Didier Convard
Tanatos 1
Der Sohn des Todes
(Tanatos tome 1: L’année sanglantes & Tanatos tome 2: Le jour du chaos, 2009)
Aus dem Französischen von Marcel le Comte
Titelbild und Zeichnungen von Jean-Yves Delitte
Ehapa, 2009, Hardcover, 112 Seiten, 29,95 EUR, ISBN 978-3-7704-3286-8
Von Christel Scheja
Ist es Zufall, dass Tanatos ein Meister der Masken ist und in seiner wahren Gestalt meistens nur in einem blauen Anzug mit Halbmaske auftritt und genau in der Zeit aktiv wird, in der auch der erste Roman zu dem Superschurken „Fantomas“ von Pierre Sovestres und Marc Allain spielt? Wie dieser verfügt auch Tanatos über eine Menge krimineller Energie, skrupelloser Leute, die ihm folgen, und nicht zuletzt die Geldmittel, um auf neue Technologien zurückgreifen zu können.
Im Jahr 1913 geht es Frankreich wie vielen anderen Ländern Europas. Politisch ist es instabil, und viele verschiedene Strömungen versuchen, die Kontrolle zu bekommen. Etwas liegt in der Luft, was noch niemand auszusprechen wagt, aber viele bereits denken. Der Krieg der Nationen wird unvermeidlich sein.
Hinter den Kulissen mischt auch ein Mann mit, dessen wahres Gesicht niemand kennt und der seine Absichten sogar vor den engsten Getreuen verschleiert – Tanatos, über den es viele Gerüchte gibt, und den man hinter vorgehaltener Hand nur den ‚Sohn des Todes’ oder den ‚Mann mit den tausend Gesichtern’ nennt. Denn er agiert im Verborgenen und schlüpft immer wieder in die Masken unbescholtener Bürger, um seine Intrigen in Gang zu setzen oder fort zu führen.
So nimmt er schließlich auch die Rolle des Abgeordneten Lampoit an und beginnt, langsam aber sicher die anderen Politiker auf den Krieg einzuschwören. Über Monate bewegt er sich in der Maske, bis er sich schließlich dazu entscheidet, diese aufzugeben und den Abgeordneten – der längst tot ist und auf Eis liegt - in einem dramatischen Selbstmord ableben zu lassen und seine Geschichte glaubwürdiger zu machen.
Die Polizei ist leicht zu überlisten, nicht aber der Privatdetektiv Louis Victor, der den Abschiedsbrief durch ein kleines aber entscheidendes Detail als Fälschung erkennt und den Fall wieder aufrollt. Eine genauere Untersuchung der Gerichtsmedizin bestätigt seinen Verdacht: Der Abgeordnete ist ermordet worden.
So bekommt Tanatos einen Gegner, der ebenso wie er mit den neusten Methoden der Wissenschaft arbeitet und einen wachen Verstand hat, durch den er sich nicht so leicht täuschen lässt. Die beiden werde zu erbitterten Rivalen – doch kann Victor noch aufhalten, was Tanatos durch seine Machenschaften in Gang gesetzt hat?
Wer zumindest die „Fantomas“-Filme gesehen hat, wird schon wissen, auf was Didier Convard und Jean-Yves Delitte anspielen. Hier wie dort ist die Polizei eher im Hintertreffen und erweist sich als unfähig. Erst ein Privatmann kommt dem kriminellen Superhirn auf die Schliche und schlägt ihn schließlich mit den eigenen Mitteln. Dabei geht der Bösewicht recht skrupellos vor und hat zudem zwielichtige Handlanger um sich gescharrt, die so klangvolle Namen wie ‚Angsttöter’ oder ‚Um-die-Ecke-Bringer’ tragen. Das große Ziel ist natürlich wieder einmal die Weltherrschaft, und da kommt ihm ein Krieg, der die Regierungen und Nationen schwächt natürlich sehr entgegen.
Das Szenario ist eine reine Hommage an den Fortsetzungsroman, den die oben genannten Autoren unter Zeitdruck verfassten, um ihr Geld zu verdienen und die Einstellung der Reihe zu verhindern. Immer wieder gibt es Andeutungen und Hinweise, die Figurenkonstellationen sind ähnlich, auch die Methoden und Überlegungen des Superschurken gleichen im Stil denen von „Fantomas“.
Man merkt, dass auch der Künstler gut recherchiert hat, denn die Zeichnungen geben die Atmosphäre der Zeit gelungen und stimmungsvoll wieder, selbst die Darstellung von Zeitungen und Bildern aus dem Krieg, die an so manches Fotodokument erinnern. Erzählt wird sie eher ruhig; Actionszenen wie Verfolgungsjagden und Kämpfe gibt es nur selten.
So passt es auch, dass am Schluss der in sich geschlossenen Geschichte kein völliges Happy End steht und Tanatos zwar von Louis Victor ausgebremst worden ist, er das Spiel um die Macht aber noch lange nicht verloren hat.
Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, so ist „Tanatos“ letztendlich doch kein an die Amerikaner angelehnter Superhelden-Comic, sondern bezieht sich auf ganz andere Wurzeln, die man – ist man schon ein wenig älter und hat zumindest die Filme mit Jean Marais und Louis de Funés noch gesehen - sogar in Deutschland ohne Probleme wiedererkennt und bietet spannende, wenn auch ein wenig gepflegtere und behäbigere Unterhaltung, als bei solchen Themen üblich.