ist das Unheil, das Stanton in die Welt gebracht haben soll, nicht mehr aufzuhalten: die Südspitze Manhattans geht in Folge eines Unfalls und eines Erdbebens in Flammen auf, an Bord eines gestrandeten, verlassen Tankers entdeckt man ein beunruhigends Etwas und Jack findet sich unversehens in einer scheinbar menschenleeren Parallelwelt wieder, in der nur Skelette von monströsen Bewohnern zeugen. Für den Archäologen beginnt eine Suche nach Nahrung und Schutz, nach vagen Anzeichen von Zivilisation, wobei er nicht ahnt, dass ein teuflisches Wesen seine Spur aufgenommen hat. Und was hat es mit dem blutenden Mal auf seiner Brust und seiner Vision von einer jungen Frau auf sich?
Miskatonic-Universität, monströse Monolithe, gigantische Wesen, uralte Heiligtümer? Das ist H.P. Lovecraft in Reinform! Die ersten Seiten von Xavier Dorisons Geschichte erwecken bei jedem Fan cthuloiden Horrors sofort ein Gefühl der Vertrautheit, das selbst dann noch mehr oder weniger unterschwellig mitschwingt, als sich die Story von der lovecraft'schen Inspiration zu lösen beginnt und neue Pfade Richtung Moderne einschlägt.
Obgleich auch später zahlreiche Story-Elemente isoliert betrachtet dem einen oder anderen Horror- beziehungsweise Mystery-Werk – Buch oder Film – entlehnt scheinen, gelingt es dem Autor, diese zu einem neuen Ganzen, einer spannenden, temporeichen Geschichte voller Rätsel und Mysterien zu verknüpfen, die zudem vom einem sympathischen Hauptprotagonisten getragen wird.
Das visuell leichte Artwork Mathieu Lauffrays erscheint auf den ersten Blick wenig spektakulär und erinnert sowohl in Strichführung als auch der perspektivischen Komposition her an Philippe Xavier („Das verlorene Paradies“, „Kreuzzug“) oder Alberto Varanda („Die Legende der Drachenritter“), allerdings ohne deren exzeptionelle Dynamik aufzuweisen. Dennoch erzeugt es trotz seiner Klarheit und der relativ hellen Koloration durch behutsam eingestreute surreale Elemente eine verhalten unheimliche Atmosphäre, die sich insbesondere – aber nicht nur hier - in den großformatigen oder ganzseitigen Panels manifestiert.
Ein redaktioneller Teil mit kommentierten Figurenskizzen und Seitenentwürfen rundet in editorischer Hinsicht das durch und durch positive Gesamtbild dieses Comic-Albums ab.
Fazit: Die phantastische, mysteriöse Geschichte sowie das prägnante Artwork machen „Ante Genesem“ zu einem vielversprechenden Einstieg in einen cthuloiden Hintergrund.