Garulfo 2
Der Prinz mit den zwei Gesichtern
(3. Le prince aux deux visages, 4. L'ogre aux yeux de cristal)
Text: Alain Ayroles
Zeichnungen: Bruno Maïorana
Farben: Thierry Leprevost
Übersetzung: Delia Wüllner-Schulz & Tanja Krämling
Lettering: Dirk Schulz
Splitter, 2009, Hardcover, 104 Seiten, 22,80 EUR, ISBN 978-3-86869-047-7
Von Frank Drehmel
Wie schon das erste Album der Reihe, vereint auch dieser nachfolgende Band zwei Geschichten, dessen erste mit „Der Prinz mit den zwei Gesichtern“ überschrieben ist, während die zweite den Titel „Der Oger mit den Kristallaugen“ trägt.
Im Reiche Wunderwasser künden die Glocken von der Geburt des Königssohnes Ronaldo. Wie es in den Herrscherhäusern solcher Gegenden Tradition ist, sollen drei Feen dem Knaben als Patinnen ihre Gaben mit auf den Lebensweg geben. Bedauerlicherweise lassen sich jedoch nur zwei solcher Wesen auftreiben, sodass man sich von elterlicher Seite genötigt sieht, eine Hexe als Ersatzspielerin einzuwechseln, in der Hoffnung, dass diese dem Knaben keinen Fluch anhängt. Genau das tut sie aber – zumindest aus Sicht seiner Eltern - indem sie ihm die Gabe schenkt, seinen Nächsten ungeachtet dessen Herkunft und Spezies zu achten.
Zwanzig Jahre später: Ronaldo hat sich zu einem blonden, wunderschönen, überheblichen Arschloch entwickelt, das Rücksicht nur auf sich selber nimmt. Als er es eines Tages zu bunt treibt, holt ihn der Fluch der alten Frau ein und Ronaldo verwandelt sich in einen sprechenden Frosch. Schnell merkt er, dass man als kleine Amphibie in einem Schloss voller großer Menschen und gemeiner Katzen keine allzu hohe Lebenserwartung hat. Er flieht in die Wildnis und gelangt nach allerlei Abenteuern in das Haus der Hexe.
In der Erwartung, dass Ronaldo seine Lektion gelernt hat, entflucht ihn die Alte, nur um festzustellen, dass der Prinz noch immer ein arroganter Schnösel ist. Also wird – Hokuspokus – der Fluch verlängert, wobei sich nun das ganze Ausmaß der Verwandlung offenbart: nicht nur, dass Ronaldo in einen Frosch verwandelt wird, sondern der Frosch Garulfo transformiert im gleichen Augenblick in den Prinzen Ronaldo, da - wie wir alle wissen – durch Magie nichts erschaffen, sondern lediglich alles in etwas anderes verwandelt wird (oder so ähnlich). Als sich Ronaldo der Frosch und Garulfo der Prinz kurz darauf begegnen, wird ihnen schnell klar, dass sie auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet sind, wollen sie je ihren eigenen Körper wieder in Besitz nehmen.
Während Garulfo und Ronaldo versuchen, ihrer unglücklichen Lage Herr zu werden und sich dabei unter anderem mit lichtscheuem Gesindel rumärgern müssen, hat Prinzessin Hermina ganz andere Sorgen: bei der Verfolgung eines diebischen Kobolds ist sie dem menschenfressenden Oger in die Hände gefallen, der seit kurzem die Dörfler des Königreichs Heidemond tyrannisiert. Glücklicherweise erweist sich der grobschlächtige Riese als äußerst feinfühliges, ja geradezu schöngeistiges Wesen mit einer poetischen Präferenz für kristallene Dinge, der nicht wirklich Menschen frisst ... hofft jedenfalls die Prinzessin.
Jemand, der wie ich seit mehreren Dekaden jedwedem Comic-Laster (in „passiver“ Form) frönt, ist leicht geneigt, anzunehmen, er habe schon alles gesehen und gelesen, bis eines Tages diese leicht bräsige Selbstzufriedenheit jäh zu Nichts zerbröselt. Das ist der Tag, an dem dieser Jemand das Album „Der „Prinz mit den zwei Gesichtern“ in den Händen hält.
Ich kann mich an kein einziges Comic erinnern – seien es frankobelgische Funny-Klassiker, die Geschichten der Disney-Schule oder sei es der eher subversive Underground -, bei dessen Lektüre ich mehr gelacht habe als bei diesem zweiten Garulfo-Band.
Alain Ayroles und Bruno Maïorana gelingt gemeinsam und mit Unterstützung des Koloristen Thierry Leprevost das Kunststück, ein Meisterwerk des Humors zu erschaffen, das mit seinem präzisen Erzähltempo, welches für das Funktionieren von Komik so wichtig ist, den leichten, pointierten Dialogen sowie dem grandiosen Artwork, in dem jede Körperhaltung, jede Mimik und jedes skurrile Detail perfekt sitzt, im Genre der „funny Comics“ eine herausragende Stellung einnimmt.
Besonders hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang, dass der Autor über das Aneinanderreihen von Sketchen und Gags nicht vergisst, eine beschwingte, leichte und leicht hintergründige Geschichte zu erzählen, in welcher der große Zusammenhang ebenso von Bedeutung ist, wie die einzelne Szene.
Auch diesen zweiten Band rundetet ein weiterer kleiner, illustrierter Blick Alain Ayroles hinter die Kulissen in editorischer Hinsicht ab.
Fazit: Die perfekt (!) inszenierte Situationskomik, die lebhaften, sympathischen Figuren sowie eine leichte Hintergründigkeit machen „Der Prinz mit den zwei Gesichtern“ zu dem Genre-Highlight schlechthin. Gnadenlos witzig!